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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846.

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I.
Ueberraschung.
"Mein Herz, ich will Dich fragen,
Was ist die Liebe? -- Sag'!
Zwei Seelen, ein Gedanke,
Zwei Herzen und ein Schlag."
Friedrich Halm.

Jaromir fühlte ein neues Leben, einen neuen Lenz in sich. Es gab für ihn Stunden, wo er sich selbst nicht mehr erkannte, wo er sich ganz wie verwandelt vorkam. Mit welch' neuem Reiz lag jetzt das Leben wieder vor ihm, wie füllte wieder ein seliger Hochgedanke seine ganze Seele aus, ein Hochgefühl, an das er lange nicht mehr geglaubt, das er oft im bittern Unmuth seines unbefriedigten Herzens, im Uebermuth seines stolzen Geistes verspottet und verlacht hatte. -- Und wieder gab es andere Stunden für ihn, wo eine ganze Reihe zuletzt verlebter Jahre vor ihm wie ein böser Traum versunken, wo er sich wieder Jüngling fühlte und alle Begeisterung, alle süßen Schwärmereien seiner Jugendjahre wieder empfand. Er war wieder

I.
Ueberraschung.
„Mein Herz, ich will Dich fragen,
Was ist die Liebe? — Sag’!
Zwei Seelen, ein Gedanke,
Zwei Herzen und ein Schlag.“
Friedrich Halm.

Jaromir fühlte ein neues Leben, einen neuen Lenz in sich. Es gab für ihn Stunden, wo er sich selbst nicht mehr erkannte, wo er sich ganz wie verwandelt vorkam. Mit welch’ neuem Reiz lag jetzt das Leben wieder vor ihm, wie füllte wieder ein seliger Hochgedanke seine ganze Seele aus, ein Hochgefühl, an das er lange nicht mehr geglaubt, das er oft im bittern Unmuth seines unbefriedigten Herzens, im Uebermuth seines stolzen Geistes verspottet und verlacht hatte. — Und wieder gab es andere Stunden für ihn, wo eine ganze Reihe zuletzt verlebter Jahre vor ihm wie ein böser Traum versunken, wo er sich wieder Jüngling fühlte und alle Begeisterung, alle süßen Schwärmereien seiner Jugendjahre wieder empfand. Er war wieder

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[0009] I. Ueberraschung. „Mein Herz, ich will Dich fragen, Was ist die Liebe? — Sag’! Zwei Seelen, ein Gedanke, Zwei Herzen und ein Schlag.“ Friedrich Halm. Jaromir fühlte ein neues Leben, einen neuen Lenz in sich. Es gab für ihn Stunden, wo er sich selbst nicht mehr erkannte, wo er sich ganz wie verwandelt vorkam. Mit welch’ neuem Reiz lag jetzt das Leben wieder vor ihm, wie füllte wieder ein seliger Hochgedanke seine ganze Seele aus, ein Hochgefühl, an das er lange nicht mehr geglaubt, das er oft im bittern Unmuth seines unbefriedigten Herzens, im Uebermuth seines stolzen Geistes verspottet und verlacht hatte. — Und wieder gab es andere Stunden für ihn, wo eine ganze Reihe zuletzt verlebter Jahre vor ihm wie ein böser Traum versunken, wo er sich wieder Jüngling fühlte und alle Begeisterung, alle süßen Schwärmereien seiner Jugendjahre wieder empfand. Er war wieder

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss03_1846/9>, abgerufen am 21.11.2024.