Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

staltete eine zweite Hinfahrt, an der auch mein Vater Theil nahm. Diesmal legten wir im schönsten Sonnenschein und in milder Frühlingsluft die zwei Meilen bis Spandau zurück. Wir waren es schon gewohnt, daß die Gegenwart meines Vaters bei irgend einer Spazierfahrt immer gutes Wetter mit sich brachte; wir betrachteten dies als eine vollendete Thatsache, die man nicht wohl erklären könne, aber mit Freuden annehmen dürfe. Es hatten sich wieder mehrere Wagen vereinigt; ein preußischer Offizier, der die Belagerung mitgemacht, war unser freundlicher und belehrender Führer. Die kleine Stadt mit den engen Straßen und niedrigen Häusern hatte gar wenig gelitten, desto ärger sah es in der Citadelle aus, wohin die Preußen, mit den Oertlichkeiten genau bekannt, alle ihre Bombenwürfe gerichtet. Der Offizier versicherte uns, daß nicht eine einzige Bombe in die Stadt selbst gefallen sei. An der Stelle des Pulvermagazines sah man eine tiefe trichterförmige Grube, aus der noch immer der Rauch halbverkohlter Balken emporstieg. Mehrere Spritzen waren beschäftigt, Wasser in diesen wüsten Erdkrater zu pumpen, weil man noch immer fürchtete, daß einige Pulverfässer im Grunde verborgen liegen geblieben. Die Aussicht, bei einer Entzündung derselben plötzlich in die Luft zu fliegen, hielt die zahlreichen Zuschauer nicht ab, den Rand des Kraters zu umwandeln, und neugierig hinabzuschauen, nicht anders als ob man das Abbrennen eines Feuerwerkes erwartete.

Der Offizier zeigte uns dann von einer höheren Stelle des Festungswalles aus den Ort, wo in weiter, weiter Ferne, jenseit des breiten Wassers die Batterie gestanden, die er während der Belagerung befehligt. Ganz unglaub-

staltete eine zweite Hinfahrt, an der auch mein Vater Theil nahm. Diesmal legten wir im schönsten Sonnenschein und in milder Frühlingsluft die zwei Meilen bis Spandau zurück. Wir waren es schon gewohnt, daß die Gegenwart meines Vaters bei irgend einer Spazierfahrt immer gutes Wetter mit sich brachte; wir betrachteten dies als eine vollendete Thatsache, die man nicht wohl erklären könne, aber mit Freuden annehmen dürfe. Es hatten sich wieder mehrere Wagen vereinigt; ein preußischer Offizier, der die Belagerung mitgemacht, war unser freundlicher und belehrender Führer. Die kleine Stadt mit den engen Straßen und niedrigen Häusern hatte gar wenig gelitten, desto ärger sah es in der Citadelle aus, wohin die Preußen, mit den Oertlichkeiten genau bekannt, alle ihre Bombenwürfe gerichtet. Der Offizier versicherte uns, daß nicht eine einzige Bombe in die Stadt selbst gefallen sei. An der Stelle des Pulvermagazines sah man eine tiefe trichterförmige Grube, aus der noch immer der Rauch halbverkohlter Balken emporstieg. Mehrere Spritzen waren beschäftigt, Wasser in diesen wüsten Erdkrater zu pumpen, weil man noch immer fürchtete, daß einige Pulverfässer im Grunde verborgen liegen geblieben. Die Aussicht, bei einer Entzündung derselben plötzlich in die Luft zu fliegen, hielt die zahlreichen Zuschauer nicht ab, den Rand des Kraters zu umwandeln, und neugierig hinabzuschauen, nicht anders als ob man das Abbrennen eines Feuerwerkes erwartete.

Der Offizier zeigte uns dann von einer höheren Stelle des Festungswalles aus den Ort, wo in weiter, weiter Ferne, jenseit des breiten Wassers die Batterie gestanden, die er während der Belagerung befehligt. Ganz unglaub-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0364" n="352"/>
staltete eine zweite Hinfahrt, an der auch mein Vater Theil nahm. Diesmal legten wir im schönsten Sonnenschein und in milder Frühlingsluft die zwei Meilen bis Spandau zurück. Wir waren es schon gewohnt, daß die Gegenwart meines Vaters bei irgend einer Spazierfahrt immer gutes Wetter mit sich brachte; wir betrachteten dies als eine vollendete Thatsache, die man nicht wohl erklären könne, aber mit Freuden annehmen dürfe. Es hatten sich wieder mehrere Wagen vereinigt; ein preußischer Offizier, der die Belagerung mitgemacht, war unser freundlicher und belehrender Führer. Die kleine Stadt mit den engen Straßen und niedrigen Häusern hatte gar wenig gelitten, desto ärger sah es in der Citadelle aus, wohin die Preußen, mit den Oertlichkeiten genau bekannt, alle ihre Bombenwürfe gerichtet. Der Offizier versicherte uns, daß nicht eine einzige Bombe in die Stadt selbst gefallen sei. An der Stelle des Pulvermagazines sah man eine tiefe trichterförmige Grube, aus der noch immer der Rauch halbverkohlter Balken emporstieg. Mehrere Spritzen waren beschäftigt, Wasser in diesen wüsten Erdkrater zu pumpen, weil man noch immer fürchtete, daß einige Pulverfässer im Grunde verborgen liegen geblieben. Die Aussicht, bei einer Entzündung derselben plötzlich in die Luft zu fliegen, hielt die zahlreichen Zuschauer nicht ab, den Rand des Kraters zu umwandeln, und neugierig hinabzuschauen, nicht anders als ob man das Abbrennen eines Feuerwerkes erwartete. </p><lb/>
          <p>Der Offizier zeigte uns dann von einer höheren Stelle des Festungswalles aus den Ort, wo in weiter, weiter Ferne, jenseit des breiten Wassers die Batterie gestanden, die er während der Belagerung befehligt. Ganz unglaub-
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[352/0364] staltete eine zweite Hinfahrt, an der auch mein Vater Theil nahm. Diesmal legten wir im schönsten Sonnenschein und in milder Frühlingsluft die zwei Meilen bis Spandau zurück. Wir waren es schon gewohnt, daß die Gegenwart meines Vaters bei irgend einer Spazierfahrt immer gutes Wetter mit sich brachte; wir betrachteten dies als eine vollendete Thatsache, die man nicht wohl erklären könne, aber mit Freuden annehmen dürfe. Es hatten sich wieder mehrere Wagen vereinigt; ein preußischer Offizier, der die Belagerung mitgemacht, war unser freundlicher und belehrender Führer. Die kleine Stadt mit den engen Straßen und niedrigen Häusern hatte gar wenig gelitten, desto ärger sah es in der Citadelle aus, wohin die Preußen, mit den Oertlichkeiten genau bekannt, alle ihre Bombenwürfe gerichtet. Der Offizier versicherte uns, daß nicht eine einzige Bombe in die Stadt selbst gefallen sei. An der Stelle des Pulvermagazines sah man eine tiefe trichterförmige Grube, aus der noch immer der Rauch halbverkohlter Balken emporstieg. Mehrere Spritzen waren beschäftigt, Wasser in diesen wüsten Erdkrater zu pumpen, weil man noch immer fürchtete, daß einige Pulverfässer im Grunde verborgen liegen geblieben. Die Aussicht, bei einer Entzündung derselben plötzlich in die Luft zu fliegen, hielt die zahlreichen Zuschauer nicht ab, den Rand des Kraters zu umwandeln, und neugierig hinabzuschauen, nicht anders als ob man das Abbrennen eines Feuerwerkes erwartete. Der Offizier zeigte uns dann von einer höheren Stelle des Festungswalles aus den Ort, wo in weiter, weiter Ferne, jenseit des breiten Wassers die Batterie gestanden, die er während der Belagerung befehligt. Ganz unglaub-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/364
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/364>, abgerufen am 22.11.2024.