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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.

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der jüngste der drei Brüder. Er war unter die Soldaten gegangen, weil er kaum wußte, was er sonst hätte ergreifen sollen. Er sah den Brüdern ähnlich, aber seine Gesichtszüge hatten nicht den schwärmerischen, ernsten Ausdruck jener Beiden, er sah freundlicher, wenn man so sagen kann, einfach-gutmüthiger, aber auch ungleich unbedeutender aus, als sie. Er hatte ein vortreffliches Herz, aber seine geistigen Fähigkeiten, wenn er sie gleich den Brüdern besaß, hatten doch nur eine höchst untergeordnete Ausbildung erlangt -- er schien aber damit glücklicher zu sein als Jene, denn, wie gesagt, sein ganzes Ansehen zeigte von einem heitern, lebensfröhlichen Charakter.

"Weiß es der Bruder schon?" fragte er jetzt leise mit betrübtem Tone.

Amalie schüttelte das Haupt und sah starr vor sich nieder.

"Es wird ihn sehr erschüttern!" seufzte Bernhard. --

"Schreib Du es ihm -- ich kann es nicht!" ächzte sie.

"Ein trauriges Geschäft -- aber wenn du willst -- nun da will ich es Dir schon zu Liebe thun, glaub' es wohl, daß es Dir schwer wird zu schreiben."

"Es ist, als habe Dich mir der Himmel zur Hülfe, zur Erleichterung hergeschickt -- daß Du gerade jetzt kommen mußtest. --"

"Ja, unser ganzes Bataillon ist hierher versetzt worden

der jüngste der drei Brüder. Er war unter die Soldaten gegangen, weil er kaum wußte, was er sonst hätte ergreifen sollen. Er sah den Brüdern ähnlich, aber seine Gesichtszüge hatten nicht den schwärmerischen, ernsten Ausdruck jener Beiden, er sah freundlicher, wenn man so sagen kann, einfach-gutmüthiger, aber auch ungleich unbedeutender aus, als sie. Er hatte ein vortreffliches Herz, aber seine geistigen Fähigkeiten, wenn er sie gleich den Brüdern besaß, hatten doch nur eine höchst untergeordnete Ausbildung erlangt — er schien aber damit glücklicher zu sein als Jene, denn, wie gesagt, sein ganzes Ansehen zeigte von einem heitern, lebensfröhlichen Charakter.

„Weiß es der Bruder schon?“ fragte er jetzt leise mit betrübtem Tone.

Amalie schüttelte das Haupt und sah starr vor sich nieder.

„Es wird ihn sehr erschüttern!“ seufzte Bernhard. —

„Schreib Du es ihm — ich kann es nicht!“ ächzte sie.

„Ein trauriges Geschäft — aber wenn du willst — nun da will ich es Dir schon zu Liebe thun, glaub’ es wohl, daß es Dir schwer wird zu schreiben.“

„Es ist, als habe Dich mir der Himmel zur Hülfe, zur Erleichterung hergeschickt — daß Du gerade jetzt kommen mußtest. —“

„Ja, unser ganzes Bataillon ist hierher versetzt worden

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[26/0032] der jüngste der drei Brüder. Er war unter die Soldaten gegangen, weil er kaum wußte, was er sonst hätte ergreifen sollen. Er sah den Brüdern ähnlich, aber seine Gesichtszüge hatten nicht den schwärmerischen, ernsten Ausdruck jener Beiden, er sah freundlicher, wenn man so sagen kann, einfach-gutmüthiger, aber auch ungleich unbedeutender aus, als sie. Er hatte ein vortreffliches Herz, aber seine geistigen Fähigkeiten, wenn er sie gleich den Brüdern besaß, hatten doch nur eine höchst untergeordnete Ausbildung erlangt — er schien aber damit glücklicher zu sein als Jene, denn, wie gesagt, sein ganzes Ansehen zeigte von einem heitern, lebensfröhlichen Charakter. „Weiß es der Bruder schon?“ fragte er jetzt leise mit betrübtem Tone. Amalie schüttelte das Haupt und sah starr vor sich nieder. „Es wird ihn sehr erschüttern!“ seufzte Bernhard. — „Schreib Du es ihm — ich kann es nicht!“ ächzte sie. „Ein trauriges Geschäft — aber wenn du willst — nun da will ich es Dir schon zu Liebe thun, glaub’ es wohl, daß es Dir schwer wird zu schreiben.“ „Es ist, als habe Dich mir der Himmel zur Hülfe, zur Erleichterung hergeschickt — daß Du gerade jetzt kommen mußtest. —“ „Ja, unser ganzes Bataillon ist hierher versetzt worden

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/32>, abgerufen am 23.11.2024.