Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].äußerste zuwider, und ich hatte mich bald in aller Sanftmuth mit dem Grosvater auf einen solchen Fuß gesetzt, daß er es gar nicht mehr versuchte, mich zu nöthigen; höchstens sagte er, wenn ich eine Schüssel vorüber gehn ließ, mit mitleidigem Achselzucken: an dir Gustav, ist Hopfen und Malz verloren! Er gab uns manchmal nach der Suppe, bloß als Zwischengericht, eine fette Rinderwurst von solcher Konsistenz, daß ein paar Bissen davon mich vollkommen satt machten. Seine Gastereien gab er gewöhnlich des Mittwochs, wegen des freien Nachmittags, oder des Sonntags. Wenn wir ihn Tages zuvor besuchten, so sagte er mit seiner tiefen sonoren Bruststimme: morgen bekommt ihr Graupensuppe mit Schweinsohren und Schweineschnauze, ein Stück Rindfleisch mit Kapernsauce, einen Plumpudding mit Weinsauce und einen Hammelbraten mit geschmorter Petersilie; davon, denk' ich, werdet ihr wohl satt werden. Noch tönen mir die Namen einiger anderen Gerichte in den Ohren; da gab es dicke Erbsen mit Pökelfleisch, Grünkohl mit Kastanien und Bratwurst, westphälischen Schinken mit Linsen und gebratenen Bollen, Hasenbraten mit Sauerkohl, Stockfisch mit grünen Erbsen etc. Im Spätherbste pflegte er einen Eidamer Käse, so groß wie eine Bombe, anzuschaffen. Dieser wurde in eine Serviette eingeschlagen, zuweilen mit Madeira getränkt und im Keller aufbewahrt. "Den hole ich nicht eher herauf", sagte der Grosvater, "als bis er selbst laufen kann." Bis zu dieser manchmal sehr entfernten Epoche traktirte er uns mit einem verwünschten Kuhkäse, der die Geruchsnerven auf das empfindlichste angriff. Ich erklärte ohne äußerste zuwider, und ich hatte mich bald in aller Sanftmuth mit dem Grosvater auf einen solchen Fuß gesetzt, daß er es gar nicht mehr versuchte, mich zu nöthigen; höchstens sagte er, wenn ich eine Schüssel vorüber gehn ließ, mit mitleidigem Achselzucken: an dir Gustav, ist Hopfen und Malz verloren! Er gab uns manchmal nach der Suppe, bloß als Zwischengericht, eine fette Rinderwurst von solcher Konsistenz, daß ein paar Bissen davon mich vollkommen satt machten. Seine Gastereien gab er gewöhnlich des Mittwochs, wegen des freien Nachmittags, oder des Sonntags. Wenn wir ihn Tages zuvor besuchten, so sagte er mit seiner tiefen sonoren Bruststimme: morgen bekommt ihr Graupensuppe mit Schweinsohren und Schweineschnauze, ein Stück Rindfleisch mit Kapernsauce, einen Plumpudding mit Weinsauce und einen Hammelbraten mit geschmorter Petersilie; davon, denk’ ich, werdet ihr wohl satt werden. Noch tönen mir die Namen einiger anderen Gerichte in den Ohren; da gab es dicke Erbsen mit Pökelfleisch, Grünkohl mit Kastanien und Bratwurst, westphälischen Schinken mit Linsen und gebratenen Bollen, Hasenbraten mit Sauerkohl, Stockfisch mit grünen Erbsen etc. Im Spätherbste pflegte er einen Eidamer Käse, so groß wie eine Bombe, anzuschaffen. Dieser wurde in eine Serviette eingeschlagen, zuweilen mit Madeira getränkt und im Keller aufbewahrt. „Den hole ich nicht eher herauf“, sagte der Grosvater, „als bis er selbst laufen kann.“ Bis zu dieser manchmal sehr entfernten Epoche traktirte er uns mit einem verwünschten Kuhkäse, der die Geruchsnerven auf das empfindlichste angriff. 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Wenn wir ihn Tages zuvor besuchten, so sagte er mit seiner tiefen sonoren Bruststimme: morgen bekommt ihr Graupensuppe mit Schweinsohren und Schweineschnauze, ein Stück Rindfleisch mit Kapernsauce, einen Plumpudding mit Weinsauce und einen Hammelbraten mit geschmorter Petersilie; davon, denk’ ich, werdet ihr wohl satt werden. Noch tönen mir die Namen einiger anderen Gerichte in den Ohren; da gab es dicke Erbsen mit Pökelfleisch, Grünkohl mit Kastanien und Bratwurst, westphälischen Schinken mit Linsen und gebratenen Bollen, Hasenbraten mit Sauerkohl, Stockfisch mit grünen Erbsen etc. </p><lb/> <p>Im Spätherbste pflegte er einen Eidamer Käse, so groß wie eine Bombe, anzuschaffen. 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äußerste zuwider, und ich hatte mich bald in aller Sanftmuth mit dem Grosvater auf einen solchen Fuß gesetzt, daß er es gar nicht mehr versuchte, mich zu nöthigen; höchstens sagte er, wenn ich eine Schüssel vorüber gehn ließ, mit mitleidigem Achselzucken: an dir Gustav, ist Hopfen und Malz verloren!
Er gab uns manchmal nach der Suppe, bloß als Zwischengericht, eine fette Rinderwurst von solcher Konsistenz, daß ein paar Bissen davon mich vollkommen satt machten.
Seine Gastereien gab er gewöhnlich des Mittwochs, wegen des freien Nachmittags, oder des Sonntags. Wenn wir ihn Tages zuvor besuchten, so sagte er mit seiner tiefen sonoren Bruststimme: morgen bekommt ihr Graupensuppe mit Schweinsohren und Schweineschnauze, ein Stück Rindfleisch mit Kapernsauce, einen Plumpudding mit Weinsauce und einen Hammelbraten mit geschmorter Petersilie; davon, denk’ ich, werdet ihr wohl satt werden. Noch tönen mir die Namen einiger anderen Gerichte in den Ohren; da gab es dicke Erbsen mit Pökelfleisch, Grünkohl mit Kastanien und Bratwurst, westphälischen Schinken mit Linsen und gebratenen Bollen, Hasenbraten mit Sauerkohl, Stockfisch mit grünen Erbsen etc.
Im Spätherbste pflegte er einen Eidamer Käse, so groß wie eine Bombe, anzuschaffen. Dieser wurde in eine Serviette eingeschlagen, zuweilen mit Madeira getränkt und im Keller aufbewahrt. „Den hole ich nicht eher herauf“, sagte der Grosvater, „als bis er selbst laufen kann.“ Bis zu dieser manchmal sehr entfernten Epoche traktirte er uns mit einem verwünschten Kuhkäse, der die Geruchsnerven auf das empfindlichste angriff. Ich erklärte ohne
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