Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].pitels von den mittelzeitigen Sylben mußte uns bedenklich machen, und über den Bau des Hexameters fanden wir sehr wenig. Dies hatte, wie Voss uns später in Heidelberg selbst mittheilte, seinen Grund darin, daß er dem mit kindlicher Pietät verehrten Klopstock nicht habe seine schlechten Hexameter vorrücken wollen: das Haupterfordemiß des Hexameters sei die Caesur; im Messias gebe es manche Verse, die man nur als beliebige sechsfüßige Zeilen ansehn könne, weil ihnen die Caesur fehle, so z. B. der bewunderte Vers Drohend erscholl der geflügelte Donnergesang in der Heerschaar! Indessen war bei unsern Vorstudien doch einiges theoretische hängen geblieben, die Uebersetzung der Eklogen wurde begonnen, und allmälig kamen wir in den Zug. Wenn die Verse nicht recht fließen wollten, so machte ich am nahen Recke eine Kehre, eine Wende oder einen Stehschwung, um das Gehirn in bessere Bewegung zu setzen. Paul jedoch war allen Leibesübungen aus natürlicher Unbeholfenheit abgeneigt, und meinte, daß es unmöglich zum besseren Denken beitragen könne, wenn man sich auf den Kopf stelle. Ein paar Eklogen waren auf diese Weise mit Hülfe der Gymnastik fertig geworden, und gewährten mir, von Pauls sauberer Hand ins Reine geschrieben, die gröste Freude; allein bald war es damit vorbei: denn Paul entdeckte im Bibliotheksaal ein wunderfeines Velinexemplar der Vossischen Uebersetzung der Eklogen, ohne Zweifel ebenso wie der Homer, ein Geschenk von Voss an Nicolai. Bei einer Vergleichung unserer Verse mit den Vossischen trat ein zu großer Abstand hervor, und unsere Arbeit blieb liegen. pitels von den mittelzeitigen Sylben mußte uns bedenklich machen, und über den Bau des Hexameters fanden wir sehr wenig. Dies hatte, wie Voss uns später in Heidelberg selbst mittheilte, seinen Grund darin, daß er dem mit kindlicher Pietät verehrten Klopstock nicht habe seine schlechten Hexameter vorrücken wollen: das Haupterfordemiß des Hexameters sei die Caesur; im Messias gebe es manche Verse, die man nur als beliebige sechsfüßige Zeilen ansehn könne, weil ihnen die Caesur fehle, so z. B. der bewunderte Vers Drohend erscholl der geflügelte Donnergesang in der Heerschaar! Indessen war bei unsern Vorstudien doch einiges theoretische hängen geblieben, die Uebersetzung der Eklogen wurde begonnen, und allmälig kamen wir in den Zug. Wenn die Verse nicht recht fließen wollten, so machte ich am nahen Recke eine Kehre, eine Wende oder einen Stehschwung, um das Gehirn in bessere Bewegung zu setzen. Paul jedoch war allen Leibesübungen aus natürlicher Unbeholfenheit abgeneigt, und meinte, daß es unmöglich zum besseren Denken beitragen könne, wenn man sich auf den Kopf stelle. Ein paar Eklogen waren auf diese Weise mit Hülfe der Gymnastik fertig geworden, und gewährten mir, von Pauls sauberer Hand ins Reine geschrieben, die gröste Freude; allein bald war es damit vorbei: denn Paul entdeckte im Bibliotheksaal ein wunderfeines Velinexemplar der Vossischen Uebersetzung der Eklogen, ohne Zweifel ebenso wie der Homer, ein Geschenk von Voss an Nicolai. Bei einer Vergleichung unserer Verse mit den Vossischen trat ein zu großer Abstand hervor, und unsere Arbeit blieb liegen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0208" n="196"/> pitels von den mittelzeitigen Sylben mußte uns bedenklich machen, und über den Bau des Hexameters fanden wir sehr wenig. Dies hatte, wie Voss uns später in Heidelberg selbst mittheilte, seinen Grund darin, daß er dem mit kindlicher Pietät verehrten Klopstock nicht habe seine schlechten Hexameter vorrücken wollen: das Haupterfordemiß des Hexameters sei die Caesur; im Messias gebe es manche Verse, die man nur als beliebige sechsfüßige Zeilen ansehn könne, weil ihnen die Caesur fehle, so z. B. der bewunderte Vers </p><lb/> <p rendition="#c">Drohend erscholl der geflügelte Donnergesang in der Heerschaar!</p><lb/> <p>Indessen war bei unsern Vorstudien doch einiges theoretische hängen geblieben, die Uebersetzung der Eklogen wurde begonnen, und allmälig kamen wir in den Zug. Wenn die Verse nicht recht fließen wollten, so machte ich am nahen Recke eine Kehre, eine Wende oder einen Stehschwung, um das Gehirn in bessere Bewegung zu setzen. Paul jedoch war allen Leibesübungen aus natürlicher Unbeholfenheit abgeneigt, und meinte, daß es unmöglich zum besseren Denken beitragen könne, wenn man sich auf den Kopf stelle. Ein paar Eklogen waren auf diese Weise mit Hülfe der Gymnastik fertig geworden, und gewährten mir, von Pauls sauberer Hand ins Reine geschrieben, die gröste Freude; allein bald war es damit vorbei: denn Paul entdeckte im Bibliotheksaal ein wunderfeines Velinexemplar der Vossischen Uebersetzung der Eklogen, ohne Zweifel ebenso wie der Homer, ein Geschenk von Voss an Nicolai. Bei einer Vergleichung unserer Verse mit den Vossischen trat ein zu großer Abstand hervor, und unsere Arbeit blieb liegen. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [196/0208]
pitels von den mittelzeitigen Sylben mußte uns bedenklich machen, und über den Bau des Hexameters fanden wir sehr wenig. Dies hatte, wie Voss uns später in Heidelberg selbst mittheilte, seinen Grund darin, daß er dem mit kindlicher Pietät verehrten Klopstock nicht habe seine schlechten Hexameter vorrücken wollen: das Haupterfordemiß des Hexameters sei die Caesur; im Messias gebe es manche Verse, die man nur als beliebige sechsfüßige Zeilen ansehn könne, weil ihnen die Caesur fehle, so z. B. der bewunderte Vers
Drohend erscholl der geflügelte Donnergesang in der Heerschaar!
Indessen war bei unsern Vorstudien doch einiges theoretische hängen geblieben, die Uebersetzung der Eklogen wurde begonnen, und allmälig kamen wir in den Zug. Wenn die Verse nicht recht fließen wollten, so machte ich am nahen Recke eine Kehre, eine Wende oder einen Stehschwung, um das Gehirn in bessere Bewegung zu setzen. Paul jedoch war allen Leibesübungen aus natürlicher Unbeholfenheit abgeneigt, und meinte, daß es unmöglich zum besseren Denken beitragen könne, wenn man sich auf den Kopf stelle. Ein paar Eklogen waren auf diese Weise mit Hülfe der Gymnastik fertig geworden, und gewährten mir, von Pauls sauberer Hand ins Reine geschrieben, die gröste Freude; allein bald war es damit vorbei: denn Paul entdeckte im Bibliotheksaal ein wunderfeines Velinexemplar der Vossischen Uebersetzung der Eklogen, ohne Zweifel ebenso wie der Homer, ein Geschenk von Voss an Nicolai. Bei einer Vergleichung unserer Verse mit den Vossischen trat ein zu großer Abstand hervor, und unsere Arbeit blieb liegen.
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