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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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Dagegen waren wir freilich für manche seiner kleinen Schwächen nicht blind: denn gerade die heranwachsende Jugend hat in dieser Hinsicht einen ungemeinen Scharfblick. Was der eine nicht bemerkt, das bemerkt der andere, und so bildet sich eine Summe aller Beobachtungen. Das allgemeine Urtheil einer ganzen Klasse über den moralischen oder wissenschaftlichen Werth eines Lehrers wird gewiß nicht weit von der Wahrheit abirren.

Bellermanns Erfurter Aussprache war eine beständige Quelle von kleinen harmlosen Witzeleien. Die Klasse gaudirte sich eine lange Zeit daran, als er einmal eine Festrede mit dem Satze angefangen: ter Balmpaum drecht Wrigde unt Pliden zu kleiger Zeit!

Obgleich keineswegs der älteste Lehrer, so hatte er doch, wegen seiner etwas gebeugten Haltung den Beinamen "der Alte" bekommen. Seine häufige Rührung, eine Folge seines wahrhaft edlen und guten Herzens, war der muntern Jugend oft unerklärlich. In Secunda las er mit uns den Sueton. Zur Einleitung sagte er einiges über das Leben des Autors, und bemerkte zuletzt, daß mehrere seiner Schriften verloren seien, wobei ihm vor Bewegung die Stimme versagte. Die Klasse aber überließ sich einer ungetheilten Heiterkeit bei dem Gedanken, daß man nun diese verlorenen Sachen nicht noch zu lesen brauche.

Auch nach den Gymnasialjahren bin ich mit ihm in den freundschaftlichsten Beziehungen geblieben. Als er eine schwere Krankheit überstanden, nahm er im 66. Jahre seinen Abschied, und kaufte sich ein Haus in der Landsberger Straße. Hier fand ich ihn kurze Zeit darauf in voller Thätigkeit, einen großen wüsten Fleck hinter dem Hause in einen Garten umzugestalten; es wurden junge

Dagegen waren wir freilich für manche seiner kleinen Schwächen nicht blind: denn gerade die heranwachsende Jugend hat in dieser Hinsicht einen ungemeinen Scharfblick. Was der eine nicht bemerkt, das bemerkt der andere, und so bildet sich eine Summe aller Beobachtungen. Das allgemeine Urtheil einer ganzen Klasse über den moralischen oder wissenschaftlichen Werth eines Lehrers wird gewiß nicht weit von der Wahrheit abirren.

Bellermanns Erfurter Aussprache war eine beständige Quelle von kleinen harmlosen Witzeleien. Die Klasse gaudirte sich eine lange Zeit daran, als er einmal eine Festrede mit dem Satze angefangen: ter Balmpaum drecht Wrigde unt Pliden zu kleiger Zeit!

Obgleich keineswegs der älteste Lehrer, so hatte er doch, wegen seiner etwas gebeugten Haltung den Beinamen „der Alte“ bekommen. Seine häufige Rührung, eine Folge seines wahrhaft edlen und guten Herzens, war der muntern Jugend oft unerklärlich. In Secunda las er mit uns den Sueton. Zur Einleitung sagte er einiges über das Leben des Autors, und bemerkte zuletzt, daß mehrere seiner Schriften verloren seien, wobei ihm vor Bewegung die Stimme versagte. Die Klasse aber überließ sich einer ungetheilten Heiterkeit bei dem Gedanken, daß man nun diese verlorenen Sachen nicht noch zu lesen brauche.

Auch nach den Gymnasialjahren bin ich mit ihm in den freundschaftlichsten Beziehungen geblieben. Als er eine schwere Krankheit überstanden, nahm er im 66. Jahre seinen Abschied, und kaufte sich ein Haus in der Landsberger Straße. Hier fand ich ihn kurze Zeit darauf in voller Thätigkeit, einen großen wüsten Fleck hinter dem Hause in einen Garten umzugestalten; es wurden junge

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[171/0183] Dagegen waren wir freilich für manche seiner kleinen Schwächen nicht blind: denn gerade die heranwachsende Jugend hat in dieser Hinsicht einen ungemeinen Scharfblick. Was der eine nicht bemerkt, das bemerkt der andere, und so bildet sich eine Summe aller Beobachtungen. Das allgemeine Urtheil einer ganzen Klasse über den moralischen oder wissenschaftlichen Werth eines Lehrers wird gewiß nicht weit von der Wahrheit abirren. Bellermanns Erfurter Aussprache war eine beständige Quelle von kleinen harmlosen Witzeleien. Die Klasse gaudirte sich eine lange Zeit daran, als er einmal eine Festrede mit dem Satze angefangen: ter Balmpaum drecht Wrigde unt Pliden zu kleiger Zeit! Obgleich keineswegs der älteste Lehrer, so hatte er doch, wegen seiner etwas gebeugten Haltung den Beinamen „der Alte“ bekommen. Seine häufige Rührung, eine Folge seines wahrhaft edlen und guten Herzens, war der muntern Jugend oft unerklärlich. In Secunda las er mit uns den Sueton. Zur Einleitung sagte er einiges über das Leben des Autors, und bemerkte zuletzt, daß mehrere seiner Schriften verloren seien, wobei ihm vor Bewegung die Stimme versagte. Die Klasse aber überließ sich einer ungetheilten Heiterkeit bei dem Gedanken, daß man nun diese verlorenen Sachen nicht noch zu lesen brauche. Auch nach den Gymnasialjahren bin ich mit ihm in den freundschaftlichsten Beziehungen geblieben. Als er eine schwere Krankheit überstanden, nahm er im 66. Jahre seinen Abschied, und kaufte sich ein Haus in der Landsberger Straße. Hier fand ich ihn kurze Zeit darauf in voller Thätigkeit, einen großen wüsten Fleck hinter dem Hause in einen Garten umzugestalten; es wurden junge

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/183>, abgerufen am 24.11.2024.