Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

Felchners Fabrik, auf welche ich schon seit einem halben Jahr ein wachsames Auge geworfen habe. Einer von ihnen, Franz Thalheim genannt, hatte ein Buch geschrieben: >Aus dem armen Volk -- Allen Menschenfreunden gewidmet.< Dieses Buch war mir in die Hände gefallen -- es enthielt die allerübertriebensten Schilderungen von der Noth der arbeitenden Classen. Ein Arbeiter derselben Fabrik hatte mir dies Buch gegeben. Sie wundern sich, wie ich mit einem solchen Menschen zusammenkam? -- Nun wohl, es war schon längst von communistischen Verbindungen in Deutschland unter dem Fabrikvolk die Rede gewesen -- man hatte sie aber noch nie entdecken können -- ich hatte mich verbindlich gemacht, daß ich, wenn und wo solche existirten, sie auch würde ausfindig zu machen vermögen. Aber ich wußte. wie ich es anzufangen hatte. Ich begab mich hier in die nächste kleine Stadt -- unter einem andern Namen -- ich nannte mich Stiefel -- und mit einer falschen Haartour unkenntlicher gemacht, begab ich mich in die Vierstuben und Schänken und suchte Verkehr mit diesen Leuten, um ihre Stimmung zu erforschen. Endlich gelang es mir, einen der Fabrikarbeiter bei Felchner mir ganz dienstbar zu machen. Von ihm hab ich immer die gewissenhaftesten Berichte erhalten über das, was seine Kameraden vornahmen. Nachdem ich ihn geworben, kehrte ich wieder in die Residenz zurück und

Felchners Fabrik, auf welche ich schon seit einem halben Jahr ein wachsames Auge geworfen habe. Einer von ihnen, Franz Thalheim genannt, hatte ein Buch geschrieben: ›Aus dem armen Volk — Allen Menschenfreunden gewidmet.‹ Dieses Buch war mir in die Hände gefallen — es enthielt die allerübertriebensten Schilderungen von der Noth der arbeitenden Classen. Ein Arbeiter derselben Fabrik hatte mir dies Buch gegeben. Sie wundern sich, wie ich mit einem solchen Menschen zusammenkam? — Nun wohl, es war schon längst von communistischen Verbindungen in Deutschland unter dem Fabrikvolk die Rede gewesen — man hatte sie aber noch nie entdecken können — ich hatte mich verbindlich gemacht, daß ich, wenn und wo solche existirten, sie auch würde ausfindig zu machen vermögen. Aber ich wußte. wie ich es anzufangen hatte. Ich begab mich hier in die nächste kleine Stadt — unter einem andern Namen — ich nannte mich Stiefel — und mit einer falschen Haartour unkenntlicher gemacht, begab ich mich in die Vierstuben und Schänken und suchte Verkehr mit diesen Leuten, um ihre Stimmung zu erforschen. Endlich gelang es mir, einen der Fabrikarbeiter bei Felchner mir ganz dienstbar zu machen. Von ihm hab ich immer die gewissenhaftesten Berichte erhalten über das, was seine Kameraden vornahmen. Nachdem ich ihn geworben, kehrte ich wieder in die Residenz zurück und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0142" n="136"/>
Felchners Fabrik, auf welche ich schon seit einem halben Jahr ein wachsames Auge geworfen habe. Einer von ihnen, Franz Thalheim genannt, hatte ein Buch geschrieben: &#x203A;Aus dem armen Volk &#x2014; Allen Menschenfreunden gewidmet.&#x2039; Dieses Buch war mir in die Hände gefallen &#x2014; es enthielt die allerübertriebensten Schilderungen von der Noth der arbeitenden Classen. Ein Arbeiter derselben Fabrik hatte mir dies Buch gegeben. Sie wundern sich, wie ich mit einem solchen Menschen zusammenkam? &#x2014; Nun wohl, es war schon längst von communistischen Verbindungen in Deutschland unter dem Fabrikvolk die Rede gewesen &#x2014; man hatte sie aber noch nie entdecken können &#x2014; ich hatte mich verbindlich gemacht, daß ich, wenn und wo solche existirten, sie auch würde ausfindig zu machen vermögen. Aber ich wußte. wie ich es anzufangen hatte. Ich begab mich hier in die nächste kleine Stadt &#x2014; unter einem andern Namen &#x2014; ich nannte mich Stiefel &#x2014; und mit einer falschen Haartour unkenntlicher gemacht, begab ich mich in die Vierstuben und Schänken und suchte Verkehr mit diesen Leuten, um ihre Stimmung zu erforschen. Endlich gelang es mir, einen der Fabrikarbeiter bei Felchner mir ganz dienstbar zu machen. Von ihm hab ich immer die gewissenhaftesten Berichte erhalten über das, was seine Kameraden vornahmen. Nachdem ich ihn geworben, kehrte ich wieder in die Residenz zurück und
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0142] Felchners Fabrik, auf welche ich schon seit einem halben Jahr ein wachsames Auge geworfen habe. Einer von ihnen, Franz Thalheim genannt, hatte ein Buch geschrieben: ›Aus dem armen Volk — Allen Menschenfreunden gewidmet.‹ Dieses Buch war mir in die Hände gefallen — es enthielt die allerübertriebensten Schilderungen von der Noth der arbeitenden Classen. Ein Arbeiter derselben Fabrik hatte mir dies Buch gegeben. Sie wundern sich, wie ich mit einem solchen Menschen zusammenkam? — Nun wohl, es war schon längst von communistischen Verbindungen in Deutschland unter dem Fabrikvolk die Rede gewesen — man hatte sie aber noch nie entdecken können — ich hatte mich verbindlich gemacht, daß ich, wenn und wo solche existirten, sie auch würde ausfindig zu machen vermögen. Aber ich wußte. wie ich es anzufangen hatte. Ich begab mich hier in die nächste kleine Stadt — unter einem andern Namen — ich nannte mich Stiefel — und mit einer falschen Haartour unkenntlicher gemacht, begab ich mich in die Vierstuben und Schänken und suchte Verkehr mit diesen Leuten, um ihre Stimmung zu erforschen. Endlich gelang es mir, einen der Fabrikarbeiter bei Felchner mir ganz dienstbar zu machen. Von ihm hab ich immer die gewissenhaftesten Berichte erhalten über das, was seine Kameraden vornahmen. Nachdem ich ihn geworben, kehrte ich wieder in die Residenz zurück und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Repository TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-23T11:52:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christoph Leijser, Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-23T11:52:15Z)
HATHI TRUST Digital Library: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-23T11:52:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/142
Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/142>, abgerufen am 14.05.2024.