Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].So oft in diesen Tagen ein russisches Corps einzog, so oft wurden die Klassen freigegeben, weil jeder den nordischen Befreiern entgegen jauchzen wollte. Am 11. März 1813 empfingen wir den russischen General von Wittgenstein, dessen überaus glänzendes Gefolge einen großen Eindruck auf die gaffende Menge hervorbrachte. Am 17. März erschien unter unendlichem Jubel der General von York mit seinen 12,000 Preußen und einem Artilleriepark von 70 Kanonen. Obgleich er bisher noch nicht als Feldherr sich hatte zeigen können, so fühlte doch ein jeder, daß York durch seinen entschlossenen Uebertritt zu den Russen sich an die Spitze der Bewegung gegen Napoleon gestellt habe, und daß nun von einem Schwanken oder Zaudern der preußischen Politik nicht mehr die Rede sein könne. Selbst der Grosvater Eichmann, der sonst nicht leicht von einer einmal gefaßten Meinung abzubringen war, erklärte sich endlich zufrieden gestellt, weil durch Yorks gewagten Schritt ein ferneres Zusammengehn mit den Franzosen unmöglich geworden sei. Wie ein Donnerschlag rührte uns daher die Nachricht, daß der König ein Kriegsgericht ernannt habe, von dem der General von York zum Tode verurtheilt sei. Allein bald tröstete uns des Grosvaters beruhigende Stimme: Larifari! sagte er, freilich muß das Kriegsgericht ihn zum Tode verurtheilen, aber eben so gewiß ist es, daß der König ihn begnadigen wird oder schon begnadigt hat; darauf könnt ihr euch verlassen: denn sonst würde York nicht an der Spitze von 12,000 Mann in Berlin einziehn. Bald darauf kam auch der König selbst nach Berlin, und zeigte sich am 20. März 1813 auf der Parade im Lustgarten; ich kann aber nicht sagen, daß ihm ein außer- So oft in diesen Tagen ein russisches Corps einzog, so oft wurden die Klassen freigegeben, weil jeder den nordischen Befreiern entgegen jauchzen wollte. Am 11. März 1813 empfingen wir den russischen General von Wittgenstein, dessen überaus glänzendes Gefolge einen großen Eindruck auf die gaffende Menge hervorbrachte. Am 17. März erschien unter unendlichem Jubel der General von York mit seinen 12,000 Preußen und einem Artilleriepark von 70 Kanonen. Obgleich er bisher noch nicht als Feldherr sich hatte zeigen können, so fühlte doch ein jeder, daß York durch seinen entschlossenen Uebertritt zu den Russen sich an die Spitze der Bewegung gegen Napoléon gestellt habe, und daß nun von einem Schwanken oder Zaudern der preußischen Politik nicht mehr die Rede sein könne. Selbst der Grosvater Eichmann, der sonst nicht leicht von einer einmal gefaßten Meinung abzubringen war, erklärte sich endlich zufrieden gestellt, weil durch Yorks gewagten Schritt ein ferneres Zusammengehn mit den Franzosen unmöglich geworden sei. Wie ein Donnerschlag rührte uns daher die Nachricht, daß der König ein Kriegsgericht ernannt habe, von dem der General von York zum Tode verurtheilt sei. Allein bald tröstete uns des Grosvaters beruhigende Stimme: Larifari! sagte er, freilich muß das Kriegsgericht ihn zum Tode verurtheilen, aber eben so gewiß ist es, daß der König ihn begnadigen wird oder schon begnadigt hat; darauf könnt ihr euch verlassen: denn sonst würde York nicht an der Spitze von 12,000 Mann in Berlin einziehn. Bald darauf kam auch der König selbst nach Berlin, und zeigte sich am 20. März 1813 auf der Parade im Lustgarten; ich kann aber nicht sagen, daß ihm ein außer- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p> <pb facs="#f0353" n="341"/> </p><lb/> <p>So oft in diesen Tagen ein russisches Corps einzog, so oft wurden die Klassen freigegeben, weil jeder den nordischen Befreiern entgegen jauchzen wollte. Am 11. März 1813 empfingen wir den russischen General von Wittgenstein, dessen überaus glänzendes Gefolge einen großen Eindruck auf die gaffende Menge hervorbrachte. Am 17. März erschien unter unendlichem Jubel der General von York mit seinen 12,000 Preußen und einem Artilleriepark von 70 Kanonen. Obgleich er bisher noch nicht als Feldherr sich hatte zeigen können, so fühlte doch ein jeder, daß York durch seinen entschlossenen Uebertritt zu den Russen sich an die Spitze der Bewegung gegen Napoléon gestellt habe, und daß nun von einem Schwanken oder Zaudern der preußischen Politik nicht mehr die Rede sein könne. Selbst der Grosvater Eichmann, der sonst nicht leicht von einer einmal gefaßten Meinung abzubringen war, erklärte sich endlich zufrieden gestellt, weil durch Yorks gewagten Schritt ein ferneres Zusammengehn mit den Franzosen unmöglich geworden sei. Wie ein Donnerschlag rührte uns daher die Nachricht, daß der König ein Kriegsgericht ernannt habe, von dem der General von York zum Tode verurtheilt sei. Allein bald tröstete uns des Grosvaters beruhigende Stimme: Larifari! sagte er, freilich muß das Kriegsgericht ihn zum Tode verurtheilen, aber eben so gewiß ist es, daß der König ihn begnadigen wird oder schon begnadigt hat; darauf könnt ihr euch verlassen: denn sonst würde York nicht an der Spitze von 12,000 Mann in Berlin einziehn. </p><lb/> <p>Bald darauf kam auch der König selbst nach Berlin, und zeigte sich am 20. März 1813 auf der Parade im Lustgarten; ich kann aber nicht sagen, daß ihm ein außer- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [341/0353]
So oft in diesen Tagen ein russisches Corps einzog, so oft wurden die Klassen freigegeben, weil jeder den nordischen Befreiern entgegen jauchzen wollte. Am 11. März 1813 empfingen wir den russischen General von Wittgenstein, dessen überaus glänzendes Gefolge einen großen Eindruck auf die gaffende Menge hervorbrachte. Am 17. März erschien unter unendlichem Jubel der General von York mit seinen 12,000 Preußen und einem Artilleriepark von 70 Kanonen. Obgleich er bisher noch nicht als Feldherr sich hatte zeigen können, so fühlte doch ein jeder, daß York durch seinen entschlossenen Uebertritt zu den Russen sich an die Spitze der Bewegung gegen Napoléon gestellt habe, und daß nun von einem Schwanken oder Zaudern der preußischen Politik nicht mehr die Rede sein könne. Selbst der Grosvater Eichmann, der sonst nicht leicht von einer einmal gefaßten Meinung abzubringen war, erklärte sich endlich zufrieden gestellt, weil durch Yorks gewagten Schritt ein ferneres Zusammengehn mit den Franzosen unmöglich geworden sei. Wie ein Donnerschlag rührte uns daher die Nachricht, daß der König ein Kriegsgericht ernannt habe, von dem der General von York zum Tode verurtheilt sei. Allein bald tröstete uns des Grosvaters beruhigende Stimme: Larifari! sagte er, freilich muß das Kriegsgericht ihn zum Tode verurtheilen, aber eben so gewiß ist es, daß der König ihn begnadigen wird oder schon begnadigt hat; darauf könnt ihr euch verlassen: denn sonst würde York nicht an der Spitze von 12,000 Mann in Berlin einziehn.
Bald darauf kam auch der König selbst nach Berlin, und zeigte sich am 20. März 1813 auf der Parade im Lustgarten; ich kann aber nicht sagen, daß ihm ein außer-
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