Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Wochen wieder entlassen, so daß ein großes unsichtbares Heer immer bereit stand. Dies gab dem Staatskanzler Hardenberg den Muth zu einem kühnen Schritte, von dem man sich in Berlin im Geheimen erzählte. Hardenberg hatte durch seine Pariser Korrespondenzen in Erfahrung gebracht, es seien allerlei Anzeichen vorhanden, daß Napoleon mit dem Plane umgehe, die preußische Monarchie ganz und gar zu zerstückeln. Die durch Preußen vertheilten französischen Truppen machten mehrere verdächtige Bewegungen, und es war in der That das Schlimmste zu fürchten. Da fuhr der Staatskanzler zum französischen Gesandten St. Marsan, und verlangte in der artigsten, aber entschiedensten Form eine Aufklärung über diese bedrohlichen Maasnahmen. Die Antworten waren anfangs ausweichend. Als Hardenberg mit ruhiger Festigkeit erklärte, daß der König von Preußen die Zertrümmerung seines Reiches nicht ohne einen letzten Verzweiflungskampf ertragen werde, fragte der Gesandte etwas geringschätzig, wieviel Truppen Preußen denn disponibel habe? - "In 6 Wochen 120,000 Mann", war die rasche Antwort, "ich autorisire Sie, dies nach Paris zu berichten!" Der Bericht erfolgte und die Zertheilung Preußens unterblieb. Man wird sich aus dem Memorial von St. Helena erinnern, wie sehr Napoleon es bereute, dem "unfähigen Könige von Preußen" noch so viel Land gelassen zu haben. Erst in der allerneusten Zeit hat man von einem Briefe Kunde erhalten, den der König Friedrich Wilhelm III., wohl mehr im Gedanken an die Drangsale seines Volkes, als im Gefühle seiner fürstlichen Stellung, i. J. 1810 eigenhändig an Napoleon I. gerichtet. Er bat ihn darin mit Wochen wieder entlassen, so daß ein großes unsichtbares Heer immer bereit stand. Dies gab dem Staatskanzler Hardenberg den Muth zu einem kühnen Schritte, von dem man sich in Berlin im Geheimen erzählte. Hardenberg hatte durch seine Pariser Korrespondenzen in Erfahrung gebracht, es seien allerlei Anzeichen vorhanden, daß Napoléon mit dem Plane umgehe, die preußische Monarchie ganz und gar zu zerstückeln. Die durch Preußen vertheilten französischen Truppen machten mehrere verdächtige Bewegungen, und es war in der That das Schlimmste zu fürchten. Da fuhr der Staatskanzler zum französischen Gesandten St. Marsan, und verlangte in der artigsten, aber entschiedensten Form eine Aufklärung über diese bedrohlichen Maasnahmen. Die Antworten waren anfangs ausweichend. Als Hardenberg mit ruhiger Festigkeit erklärte, daß der König von Preußen die Zertrümmerung seines Reiches nicht ohne einen letzten Verzweiflungskampf ertragen werde, fragte der Gesandte etwas geringschätzig, wieviel Truppen Preußen denn disponibel habe? – „In 6 Wochen 120,000 Mann“, war die rasche Antwort, „ich autorisire Sie, dies nach Paris zu berichten!“ Der Bericht erfolgte und die Zertheilung Preußens unterblieb. Man wird sich aus dem Memorial von St. Helena erinnern, wie sehr Napoléon es bereute, dem „unfähigen Könige von Preußen“ noch so viel Land gelassen zu haben. Erst in der allerneusten Zeit hat man von einem Briefe Kunde erhalten, den der König Friedrich Wilhelm III., wohl mehr im Gedanken an die Drangsale seines Volkes, als im Gefühle seiner fürstlichen Stellung, i. J. 1810 eigenhändig an Napoléon I. gerichtet. 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Als Hardenberg mit ruhiger Festigkeit erklärte, daß der König von Preußen die Zertrümmerung seines Reiches nicht ohne einen letzten Verzweiflungskampf ertragen werde, fragte der Gesandte etwas geringschätzig, wieviel Truppen Preußen denn disponibel habe? – „In 6 Wochen 120,000 Mann“, war die rasche Antwort, „ich autorisire Sie, dies nach Paris zu berichten!“ Der Bericht erfolgte und die Zertheilung Preußens unterblieb. Man wird sich aus dem Memorial von St. Helena erinnern, wie sehr Napoléon es bereute, dem „unfähigen Könige von Preußen“ noch so viel Land gelassen zu haben. </p><lb/> <p>Erst in der allerneusten Zeit hat man von einem Briefe Kunde erhalten, den der König Friedrich Wilhelm III., wohl mehr im Gedanken an die Drangsale seines Volkes, als im Gefühle seiner fürstlichen Stellung, i. J. 1810 eigenhändig an Napoléon I. gerichtet. Er bat ihn darin mit </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [308/0320]
Wochen wieder entlassen, so daß ein großes unsichtbares Heer immer bereit stand.
Dies gab dem Staatskanzler Hardenberg den Muth zu einem kühnen Schritte, von dem man sich in Berlin im Geheimen erzählte. Hardenberg hatte durch seine Pariser Korrespondenzen in Erfahrung gebracht, es seien allerlei Anzeichen vorhanden, daß Napoléon mit dem Plane umgehe, die preußische Monarchie ganz und gar zu zerstückeln. Die durch Preußen vertheilten französischen Truppen machten mehrere verdächtige Bewegungen, und es war in der That das Schlimmste zu fürchten. Da fuhr der Staatskanzler zum französischen Gesandten St. Marsan, und verlangte in der artigsten, aber entschiedensten Form eine Aufklärung über diese bedrohlichen Maasnahmen. Die Antworten waren anfangs ausweichend. Als Hardenberg mit ruhiger Festigkeit erklärte, daß der König von Preußen die Zertrümmerung seines Reiches nicht ohne einen letzten Verzweiflungskampf ertragen werde, fragte der Gesandte etwas geringschätzig, wieviel Truppen Preußen denn disponibel habe? – „In 6 Wochen 120,000 Mann“, war die rasche Antwort, „ich autorisire Sie, dies nach Paris zu berichten!“ Der Bericht erfolgte und die Zertheilung Preußens unterblieb. Man wird sich aus dem Memorial von St. Helena erinnern, wie sehr Napoléon es bereute, dem „unfähigen Könige von Preußen“ noch so viel Land gelassen zu haben.
Erst in der allerneusten Zeit hat man von einem Briefe Kunde erhalten, den der König Friedrich Wilhelm III., wohl mehr im Gedanken an die Drangsale seines Volkes, als im Gefühle seiner fürstlichen Stellung, i. J. 1810 eigenhändig an Napoléon I. gerichtet. Er bat ihn darin mit
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/320>, abgerufen am 26.06.2024. |