Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Auch die übrigen Räume der Wohnung wurden nicht mehr unter dem früheren strengen Verschluß gehalten. So gelang es mir bald, in den grauen Saal zu dringen, wo ich mich nun an dem Anblicke der Schweizerlandschaften sättigte. Die französischen kalligraphischen Unterschriften wußte ich bald auswendig. La Chute du Staubbach dans la Vallee de Lauterbrunn. Le Glacier superieur du Grindelwald dans le Canton de Berne. La Chute du Rhin pres de Lauffen, dans le Canton de Schaffhouse, diese waren es vorzüglich, welche ich einmal in der Natur zu sehn wünschte: denn so wenig ich an der getreuen Wahrheit der Darstellungen zweifelte, eben so wenig konnte ich mich überreden, daß solche Bergmassen und Wasserfälle wirklich existiren. Unter den Kupfern von Wille gefielen mir besonders: Für Fritz und mich ward in der neuen Wohnung die Schlafstube des Grosvaters eingerichtet, worin wir uns sehr wohl befanden. Ich erhielt einen schönen großen Nußbaumschrank mit silbernen Beschlägen, dessen viele Fächer und Kasten hinlänglichen Raum für alle Bedürfnisse gewährten. Er erinnert mich noch jetzt täglich an den guten Ahnherrn, dem ich so viel zu verdanken habe. Unsre frühere gemüthliche Hof- und Gartenwohnung im Parterre bezog der Vater meiner zweiten Mutter, Geheimerath Eichmann mit seiner Frau. Tante Jettchen, seine jüngere Tochter, die schon zu unsrer Familie gehörte, be- Auch die übrigen Räume der Wohnung wurden nicht mehr unter dem früheren strengen Verschluß gehalten. So gelang es mir bald, in den grauen Saal zu dringen, wo ich mich nun an dem Anblicke der Schweizerlandschaften sättigte. Die französischen kalligraphischen Unterschriften wußte ich bald auswendig. La Chute du Staubbach dans la Vallee de Lauterbrunn. Le Glacier superieur du Grindelwald dans le Canton de Berne. La Chute du Rhin près de Lauffen, dans le Canton de Schaffhouse, diese waren es vorzüglich, welche ich einmal in der Natur zu sehn wünschte: denn so wenig ich an der getreuen Wahrheit der Darstellungen zweifelte, eben so wenig konnte ich mich überreden, daß solche Bergmassen und Wasserfälle wirklich existiren. Unter den Kupfern von Wille gefielen mir besonders: ‹Musiciens Ambulants› und ‹les Offres reciproques› nach Dietrich; ‹Le Concert de famille› nach Schalken; ‹Instruction paternelle› nach Terburg; ‹La mort de Marc-Antoine› nach Battoni, und ich belehrte mich später, daß diese wirklich zu seinen vorzüglichsten Arbeiten gehören. Für Fritz und mich ward in der neuen Wohnung die Schlafstube des Grosvaters eingerichtet, worin wir uns sehr wohl befanden. Ich erhielt einen schönen großen Nußbaumschrank mit silbernen Beschlägen, dessen viele Fächer und Kasten hinlänglichen Raum für alle Bedürfnisse gewährten. Er erinnert mich noch jetzt täglich an den guten Ahnherrn, dem ich so viel zu verdanken habe. Unsre frühere gemüthliche Hof- und Gartenwohnung im Parterre bezog der Vater meiner zweiten Mutter, Geheimerath Eichmann mit seiner Frau. Tante Jettchen, seine jüngere Tochter, die schon zu unsrer Familie gehörte, be- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p> <pb facs="#f0171" n="159"/> </p><lb/> <p>Auch die übrigen Räume der Wohnung wurden nicht mehr unter dem früheren strengen Verschluß gehalten. So gelang es mir bald, in den grauen Saal zu dringen, wo ich mich nun an dem Anblicke der Schweizerlandschaften sättigte. Die französischen kalligraphischen Unterschriften wußte ich bald auswendig. La Chute du Staubbach dans la Vallee de Lauterbrunn. Le Glacier superieur du Grindelwald dans le Canton de Berne. La Chute du Rhin près de Lauffen, dans le Canton de Schaffhouse, diese waren es vorzüglich, welche ich einmal in der Natur zu sehn wünschte: denn so wenig ich an der getreuen Wahrheit der Darstellungen zweifelte, eben so wenig konnte ich mich überreden, daß solche Bergmassen und Wasserfälle wirklich existiren. </p><lb/> <p>Unter den Kupfern von <hi rendition="#b">Wille</hi> gefielen mir besonders: ‹Musiciens Ambulants› und ‹les Offres reciproques› nach <hi rendition="#b">Dietrich</hi>; ‹Le Concert de famille› nach <hi rendition="#b">Schalken</hi>; ‹Instruction paternelle› nach <hi rendition="#b">Terburg</hi>; ‹La mort de Marc-Antoine› nach <hi rendition="#b">Battoni</hi>, und ich belehrte mich später, daß diese wirklich zu seinen vorzüglichsten Arbeiten gehören. </p><lb/> <p>Für Fritz und mich ward in der neuen Wohnung die Schlafstube des Grosvaters eingerichtet, worin wir uns sehr wohl befanden. Ich erhielt einen schönen großen Nußbaumschrank mit silbernen Beschlägen, dessen viele Fächer und Kasten hinlänglichen Raum für alle Bedürfnisse gewährten. Er erinnert mich noch jetzt täglich an den guten Ahnherrn, dem ich so viel zu verdanken habe. </p><lb/> <p>Unsre frühere gemüthliche Hof- und Gartenwohnung im Parterre bezog der Vater meiner zweiten Mutter, Geheimerath Eichmann mit seiner Frau. Tante Jettchen, seine jüngere Tochter, die schon zu unsrer Familie gehörte, be- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [159/0171]
Auch die übrigen Räume der Wohnung wurden nicht mehr unter dem früheren strengen Verschluß gehalten. So gelang es mir bald, in den grauen Saal zu dringen, wo ich mich nun an dem Anblicke der Schweizerlandschaften sättigte. Die französischen kalligraphischen Unterschriften wußte ich bald auswendig. La Chute du Staubbach dans la Vallee de Lauterbrunn. Le Glacier superieur du Grindelwald dans le Canton de Berne. La Chute du Rhin près de Lauffen, dans le Canton de Schaffhouse, diese waren es vorzüglich, welche ich einmal in der Natur zu sehn wünschte: denn so wenig ich an der getreuen Wahrheit der Darstellungen zweifelte, eben so wenig konnte ich mich überreden, daß solche Bergmassen und Wasserfälle wirklich existiren.
Unter den Kupfern von Wille gefielen mir besonders: ‹Musiciens Ambulants› und ‹les Offres reciproques› nach Dietrich; ‹Le Concert de famille› nach Schalken; ‹Instruction paternelle› nach Terburg; ‹La mort de Marc-Antoine› nach Battoni, und ich belehrte mich später, daß diese wirklich zu seinen vorzüglichsten Arbeiten gehören.
Für Fritz und mich ward in der neuen Wohnung die Schlafstube des Grosvaters eingerichtet, worin wir uns sehr wohl befanden. Ich erhielt einen schönen großen Nußbaumschrank mit silbernen Beschlägen, dessen viele Fächer und Kasten hinlänglichen Raum für alle Bedürfnisse gewährten. Er erinnert mich noch jetzt täglich an den guten Ahnherrn, dem ich so viel zu verdanken habe.
Unsre frühere gemüthliche Hof- und Gartenwohnung im Parterre bezog der Vater meiner zweiten Mutter, Geheimerath Eichmann mit seiner Frau. Tante Jettchen, seine jüngere Tochter, die schon zu unsrer Familie gehörte, be-
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