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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.

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-- ich bleibe nun hier -- es ist doch Schade, daß Gustav nicht mehr da ist."

Sie hörte nicht weiter auf ihn, denn sie lauschte auf ein Geräusch von Tritten, die unten im Hausflur klangen -- dann die Treppe heraufkamen -- nun immer näher und näher -- die Thüre ging auf -- -- sie stellte sich vor den Sarg, legte sich mit dem halben Leib dar auf, schlang ihre Arme darum und rief außer sich: "Sie dürfen nicht, sie dürfen nicht!"

Die schwarz gekleideten Träger waren eingetreten -- die Leichenfrau war ihnen gefolgt -- sie ergriff den schwarzen Sargdeckel mit den versilberten Zierrathen. --

Ein junges Mädchen mit blondem Haar trat ein und zog Amalien sanft von dem Kinde auf -- helle Thränen fielen dabei aus den Augen des Mädchens. "Kommen Sie mit herauf, arme Frau," bat es, "hier können Sie doch nicht bleiben."

"Ich kann nicht fort!" sagte sie mit herzzerreißendem Schrei und sank an dem Sarge ohnmächtig zusammen. Das Mädchen kniete neben sie und legte das bleiche Haupt der unglücklichen Mutter auf ihren Schoos, indem sie leise sagte:

"Es ist am Besten, wenn sie bewußtlos ist -- nun eilt, daß Ihr die Leiche hinausbringt, ehe sie wieder zu sich kommt."

— ich bleibe nun hier — es ist doch Schade, daß Gustav nicht mehr da ist.“

Sie hörte nicht weiter auf ihn, denn sie lauschte auf ein Geräusch von Tritten, die unten im Hausflur klangen — dann die Treppe heraufkamen — nun immer näher und näher — die Thüre ging auf — — sie stellte sich vor den Sarg, legte sich mit dem halben Leib dar auf, schlang ihre Arme darum und rief außer sich: „Sie dürfen nicht, sie dürfen nicht!“

Die schwarz gekleideten Träger waren eingetreten — die Leichenfrau war ihnen gefolgt — sie ergriff den schwarzen Sargdeckel mit den versilberten Zierrathen. —

Ein junges Mädchen mit blondem Haar trat ein und zog Amalien sanft von dem Kinde auf — helle Thränen fielen dabei aus den Augen des Mädchens. „Kommen Sie mit herauf, arme Frau,“ bat es, „hier können Sie doch nicht bleiben.“

„Ich kann nicht fort!“ sagte sie mit herzzerreißendem Schrei und sank an dem Sarge ohnmächtig zusammen. Das Mädchen kniete neben sie und legte das bleiche Haupt der unglücklichen Mutter auf ihren Schoos, indem sie leise sagte:

„Es ist am Besten, wenn sie bewußtlos ist — nun eilt, daß Ihr die Leiche hinausbringt, ehe sie wieder zu sich kommt.“

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[27/0033] — ich bleibe nun hier — es ist doch Schade, daß Gustav nicht mehr da ist.“ Sie hörte nicht weiter auf ihn, denn sie lauschte auf ein Geräusch von Tritten, die unten im Hausflur klangen — dann die Treppe heraufkamen — nun immer näher und näher — die Thüre ging auf — — sie stellte sich vor den Sarg, legte sich mit dem halben Leib dar auf, schlang ihre Arme darum und rief außer sich: „Sie dürfen nicht, sie dürfen nicht!“ Die schwarz gekleideten Träger waren eingetreten — die Leichenfrau war ihnen gefolgt — sie ergriff den schwarzen Sargdeckel mit den versilberten Zierrathen. — Ein junges Mädchen mit blondem Haar trat ein und zog Amalien sanft von dem Kinde auf — helle Thränen fielen dabei aus den Augen des Mädchens. „Kommen Sie mit herauf, arme Frau,“ bat es, „hier können Sie doch nicht bleiben.“ „Ich kann nicht fort!“ sagte sie mit herzzerreißendem Schrei und sank an dem Sarge ohnmächtig zusammen. Das Mädchen kniete neben sie und legte das bleiche Haupt der unglücklichen Mutter auf ihren Schoos, indem sie leise sagte: „Es ist am Besten, wenn sie bewußtlos ist — nun eilt, daß Ihr die Leiche hinausbringt, ehe sie wieder zu sich kommt.“

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/33>, abgerufen am 29.04.2024.