Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846."ich bewohne bei Waldow eine einsame Stube, dort wird uns Niemand belauschen, wenn Du Etwas zu fürchten hast, dort können wir uns einander näher erklären, denn noch verstehe ich Dich nicht." So gingen sie denn zusammen dem Gute des Rittmeisters von Waldow zu. Unterwegs fragte der Doctor Franz, ob er Etwas von Amalien wisse. Franz verneinte. Er wußte es selbst noch nicht einmal, daß das Kind gestorben war -- weder Amalie noch Bernhard hatten ihm geschrieben. Von diesen traurigen Verhältnissen sprachen sie zusammen, bis sie an das Ziel ihrer Wanderung kamen. Gustav führte den Bruder in seine Stube: Hier sind wir ungestört," sagte er und zog ihn neben sich auf das Sopha. Die Stube war zwar etwas altmodisch eingerichtet, Gardinen und Meubles waren von ziemlich verblichener Pracht -- aber es war doch immer einst Pracht gewesen und die eingedruckten Polster gaben noch immer weich und elastisch genug nach, um in ihrer Bequemlichkeit einem Proletarier ziemlich wunderlich vorzukommen. Er schüttelte den Kopf darüber wie über all' die zierlichen, künstlichen Geräthe des Zimmers. Es mischte sich kein Neid und keine Bitterkeit in seine Worte, als er zu dem Bruder sagte: „ich bewohne bei Waldow eine einsame Stube, dort wird uns Niemand belauschen, wenn Du Etwas zu fürchten hast, dort können wir uns einander näher erklären, denn noch verstehe ich Dich nicht.“ So gingen sie denn zusammen dem Gute des Rittmeisters von Waldow zu. Unterwegs fragte der Doctor Franz, ob er Etwas von Amalien wisse. Franz verneinte. Er wußte es selbst noch nicht einmal, daß das Kind gestorben war — weder Amalie noch Bernhard hatten ihm geschrieben. Von diesen traurigen Verhältnissen sprachen sie zusammen, bis sie an das Ziel ihrer Wanderung kamen. Gustav führte den Bruder in seine Stube: Hier sind wir ungestört,“ sagte er und zog ihn neben sich auf das Sopha. Die Stube war zwar etwas altmodisch eingerichtet, Gardinen und Meubles waren von ziemlich verblichener Pracht — aber es war doch immer einst Pracht gewesen und die eingedruckten Polster gaben noch immer weich und elastisch genug nach, um in ihrer Bequemlichkeit einem Proletarier ziemlich wunderlich vorzukommen. Er schüttelte den Kopf darüber wie über all’ die zierlichen, künstlichen Geräthe des Zimmers. Es mischte sich kein Neid und keine Bitterkeit in seine Worte, als er zu dem Bruder sagte: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0036" n="32"/> „ich bewohne bei Waldow eine einsame Stube, dort wird uns Niemand belauschen, wenn Du Etwas zu fürchten hast, dort können wir uns einander näher erklären, denn noch verstehe ich Dich nicht.“</p> <p>So gingen sie denn zusammen dem Gute des Rittmeisters von Waldow zu.</p> <p>Unterwegs fragte der Doctor Franz, ob er Etwas von Amalien wisse.</p> <p>Franz verneinte. Er wußte es selbst noch nicht einmal, daß das Kind gestorben war — weder Amalie noch Bernhard hatten ihm geschrieben.</p> <p>Von diesen traurigen Verhältnissen sprachen sie zusammen, bis sie an das Ziel ihrer Wanderung kamen. Gustav führte den Bruder in seine Stube:</p> <p>Hier sind wir ungestört,“ sagte er und zog ihn neben sich auf das Sopha.</p> <p>Die Stube war zwar etwas altmodisch eingerichtet, Gardinen und Meubles waren von ziemlich verblichener Pracht — aber es war doch immer einst Pracht gewesen und die eingedruckten Polster gaben noch immer weich und elastisch genug nach, um in ihrer Bequemlichkeit einem Proletarier ziemlich wunderlich vorzukommen. Er schüttelte den Kopf darüber wie über all’ die zierlichen, künstlichen Geräthe des Zimmers. Es mischte sich kein Neid und keine Bitterkeit in seine Worte, als er zu dem Bruder sagte: </p> </div> </body> </text> </TEI> [32/0036]
„ich bewohne bei Waldow eine einsame Stube, dort wird uns Niemand belauschen, wenn Du Etwas zu fürchten hast, dort können wir uns einander näher erklären, denn noch verstehe ich Dich nicht.“
So gingen sie denn zusammen dem Gute des Rittmeisters von Waldow zu.
Unterwegs fragte der Doctor Franz, ob er Etwas von Amalien wisse.
Franz verneinte. Er wußte es selbst noch nicht einmal, daß das Kind gestorben war — weder Amalie noch Bernhard hatten ihm geschrieben.
Von diesen traurigen Verhältnissen sprachen sie zusammen, bis sie an das Ziel ihrer Wanderung kamen. Gustav führte den Bruder in seine Stube:
Hier sind wir ungestört,“ sagte er und zog ihn neben sich auf das Sopha.
Die Stube war zwar etwas altmodisch eingerichtet, Gardinen und Meubles waren von ziemlich verblichener Pracht — aber es war doch immer einst Pracht gewesen und die eingedruckten Polster gaben noch immer weich und elastisch genug nach, um in ihrer Bequemlichkeit einem Proletarier ziemlich wunderlich vorzukommen. Er schüttelte den Kopf darüber wie über all’ die zierlichen, künstlichen Geräthe des Zimmers. Es mischte sich kein Neid und keine Bitterkeit in seine Worte, als er zu dem Bruder sagte:
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