Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.sollen? Und gut noch, daß sie Beide wenigstens gleich an einem Tage starben, da sind sie auch in einen Sarg und ein Grab gekommen und dadurch Kosten erspart worden." Ein leichter Schauer überrieselte Pauline, als sie diese Rede hörte, es war ein neuer tiefer Blick in das Elend der Armuth, die sich über den Leichen geliebter Kinder noch damit trösten muß, daß sie wenigstens zugleich starben, damit nur ein Sarg für zwei nöthig war. Martha fuhr fort: "Ja, wenn es nur wenigstens Nichts kostete, der Tod ist ja auch nicht umsonst, wenn gleich das Sprichwort so heißt -- nicht einmal die Sprichwörter wollen auf die armen Leute passen. Ich kann sagen, mir wird wohl manchmal Angst, wenn die lange Liese so flucht und dazwischen lacht und schluchzt, daß sich's greulich mit anhört -- denn da weiß sie nicht mehr, was sie spricht, und versündigt sich gar gegen den lieben Gott im Himmel droben. Aber wahr ist's, schlecht hat sie's gehabt ihr Leben lang -- ich und mein Mann, wir sind Beide gesund, und der Junge ist's auch, nun da mag's schon sein, wenn man auch wenig verdient, wenn man nur arbeiten kann und gesund ist, da ist unser eins schon zufrieden -- aber wie ist nun die lange Liese selber elend geworden und wie sahen die Kinder jammervoll aus, die sie mit in die Fabrik schleppt -- halten's einmal nicht aus und muß doch froh sein, wenn sie nur arbeiten dürfen. sollen? Und gut noch, daß sie Beide wenigstens gleich an einem Tage starben, da sind sie auch in einen Sarg und ein Grab gekommen und dadurch Kosten erspart worden.“ Ein leichter Schauer überrieselte Pauline, als sie diese Rede hörte, es war ein neuer tiefer Blick in das Elend der Armuth, die sich über den Leichen geliebter Kinder noch damit trösten muß, daß sie wenigstens zugleich starben, damit nur ein Sarg für zwei nöthig war. Martha fuhr fort: „Ja, wenn es nur wenigstens Nichts kostete, der Tod ist ja auch nicht umsonst, wenn gleich das Sprichwort so heißt — nicht einmal die Sprichwörter wollen auf die armen Leute passen. Ich kann sagen, mir wird wohl manchmal Angst, wenn die lange Liese so flucht und dazwischen lacht und schluchzt, daß sich’s greulich mit anhört — denn da weiß sie nicht mehr, was sie spricht, und versündigt sich gar gegen den lieben Gott im Himmel droben. Aber wahr ist’s, schlecht hat sie’s gehabt ihr Leben lang — ich und mein Mann, wir sind Beide gesund, und der Junge ist’s auch, nun da mag’s schon sein, wenn man auch wenig verdient, wenn man nur arbeiten kann und gesund ist, da ist unser eins schon zufrieden — aber wie ist nun die lange Liese selber elend geworden und wie sahen die Kinder jammervoll aus, die sie mit in die Fabrik schleppt — halten’s einmal nicht aus und muß doch froh sein, wenn sie nur arbeiten dürfen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0066" n="60"/> sollen? Und gut noch, daß sie Beide wenigstens gleich an einem Tage starben, da sind sie auch in einen Sarg und ein Grab gekommen und dadurch Kosten erspart worden.“</p> <p>Ein leichter Schauer überrieselte Pauline, als sie diese Rede hörte, es war ein neuer tiefer Blick in das Elend der Armuth, die sich über den Leichen geliebter Kinder noch damit trösten muß, daß sie wenigstens zugleich starben, damit nur ein Sarg für zwei nöthig war.</p> <p>Martha fuhr fort: „Ja, wenn es nur wenigstens Nichts kostete, der Tod ist ja auch nicht umsonst, wenn gleich das Sprichwort so heißt — nicht einmal die Sprichwörter wollen auf die armen Leute passen. Ich kann sagen, mir wird wohl manchmal Angst, wenn die lange Liese so flucht und dazwischen lacht und schluchzt, daß sich’s greulich mit anhört — denn da weiß sie nicht mehr, was sie spricht, und versündigt sich gar gegen den lieben Gott im Himmel droben. Aber wahr ist’s, schlecht hat sie’s gehabt ihr Leben lang — ich und mein Mann, wir sind Beide gesund, und der Junge ist’s auch, nun da mag’s schon sein, wenn man auch wenig verdient, wenn man nur arbeiten kann und gesund ist, da ist unser eins schon zufrieden — aber wie ist nun die lange Liese selber elend geworden und wie sahen die Kinder jammervoll aus, die sie mit in die Fabrik schleppt — halten’s einmal nicht aus und muß doch froh sein, wenn sie nur arbeiten dürfen. </p> </div> </body> </text> </TEI> [60/0066]
sollen? Und gut noch, daß sie Beide wenigstens gleich an einem Tage starben, da sind sie auch in einen Sarg und ein Grab gekommen und dadurch Kosten erspart worden.“
Ein leichter Schauer überrieselte Pauline, als sie diese Rede hörte, es war ein neuer tiefer Blick in das Elend der Armuth, die sich über den Leichen geliebter Kinder noch damit trösten muß, daß sie wenigstens zugleich starben, damit nur ein Sarg für zwei nöthig war.
Martha fuhr fort: „Ja, wenn es nur wenigstens Nichts kostete, der Tod ist ja auch nicht umsonst, wenn gleich das Sprichwort so heißt — nicht einmal die Sprichwörter wollen auf die armen Leute passen. Ich kann sagen, mir wird wohl manchmal Angst, wenn die lange Liese so flucht und dazwischen lacht und schluchzt, daß sich’s greulich mit anhört — denn da weiß sie nicht mehr, was sie spricht, und versündigt sich gar gegen den lieben Gott im Himmel droben. Aber wahr ist’s, schlecht hat sie’s gehabt ihr Leben lang — ich und mein Mann, wir sind Beide gesund, und der Junge ist’s auch, nun da mag’s schon sein, wenn man auch wenig verdient, wenn man nur arbeiten kann und gesund ist, da ist unser eins schon zufrieden — aber wie ist nun die lange Liese selber elend geworden und wie sahen die Kinder jammervoll aus, die sie mit in die Fabrik schleppt — halten’s einmal nicht aus und muß doch froh sein, wenn sie nur arbeiten dürfen.
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