Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].zösischen Siege immer heller, und Napoleon näherte sich immer mehr der Verwirklichung einer europäischen Universalmonarchie. Er suchte die "fusion des masses", die er als das Ziel seines Strebens hinstellte, auch dadurch zu bewerkstelligen, daß er seine jungen Franzosen mit den Töchtern vornehmer fremder Familien und mit reichen Erbinnen in den unterworfenen Ländern verheirathete. Im Januar 1809 erhielt die Herzogin von Kurland auf ihrem Gute Löbichau den Besuch des Neffen des Fürsten von Talleyrand, des jungen eleganten Grafen von Perigord. Für diesen letzten wurde die reiche Prinzessin Dorothea bestimmt, die unterdessen zu einer vollendeten Schönheit herangewachsen war. Wer mochte es der Herzogin verdenken, wenn sie, eine Fremde in dem zertretenen und zerrissenen Deutschland, sich der aufgehenden Sonne an der Seine zuwandte? In Prinzeßchen kämpfte die gute deutsche Natur einen schweren Kampf; sie wollte anfangs von dem fremdländischen Freier nichts wissen. Als sie aber einige Male mit ihm getanzt, und seine gesellige Liebenswürdigkeit kennen gelernt, so gab sie bald dem Zureden der Mutter nach. Die Hochzeit ward in Frankfurt a. M. gefeiert. Die Herzogin-Mutter begleitete ihre Tochter nach Paris. Beide verschönten den Napoleonischen Hof durch die Anmuth ihrer Erscheinung und ihres Geistes. Von solchen Vorkommnissen erzählte ich ganz unbefangen meinen Freunden und Schulkameraden. Es fiel mir nicht ein, etwas besonderes daraus zu machen, daß unser Weihnachten bei der Herzogin von Kurland gefeiert sei, oder daß ich den Prinzen von Hohenzollern in den Haaren gerauft, aber bald wurde ich zurückhaltender, als zösischen Siege immer heller, und Napoléon näherte sich immer mehr der Verwirklichung einer europäischen Universalmonarchie. Er suchte die „fusion des masses“, die er als das Ziel seines Strebens hinstellte, auch dadurch zu bewerkstelligen, daß er seine jungen Franzosen mit den Töchtern vornehmer fremder Familien und mit reichen Erbinnen in den unterworfenen Ländern verheirathete. Im Januar 1809 erhielt die Herzogin von Kurland auf ihrem Gute Löbichau den Besuch des Neffen des Fürsten von Talleyrand, des jungen eleganten Grafen von Périgord. Für diesen letzten wurde die reiche Prinzessin Dorothea bestimmt, die unterdessen zu einer vollendeten Schönheit herangewachsen war. Wer mochte es der Herzogin verdenken, wenn sie, eine Fremde in dem zertretenen und zerrissenen Deutschland, sich der aufgehenden Sonne an der Seine zuwandte? In Prinzeßchen kämpfte die gute deutsche Natur einen schweren Kampf; sie wollte anfangs von dem fremdländischen Freier nichts wissen. Als sie aber einige Male mit ihm getanzt, und seine gesellige Liebenswürdigkeit kennen gelernt, so gab sie bald dem Zureden der Mutter nach. Die Hochzeit ward in Frankfurt a. M. gefeiert. Die Herzogin-Mutter begleitete ihre Tochter nach Paris. Beide verschönten den Napoléonischen Hof durch die Anmuth ihrer Erscheinung und ihres Geistes. Von solchen Vorkommnissen erzählte ich ganz unbefangen meinen Freunden und Schulkameraden. Es fiel mir nicht ein, etwas besonderes daraus zu machen, daß unser Weihnachten bei der Herzogin von Kurland gefeiert sei, oder daß ich den Prinzen von Hohenzollern in den Haaren gerauft, aber bald wurde ich zurückhaltender, als <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0118" n="106"/> zösischen Siege immer heller, und Napoléon näherte sich immer mehr der Verwirklichung einer europäischen Universalmonarchie. 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zösischen Siege immer heller, und Napoléon näherte sich immer mehr der Verwirklichung einer europäischen Universalmonarchie. Er suchte die „fusion des masses“, die er als das Ziel seines Strebens hinstellte, auch dadurch zu bewerkstelligen, daß er seine jungen Franzosen mit den Töchtern vornehmer fremder Familien und mit reichen Erbinnen in den unterworfenen Ländern verheirathete.
Im Januar 1809 erhielt die Herzogin von Kurland auf ihrem Gute Löbichau den Besuch des Neffen des Fürsten von Talleyrand, des jungen eleganten Grafen von Périgord. Für diesen letzten wurde die reiche Prinzessin Dorothea bestimmt, die unterdessen zu einer vollendeten Schönheit herangewachsen war. Wer mochte es der Herzogin verdenken, wenn sie, eine Fremde in dem zertretenen und zerrissenen Deutschland, sich der aufgehenden Sonne an der Seine zuwandte? In Prinzeßchen kämpfte die gute deutsche Natur einen schweren Kampf; sie wollte anfangs von dem fremdländischen Freier nichts wissen. Als sie aber einige Male mit ihm getanzt, und seine gesellige Liebenswürdigkeit kennen gelernt, so gab sie bald dem Zureden der Mutter nach.
Die Hochzeit ward in Frankfurt a. M. gefeiert. Die Herzogin-Mutter begleitete ihre Tochter nach Paris. Beide verschönten den Napoléonischen Hof durch die Anmuth ihrer Erscheinung und ihres Geistes.
Von solchen Vorkommnissen erzählte ich ganz unbefangen meinen Freunden und Schulkameraden. Es fiel mir nicht ein, etwas besonderes daraus zu machen, daß unser Weihnachten bei der Herzogin von Kurland gefeiert sei, oder daß ich den Prinzen von Hohenzollern in den Haaren gerauft, aber bald wurde ich zurückhaltender, als
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