Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.Antworten voll verächtlicher Geringschätzung gegeben, verstummte -- daß er zuletzt ihn höflich und aufgeregt beim Abschied hinaus begleitete -- daß er jetzt von der Thüre zurückkommend mit ineinander geschlagenen Armen im Zimmer mit langen Schritten heftig hin und her rannte -- das waren böse Zeichen! Sie stand auf und warf ängstlich fragende Blicke auf ihn. "Schenk mir ein Glas Wein ein," rief er ihr jetzt zu, "mir ist, als bekäm' ich Schwindel -- diese verdammte Spürnase -- mir ist, als wenn ich plötzlich in einen offnen Abgrund sähe, der mich hinabzöge und all' mein Hab und Gut -- und auch Dich mein Kind." Sie reichte ihm das Glas: "Setze Dich, lieber Vater," bat sie, "Du bist so aufgeregt." Er setzte sich und nahm ihre Hand, sie streichelte ihm mit kindlichem Lächeln die Stirn, wie um ihn zu besänftigen. So saßen sie lange still neben einander. Es war, als ob die zärtliche Sorgfalt der Tochter ihm wirklich wohlthue, ihn beruhige, aufheitre. Er nahm ihre Hand und sagte ziemlich mild zu ihr: "Hör' einmal, Kind, Du bist ja oft unter das gemeine Volk gekommen -- ich weiß es wohl, wie Du mitleidig hingelaufen bist in manches schmuzige Haus, wenn irgendwo Kinder und Alte krank lagen -- Du bist oft Antworten voll verächtlicher Geringschätzung gegeben, verstummte — daß er zuletzt ihn höflich und aufgeregt beim Abschied hinaus begleitete — daß er jetzt von der Thüre zurückkommend mit ineinander geschlagenen Armen im Zimmer mit langen Schritten heftig hin und her rannte — das waren böse Zeichen! Sie stand auf und warf ängstlich fragende Blicke auf ihn. „Schenk mir ein Glas Wein ein,“ rief er ihr jetzt zu, „mir ist, als bekäm’ ich Schwindel — diese verdammte Spürnase — mir ist, als wenn ich plötzlich in einen offnen Abgrund sähe, der mich hinabzöge und all’ mein Hab und Gut — und auch Dich mein Kind.“ Sie reichte ihm das Glas: „Setze Dich, lieber Vater,“ bat sie, „Du bist so aufgeregt.“ Er setzte sich und nahm ihre Hand, sie streichelte ihm mit kindlichem Lächeln die Stirn, wie um ihn zu besänftigen. So saßen sie lange still neben einander. Es war, als ob die zärtliche Sorgfalt der Tochter ihm wirklich wohlthue, ihn beruhige, aufheitre. Er nahm ihre Hand und sagte ziemlich mild zu ihr: „Hör’ einmal, Kind, Du bist ja oft unter das gemeine Volk gekommen — ich weiß es wohl, wie Du mitleidig hingelaufen bist in manches schmuzige Haus, wenn irgendwo Kinder und Alte krank lagen — Du bist oft <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0216" n="210"/> Antworten voll verächtlicher Geringschätzung gegeben, verstummte — daß er zuletzt ihn höflich und aufgeregt beim Abschied hinaus begleitete — daß er jetzt von der Thüre zurückkommend mit ineinander geschlagenen Armen im Zimmer mit langen Schritten heftig hin und her rannte — das waren böse Zeichen!</p> <p>Sie stand auf und warf ängstlich fragende Blicke auf ihn.</p> <p>„Schenk mir ein Glas Wein ein,“ rief er ihr jetzt zu, „mir ist, als bekäm’ ich Schwindel — diese verdammte Spürnase — mir ist, als wenn ich plötzlich in einen offnen Abgrund sähe, der mich hinabzöge und all’ mein Hab und Gut — und auch Dich mein Kind.“</p> <p>Sie reichte ihm das Glas: „Setze Dich, lieber Vater,“ bat sie, „Du bist so aufgeregt.“</p> <p>Er setzte sich und nahm ihre Hand, sie streichelte ihm mit kindlichem Lächeln die Stirn, wie um ihn zu besänftigen. So saßen sie lange still neben einander. Es war, als ob die zärtliche Sorgfalt der Tochter ihm wirklich wohlthue, ihn beruhige, aufheitre. Er nahm ihre Hand und sagte ziemlich mild zu ihr:</p> <p>„Hör’ einmal, Kind, Du bist ja oft unter das gemeine Volk gekommen — ich weiß es wohl, wie Du mitleidig hingelaufen bist in manches schmuzige Haus, wenn irgendwo Kinder und Alte krank lagen — Du bist oft </p> </div> </body> </text> </TEI> [210/0216]
Antworten voll verächtlicher Geringschätzung gegeben, verstummte — daß er zuletzt ihn höflich und aufgeregt beim Abschied hinaus begleitete — daß er jetzt von der Thüre zurückkommend mit ineinander geschlagenen Armen im Zimmer mit langen Schritten heftig hin und her rannte — das waren böse Zeichen!
Sie stand auf und warf ängstlich fragende Blicke auf ihn.
„Schenk mir ein Glas Wein ein,“ rief er ihr jetzt zu, „mir ist, als bekäm’ ich Schwindel — diese verdammte Spürnase — mir ist, als wenn ich plötzlich in einen offnen Abgrund sähe, der mich hinabzöge und all’ mein Hab und Gut — und auch Dich mein Kind.“
Sie reichte ihm das Glas: „Setze Dich, lieber Vater,“ bat sie, „Du bist so aufgeregt.“
Er setzte sich und nahm ihre Hand, sie streichelte ihm mit kindlichem Lächeln die Stirn, wie um ihn zu besänftigen. So saßen sie lange still neben einander. Es war, als ob die zärtliche Sorgfalt der Tochter ihm wirklich wohlthue, ihn beruhige, aufheitre. Er nahm ihre Hand und sagte ziemlich mild zu ihr:
„Hör’ einmal, Kind, Du bist ja oft unter das gemeine Volk gekommen — ich weiß es wohl, wie Du mitleidig hingelaufen bist in manches schmuzige Haus, wenn irgendwo Kinder und Alte krank lagen — Du bist oft
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