Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].nicht vorgekommen; aber die Preußen hatten während ihrer sieben Leidensjahre Gelegenheit genug gehabt, in sich zu gehn, und wieder etwas an ihren Gott zu denken; daher war auch die Wirkung dieser Rede eine ergreifende, und man konnte überzeugt sein, daß die Anwesenden mit dem festen Vorsatze auseinander gingen, im Vertrauen auf Gott ihr Gut und Blut für die endliche Befreiung des Vaterlandes einzusetzen. Nach dem Schlusse der Versammlung fiel uns ein, meinen Vater zu fragen, warum er denn nicht mit eingetreten sei, und als er scherzhaft erwiederte, daß er dazu zu alt sei, so wollten wir dies nicht glauben, weil man ihn trotz seines weißgepuderten Haares unmöglich für einen Sechziger halten konnte. Indessen wußten wir schon, daß er die Eigenheit besaß, auf alle Fragen in Betreff seines Alters und Geburtstages nicht einzugehn. Erst viel später konnte ich mir herausrechnen, daß er, der i. J. 1746 geboren war, i. J. 1813 bereits 68 Jahre zählte. Die Bewaffnung des Landsturmes bestand in einer einfachen Pike mit eiserner Spitze. Die Schmiede und Schlosser hatten alle Hände voll zu thun, um in gröster Eile die Eisenspitzen zu liefern, und die Waldungen bei Berlin wurden behufs der Lanzenschäfte arg gelichtet. In der Hasenheide, wohin wir oft unsere Spaziergänge richteten, waren wir Zeugen eines tragikomischen Vorfalles. Einem Haufen rüstiger Landstürmer aus dem Handwerkerstande mochte die Anschaffung der Piken zu lange dauern. Sie zogen nach der Hasenheide, und fingen an, die geeignetsten Stämme abzuhauen. Der Revierförster Pfaffenländer (allen Turnern wohlbekannt, weil er sie Abends mit vortrefflicher Blut- und Leberwurst bewirtete), war nicht vorgekommen; aber die Preußen hatten während ihrer sieben Leidensjahre Gelegenheit genug gehabt, in sich zu gehn, und wieder etwas an ihren Gott zu denken; daher war auch die Wirkung dieser Rede eine ergreifende, und man konnte überzeugt sein, daß die Anwesenden mit dem festen Vorsatze auseinander gingen, im Vertrauen auf Gott ihr Gut und Blut für die endliche Befreiung des Vaterlandes einzusetzen. Nach dem Schlusse der Versammlung fiel uns ein, meinen Vater zu fragen, warum er denn nicht mit eingetreten sei, und als er scherzhaft erwiederte, daß er dazu zu alt sei, so wollten wir dies nicht glauben, weil man ihn trotz seines weißgepuderten Haares unmöglich für einen Sechziger halten konnte. Indessen wußten wir schon, daß er die Eigenheit besaß, auf alle Fragen in Betreff seines Alters und Geburtstages nicht einzugehn. Erst viel später konnte ich mir herausrechnen, daß er, der i. J. 1746 geboren war, i. J. 1813 bereits 68 Jahre zählte. Die Bewaffnung des Landsturmes bestand in einer einfachen Pike mit eiserner Spitze. Die Schmiede und Schlosser hatten alle Hände voll zu thun, um in gröster Eile die Eisenspitzen zu liefern, und die Waldungen bei Berlin wurden behufs der Lanzenschäfte arg gelichtet. In der Hasenheide, wohin wir oft unsere Spaziergänge richteten, waren wir Zeugen eines tragikomischen Vorfalles. Einem Haufen rüstiger Landstürmer aus dem Handwerkerstande mochte die Anschaffung der Piken zu lange dauern. Sie zogen nach der Hasenheide, und fingen an, die geeignetsten Stämme abzuhauen. Der Revierförster Pfaffenländer (allen Turnern wohlbekannt, weil er sie Abends mit vortrefflicher Blut- und Leberwurst bewirtete), war <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0367" n="355"/> nicht vorgekommen; aber die Preußen hatten während ihrer sieben Leidensjahre Gelegenheit genug gehabt, in sich zu gehn, und wieder etwas an ihren Gott zu denken; daher war auch die Wirkung dieser Rede eine ergreifende, und man konnte überzeugt sein, daß die Anwesenden mit dem festen Vorsatze auseinander gingen, im Vertrauen auf Gott ihr Gut und Blut für die endliche Befreiung des Vaterlandes einzusetzen. </p><lb/> <p>Nach dem Schlusse der Versammlung fiel uns ein, meinen Vater zu fragen, warum er denn nicht mit eingetreten sei, und als er scherzhaft erwiederte, daß er dazu zu alt sei, so wollten wir dies nicht glauben, weil man ihn trotz seines weißgepuderten Haares unmöglich für einen Sechziger halten konnte. Indessen wußten wir schon, daß er die Eigenheit besaß, auf alle Fragen in Betreff seines Alters und Geburtstages nicht einzugehn. Erst viel später konnte ich mir herausrechnen, daß er, der i. J. 1746 geboren war, i. J. 1813 bereits 68 Jahre zählte. </p><lb/> <p>Die Bewaffnung des Landsturmes bestand in einer einfachen Pike mit eiserner Spitze. Die Schmiede und Schlosser hatten alle Hände voll zu thun, um in gröster Eile die Eisenspitzen zu liefern, und die Waldungen bei Berlin wurden behufs der Lanzenschäfte arg gelichtet. In der Hasenheide, wohin wir oft unsere Spaziergänge richteten, waren wir Zeugen eines tragikomischen Vorfalles. Einem Haufen rüstiger Landstürmer aus dem Handwerkerstande mochte die Anschaffung der Piken zu lange dauern. Sie zogen nach der Hasenheide, und fingen an, die geeignetsten Stämme abzuhauen. Der Revierförster Pfaffenländer (allen Turnern wohlbekannt, weil er sie Abends mit vortrefflicher Blut- und Leberwurst bewirtete), war </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [355/0367]
nicht vorgekommen; aber die Preußen hatten während ihrer sieben Leidensjahre Gelegenheit genug gehabt, in sich zu gehn, und wieder etwas an ihren Gott zu denken; daher war auch die Wirkung dieser Rede eine ergreifende, und man konnte überzeugt sein, daß die Anwesenden mit dem festen Vorsatze auseinander gingen, im Vertrauen auf Gott ihr Gut und Blut für die endliche Befreiung des Vaterlandes einzusetzen.
Nach dem Schlusse der Versammlung fiel uns ein, meinen Vater zu fragen, warum er denn nicht mit eingetreten sei, und als er scherzhaft erwiederte, daß er dazu zu alt sei, so wollten wir dies nicht glauben, weil man ihn trotz seines weißgepuderten Haares unmöglich für einen Sechziger halten konnte. Indessen wußten wir schon, daß er die Eigenheit besaß, auf alle Fragen in Betreff seines Alters und Geburtstages nicht einzugehn. Erst viel später konnte ich mir herausrechnen, daß er, der i. J. 1746 geboren war, i. J. 1813 bereits 68 Jahre zählte.
Die Bewaffnung des Landsturmes bestand in einer einfachen Pike mit eiserner Spitze. Die Schmiede und Schlosser hatten alle Hände voll zu thun, um in gröster Eile die Eisenspitzen zu liefern, und die Waldungen bei Berlin wurden behufs der Lanzenschäfte arg gelichtet. In der Hasenheide, wohin wir oft unsere Spaziergänge richteten, waren wir Zeugen eines tragikomischen Vorfalles. Einem Haufen rüstiger Landstürmer aus dem Handwerkerstande mochte die Anschaffung der Piken zu lange dauern. Sie zogen nach der Hasenheide, und fingen an, die geeignetsten Stämme abzuhauen. Der Revierförster Pfaffenländer (allen Turnern wohlbekannt, weil er sie Abends mit vortrefflicher Blut- und Leberwurst bewirtete), war
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1)
(2014-01-07T13:04:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |