Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.Als sie jetzt in dieser Stimmung an dem kleinen Sarge stand, in welchem in wenig Stunden ihr die schwarzen Träger auf immer ihr einziges Kind, ihr bestes Besitzthum forttragen würden, ging die Thüre auf und ein junger Mann in der grünen Uniform eines gemeinen Soldaten trat herein. Er war groß und schlank gewachsen, hatte lichtbraunes, lockiges Haupthaar und langen Schnurrbart -- ein freundliches offenes Gesicht, das Munterkeit und Gutmüthigkeit zeigte. Erschrocken blieb er zwischen der Thüre stehen, als er sah, daß er in die Engelkammer eines verblichnen Kindes gekommen -- dann ging er auf Amalien zu, nahm ihre abgezehrte Hand, schüttelte sie treuherzig und sagte, indem eine helle Thräne auf seinen Schnurrbart rollte: "Das ist ein sehr trauriger Empfang, Frau Schwägerin! -- Kennst Du mich denn noch?" fügte er nach einer Weile hinzu, wo sie wortlos dagestanden und ihm mechanisch ihre Hand überlassen hatte. "Ja, Bernhard," sagte sie. "Es ist gut, daß Du mich nicht vergessen hast und mit zu mir kommst, es ist gut -- Du darfst doch wohl meiner Anna das letzte Geleit mit geben?" "Ja, ich will's -- sieht wie ein Engel aus, das arme Kind, sieht wahrlich dem Vater ähnlich." Der Eingetretene, der dies sprach, war Bernhard Thalheim, Als sie jetzt in dieser Stimmung an dem kleinen Sarge stand, in welchem in wenig Stunden ihr die schwarzen Träger auf immer ihr einziges Kind, ihr bestes Besitzthum forttragen würden, ging die Thüre auf und ein junger Mann in der grünen Uniform eines gemeinen Soldaten trat herein. Er war groß und schlank gewachsen, hatte lichtbraunes, lockiges Haupthaar und langen Schnurrbart — ein freundliches offenes Gesicht, das Munterkeit und Gutmüthigkeit zeigte. Erschrocken blieb er zwischen der Thüre stehen, als er sah, daß er in die Engelkammer eines verblichnen Kindes gekommen — dann ging er auf Amalien zu, nahm ihre abgezehrte Hand, schüttelte sie treuherzig und sagte, indem eine helle Thräne auf seinen Schnurrbart rollte: „Das ist ein sehr trauriger Empfang, Frau Schwägerin! — Kennst Du mich denn noch?“ fügte er nach einer Weile hinzu, wo sie wortlos dagestanden und ihm mechanisch ihre Hand überlassen hatte. „Ja, Bernhard,“ sagte sie. „Es ist gut, daß Du mich nicht vergessen hast und mit zu mir kommst, es ist gut — Du darfst doch wohl meiner Anna das letzte Geleit mit geben?“ „Ja, ich will’s — sieht wie ein Engel aus, das arme Kind, sieht wahrlich dem Vater ähnlich.“ Der Eingetretene, der dies sprach, war Bernhard Thalheim, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0031" n="25"/> <p> Als sie jetzt in dieser Stimmung an dem kleinen Sarge stand, in welchem in wenig Stunden ihr die schwarzen Träger auf immer ihr einziges Kind, ihr bestes Besitzthum forttragen würden, ging die Thüre auf und ein junger Mann in der grünen Uniform eines gemeinen Soldaten trat herein. Er war groß und schlank gewachsen, hatte lichtbraunes, lockiges Haupthaar und langen Schnurrbart — ein freundliches offenes Gesicht, das Munterkeit und Gutmüthigkeit zeigte. Erschrocken blieb er zwischen der Thüre stehen, als er sah, daß er in die Engelkammer eines verblichnen Kindes gekommen — dann ging er auf Amalien zu, nahm ihre abgezehrte Hand, schüttelte sie treuherzig und sagte, indem eine helle Thräne auf seinen Schnurrbart rollte:</p> <p>„Das ist ein sehr trauriger Empfang, Frau Schwägerin! — Kennst Du mich denn noch?“ fügte er nach einer Weile hinzu, wo sie wortlos dagestanden und ihm mechanisch ihre Hand überlassen hatte.</p> <p>„Ja, Bernhard,“ sagte sie. „Es ist gut, daß Du mich nicht vergessen hast und mit zu mir kommst, es ist gut — Du darfst doch wohl meiner Anna das letzte Geleit mit geben?“</p> <p>„Ja, ich will’s — sieht wie ein Engel aus, das arme Kind, sieht wahrlich dem Vater ähnlich.“ Der Eingetretene, der dies sprach, war Bernhard Thalheim, </p> </div> </body> </text> </TEI> [25/0031]
Als sie jetzt in dieser Stimmung an dem kleinen Sarge stand, in welchem in wenig Stunden ihr die schwarzen Träger auf immer ihr einziges Kind, ihr bestes Besitzthum forttragen würden, ging die Thüre auf und ein junger Mann in der grünen Uniform eines gemeinen Soldaten trat herein. Er war groß und schlank gewachsen, hatte lichtbraunes, lockiges Haupthaar und langen Schnurrbart — ein freundliches offenes Gesicht, das Munterkeit und Gutmüthigkeit zeigte. Erschrocken blieb er zwischen der Thüre stehen, als er sah, daß er in die Engelkammer eines verblichnen Kindes gekommen — dann ging er auf Amalien zu, nahm ihre abgezehrte Hand, schüttelte sie treuherzig und sagte, indem eine helle Thräne auf seinen Schnurrbart rollte:
„Das ist ein sehr trauriger Empfang, Frau Schwägerin! — Kennst Du mich denn noch?“ fügte er nach einer Weile hinzu, wo sie wortlos dagestanden und ihm mechanisch ihre Hand überlassen hatte.
„Ja, Bernhard,“ sagte sie. „Es ist gut, daß Du mich nicht vergessen hast und mit zu mir kommst, es ist gut — Du darfst doch wohl meiner Anna das letzte Geleit mit geben?“
„Ja, ich will’s — sieht wie ein Engel aus, das arme Kind, sieht wahrlich dem Vater ähnlich.“ Der Eingetretene, der dies sprach, war Bernhard Thalheim,
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