Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

gnügen zu, wenn sie in guter Laune uns etwas von ihrer Kindheit erzählte, welche in die Zeit des siebenjährigen Krieges fiel; wie sie einmal i. J. 1762 mit ihren beiden jüngeren Schwestern ganz ruhig in der Töchterschule gesessen, als ihre Hausmagd plötzlich mit dem Ausrufe eingetreten sei: Male, Miene, Rieke, ihr sollt gleich zu Hause kommen, die Russen sind da! Eilig ward diese Mahnung ausgeführt, aber bald verschwanden die Russen, als es hieß: der König kömmt!

Nach der Sitte der damaligen Zeit nannte sie ihren Mann: Eichmann, und er sie nicht anders als: Eichmann'n. Dies war uns anfangs ungewöhnlich: denn meine Mutter nannte den Vater wohl auch Parthey, er aber sagte zu ihr Lottchen, was uns viel gemüthlicher und zutraulicher vorkam.

Die beiden Schwestern der Grosmutter Eichmann waren auch verheirathet, Miene an den Geheimerath Kaiser, Rieke an den Kriegsrath Brese, beide mit vielen Kindern gesegnet. Auch hatte der Grosvater Eichmann einen jüngeren Bruder, den Onkel Eichmann, der 3 Söhne und 3 Töchter um sich aufwachsen sah, so daß die Familienbekanntschaft nach dieser Seite hin sich sehr weit ausdehnte.

Die Grosmutter Eichmann hatte mit ihren beiden Schwestern und andern befreundeten Familien ein weibliches Abendkränzchen, das bei den Mitgliedern herumging und jedesmal gewaltige Vorbereitungen an Thee und Backwerk erforderte. Wir mußten als Kinder des Hauses halbgezwungen daran theilnehmen, und ich rechne diese TheeAbende zu meinen trübsten Jugenderinnerungen. Die erwachsenen, keineswegs liebreizenden Töchter jener Familien waren alle mehrere Jahre älter als wir, sahen

gnügen zu, wenn sie in guter Laune uns etwas von ihrer Kindheit erzählte, welche in die Zeit des siebenjährigen Krieges fiel; wie sie einmal i. J. 1762 mit ihren beiden jüngeren Schwestern ganz ruhig in der Töchterschule gesessen, als ihre Hausmagd plötzlich mit dem Ausrufe eingetreten sei: Male, Miene, Rieke, ihr sollt gleich zu Hause kommen, die Russen sind da! Eilig ward diese Mahnung ausgeführt, aber bald verschwanden die Russen, als es hieß: der König kömmt!

Nach der Sitte der damaligen Zeit nannte sie ihren Mann: Eichmann, und er sie nicht anders als: Eichmann’n. Dies war uns anfangs ungewöhnlich: denn meine Mutter nannte den Vater wohl auch Parthey, er aber sagte zu ihr Lottchen, was uns viel gemüthlicher und zutraulicher vorkam.

Die beiden Schwestern der Grosmutter Eichmann waren auch verheirathet, Miene an den Geheimerath Kaiser, Rieke an den Kriegsrath Brese, beide mit vielen Kindern gesegnet. Auch hatte der Grosvater Eichmann einen jüngeren Bruder, den Onkel Eichmann, der 3 Söhne und 3 Töchter um sich aufwachsen sah, so daß die Familienbekanntschaft nach dieser Seite hin sich sehr weit ausdehnte.

Die Grosmutter Eichmann hatte mit ihren beiden Schwestern und andern befreundeten Familien ein weibliches Abendkränzchen, das bei den Mitgliedern herumging und jedesmal gewaltige Vorbereitungen an Thee und Backwerk erforderte. Wir mußten als Kinder des Hauses halbgezwungen daran theilnehmen, und ich rechne diese TheeAbende zu meinen trübsten Jugenderinnerungen. Die erwachsenen, keineswegs liebreizenden Töchter jener Familien waren alle mehrere Jahre älter als wir, sahen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <p><pb facs="#f0239" n="227"/>
gnügen zu, wenn sie in guter Laune uns etwas von ihrer Kindheit erzählte, welche in die Zeit des siebenjährigen Krieges fiel; wie sie einmal i. J. 1762 mit ihren beiden jüngeren Schwestern ganz ruhig in der Töchterschule gesessen, als ihre Hausmagd plötzlich mit dem Ausrufe eingetreten sei: Male, Miene, Rieke, ihr sollt gleich zu Hause kommen, die Russen sind da! Eilig ward diese Mahnung ausgeführt, aber bald verschwanden die Russen, als es hieß: der König kömmt! </p><lb/>
          <p>Nach der Sitte der damaligen Zeit nannte sie ihren Mann: Eichmann, und er sie nicht anders als: Eichmann&#x2019;n. Dies war uns anfangs ungewöhnlich: denn meine Mutter nannte den Vater wohl auch Parthey, er aber sagte zu ihr Lottchen, was uns viel gemüthlicher und zutraulicher vorkam. </p><lb/>
          <p>Die beiden Schwestern der Grosmutter Eichmann waren auch verheirathet, Miene an den Geheimerath Kaiser, Rieke an den Kriegsrath Brese, beide mit vielen Kindern gesegnet. Auch hatte der Grosvater Eichmann einen jüngeren Bruder, den Onkel Eichmann, der 3 Söhne und 3 Töchter um sich aufwachsen sah, so daß die Familienbekanntschaft nach dieser Seite hin sich sehr weit ausdehnte. </p><lb/>
          <p>Die Grosmutter Eichmann hatte mit ihren beiden Schwestern und andern befreundeten Familien ein weibliches Abendkränzchen, das bei den Mitgliedern herumging und jedesmal gewaltige Vorbereitungen an Thee und Backwerk erforderte. Wir mußten als Kinder des Hauses halbgezwungen daran theilnehmen, und ich rechne diese TheeAbende zu meinen trübsten Jugenderinnerungen. Die erwachsenen, keineswegs liebreizenden Töchter jener Familien waren alle mehrere Jahre älter als wir, sahen
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[227/0239] gnügen zu, wenn sie in guter Laune uns etwas von ihrer Kindheit erzählte, welche in die Zeit des siebenjährigen Krieges fiel; wie sie einmal i. J. 1762 mit ihren beiden jüngeren Schwestern ganz ruhig in der Töchterschule gesessen, als ihre Hausmagd plötzlich mit dem Ausrufe eingetreten sei: Male, Miene, Rieke, ihr sollt gleich zu Hause kommen, die Russen sind da! Eilig ward diese Mahnung ausgeführt, aber bald verschwanden die Russen, als es hieß: der König kömmt! Nach der Sitte der damaligen Zeit nannte sie ihren Mann: Eichmann, und er sie nicht anders als: Eichmann’n. Dies war uns anfangs ungewöhnlich: denn meine Mutter nannte den Vater wohl auch Parthey, er aber sagte zu ihr Lottchen, was uns viel gemüthlicher und zutraulicher vorkam. Die beiden Schwestern der Grosmutter Eichmann waren auch verheirathet, Miene an den Geheimerath Kaiser, Rieke an den Kriegsrath Brese, beide mit vielen Kindern gesegnet. Auch hatte der Grosvater Eichmann einen jüngeren Bruder, den Onkel Eichmann, der 3 Söhne und 3 Töchter um sich aufwachsen sah, so daß die Familienbekanntschaft nach dieser Seite hin sich sehr weit ausdehnte. Die Grosmutter Eichmann hatte mit ihren beiden Schwestern und andern befreundeten Familien ein weibliches Abendkränzchen, das bei den Mitgliedern herumging und jedesmal gewaltige Vorbereitungen an Thee und Backwerk erforderte. Wir mußten als Kinder des Hauses halbgezwungen daran theilnehmen, und ich rechne diese TheeAbende zu meinen trübsten Jugenderinnerungen. Die erwachsenen, keineswegs liebreizenden Töchter jener Familien waren alle mehrere Jahre älter als wir, sahen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/239
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/239>, abgerufen am 24.11.2024.