Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846.Schuld fremden Menschen oder einem blinden Schicksal aufzubürden. Wer niemals gelernt hat, gerade darin einen Stolz zu setzen, größer zu sein als sein Schicksal -- der läßt sich in ohnmächtiger Schwäche von ihm darnieder beugen und nennt das dann noch: christliches Dulden. Amalie hatte dies gethan -- sie hatte geduldet -- nun verlangte sie dafür eine Genugthuung. Sie hatte durch ihr Benehmen, als sie Jaromir bei Elisabeth wieder sah, und wo das Unerwartete sie zu einer niedern Heftigkeit hinriß, ihren Zweck verfehlt, das sah und wußte sie. Erst hatte sie Jaromir's Briefe aufbewahrt, um durch sie vielleicht einmal sein Liebesglück zu zerstören -- dazu waren sie ihr jetzt nutzlos, wenn Elisabeth bereits um Jaromirs erste Liebe wußte. Von dieser Seite konnte sie nicht zu ihrem Ziel kommen. In düstrer Stimmung war sie eines Abends allein zu Hause, als ein Herr kam und den Oberst von Treffurth zu sprechen wünschte. Als er eintrat, standen die Beiden sich betroffen gegenüber und sahen sich an. Amalie erkannte in dem Polizeirath Schuhmacher denselben, welcher bei ihr Haussuchung gehalten -- und er erkannte sie, denn ein Mann bei der geheimen Polizei hat ein fabelhaftes Gedächtniß für Personen. Da er jetzt einige Wochen von Hohenheim entfernt gewesen war, hatte Schuld fremden Menschen oder einem blinden Schicksal aufzubürden. Wer niemals gelernt hat, gerade darin einen Stolz zu setzen, größer zu sein als sein Schicksal — der läßt sich in ohnmächtiger Schwäche von ihm darnieder beugen und nennt das dann noch: christliches Dulden. Amalie hatte dies gethan — sie hatte geduldet — nun verlangte sie dafür eine Genugthuung. Sie hatte durch ihr Benehmen, als sie Jaromir bei Elisabeth wieder sah, und wo das Unerwartete sie zu einer niedern Heftigkeit hinriß, ihren Zweck verfehlt, das sah und wußte sie. Erst hatte sie Jaromir’s Briefe aufbewahrt, um durch sie vielleicht einmal sein Liebesglück zu zerstören — dazu waren sie ihr jetzt nutzlos, wenn Elisabeth bereits um Jaromirs erste Liebe wußte. Von dieser Seite konnte sie nicht zu ihrem Ziel kommen. In düstrer Stimmung war sie eines Abends allein zu Hause, als ein Herr kam und den Oberst von Treffurth zu sprechen wünschte. Als er eintrat, standen die Beiden sich betroffen gegenüber und sahen sich an. Amalie erkannte in dem Polizeirath Schuhmacher denselben, welcher bei ihr Haussuchung gehalten — und er erkannte sie, denn ein Mann bei der geheimen Polizei hat ein fabelhaftes Gedächtniß für Personen. Da er jetzt einige Wochen von Hohenheim entfernt gewesen war, hatte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0153" n="149"/> Schuld fremden Menschen oder einem blinden Schicksal aufzubürden. Wer niemals gelernt hat, gerade darin einen Stolz zu setzen, größer zu sein als sein Schicksal — der läßt sich in ohnmächtiger Schwäche von ihm darnieder beugen und nennt das dann noch: christliches Dulden.</p> <p>Amalie hatte dies gethan — sie hatte geduldet — nun verlangte sie dafür eine Genugthuung.</p> <p>Sie hatte durch ihr Benehmen, als sie Jaromir bei Elisabeth wieder sah, und wo das Unerwartete sie zu einer niedern Heftigkeit hinriß, ihren Zweck verfehlt, das sah und wußte sie. Erst hatte sie Jaromir’s Briefe aufbewahrt, um durch sie vielleicht einmal sein Liebesglück zu zerstören — dazu waren sie ihr jetzt nutzlos, wenn Elisabeth bereits um Jaromirs erste Liebe wußte. Von dieser Seite konnte sie nicht zu ihrem Ziel kommen.</p> <p>In düstrer Stimmung war sie eines Abends allein zu Hause, als ein Herr kam und den Oberst von Treffurth zu sprechen wünschte.</p> <p>Als er eintrat, standen die Beiden sich betroffen gegenüber und sahen sich an.</p> <p>Amalie erkannte in dem Polizeirath Schuhmacher denselben, welcher bei ihr Haussuchung gehalten — und er erkannte sie, denn ein Mann bei der geheimen Polizei hat ein fabelhaftes Gedächtniß für Personen. Da er jetzt einige Wochen von Hohenheim entfernt gewesen war, hatte </p> </div> </body> </text> </TEI> [149/0153]
Schuld fremden Menschen oder einem blinden Schicksal aufzubürden. Wer niemals gelernt hat, gerade darin einen Stolz zu setzen, größer zu sein als sein Schicksal — der läßt sich in ohnmächtiger Schwäche von ihm darnieder beugen und nennt das dann noch: christliches Dulden.
Amalie hatte dies gethan — sie hatte geduldet — nun verlangte sie dafür eine Genugthuung.
Sie hatte durch ihr Benehmen, als sie Jaromir bei Elisabeth wieder sah, und wo das Unerwartete sie zu einer niedern Heftigkeit hinriß, ihren Zweck verfehlt, das sah und wußte sie. Erst hatte sie Jaromir’s Briefe aufbewahrt, um durch sie vielleicht einmal sein Liebesglück zu zerstören — dazu waren sie ihr jetzt nutzlos, wenn Elisabeth bereits um Jaromirs erste Liebe wußte. Von dieser Seite konnte sie nicht zu ihrem Ziel kommen.
In düstrer Stimmung war sie eines Abends allein zu Hause, als ein Herr kam und den Oberst von Treffurth zu sprechen wünschte.
Als er eintrat, standen die Beiden sich betroffen gegenüber und sahen sich an.
Amalie erkannte in dem Polizeirath Schuhmacher denselben, welcher bei ihr Haussuchung gehalten — und er erkannte sie, denn ein Mann bei der geheimen Polizei hat ein fabelhaftes Gedächtniß für Personen. Da er jetzt einige Wochen von Hohenheim entfernt gewesen war, hatte
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