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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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Der östreichische Minister, Graf Metternich, war von Wien nach Dresden geeilt, um seine gewichtige Stimme mit in die Schale der Berathungen zu legen.

Während dieser 9 Wochen der Ungewisheit sah man in Berlin auf den Straßen überall nur misvergnügte Gesichter, und des politischen Kannegießerns war kein Ende. Wozu denn, fragten die vorwärts Drängenden, solle dieser Waffenstillstand dienen? Je eher die Entscheidung eintrete, desto besser! Sei es die Bestimmung des Schicksals, daß Preußen zu Grunde gehen solle, so möge man seinen Todeskampf nicht verlängern. Napoleon werde diese Frist dazu benutzen, um sich aufs äußerste zu verstärken. Noch habe er ganz Frankreich, Italien und die Hälfte von Deutschland hinter sich; Preußen dagegen könne nur aus wenigen Provinzen Mannschaften und Vorräthe ziehn. Rußlands Freundschaft sei uns zwar sicher, aber sehr hoch sei sie doch nicht anzuschlagen, man wisse ja, daß die russischen Heere auf dem Papiere immer doppelt so stark seien, als im Felde. Oestreichs Hülfe sei freilich von weit größerem Gewichte, das Kaiserhaus sei aber durch die engsten Familienbande mit Napoleon vereinigt. Werde denn der Kaiser Franz so ohne weiteres seinem Schwiegersohne und seiner Tochter Marie Luise den Krieg erklären? Werde er sich nicht begnügen, einen vortheilhaften Vertrag zu schließen, und höchstens die Auflösung des so tief verachteten und gehaßten Rheinbundes verlangen? Dann stehe Preußen wieder allein, und müsse das Schlimmste von der Wuth des erbitterten Gegners erwarten.

Diese Betrachtungen hatten manchen guten Grund, und konnten wohl die jungen Gemüther bedenklich machen,

Der östreichische Minister, Graf Metternich, war von Wien nach Dresden geeilt, um seine gewichtige Stimme mit in die Schale der Berathungen zu legen.

Während dieser 9 Wochen der Ungewisheit sah man in Berlin auf den Straßen überall nur misvergnügte Gesichter, und des politischen Kannegießerns war kein Ende. Wozu denn, fragten die vorwärts Drängenden, solle dieser Waffenstillstand dienen? Je eher die Entscheidung eintrete, desto besser! Sei es die Bestimmung des Schicksals, daß Preußen zu Grunde gehen solle, so möge man seinen Todeskampf nicht verlängern. Napoléon werde diese Frist dazu benutzen, um sich aufs äußerste zu verstärken. Noch habe er ganz Frankreich, Italien und die Hälfte von Deutschland hinter sich; Preußen dagegen könne nur aus wenigen Provinzen Mannschaften und Vorräthe ziehn. Rußlands Freundschaft sei uns zwar sicher, aber sehr hoch sei sie doch nicht anzuschlagen, man wisse ja, daß die russischen Heere auf dem Papiere immer doppelt so stark seien, als im Felde. Oestreichs Hülfe sei freilich von weit größerem Gewichte, das Kaiserhaus sei aber durch die engsten Familienbande mit Napoléon vereinigt. Werde denn der Kaiser Franz so ohne weiteres seinem Schwiegersohne und seiner Tochter Marie Luise den Krieg erklären? Werde er sich nicht begnügen, einen vortheilhaften Vertrag zu schließen, und höchstens die Auflösung des so tief verachteten und gehaßten Rheinbundes verlangen? Dann stehe Preußen wieder allein, und müsse das Schlimmste von der Wuth des erbitterten Gegners erwarten.

Diese Betrachtungen hatten manchen guten Grund, und konnten wohl die jungen Gemüther bedenklich machen,

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[364/0376] Der östreichische Minister, Graf Metternich, war von Wien nach Dresden geeilt, um seine gewichtige Stimme mit in die Schale der Berathungen zu legen. Während dieser 9 Wochen der Ungewisheit sah man in Berlin auf den Straßen überall nur misvergnügte Gesichter, und des politischen Kannegießerns war kein Ende. Wozu denn, fragten die vorwärts Drängenden, solle dieser Waffenstillstand dienen? Je eher die Entscheidung eintrete, desto besser! Sei es die Bestimmung des Schicksals, daß Preußen zu Grunde gehen solle, so möge man seinen Todeskampf nicht verlängern. Napoléon werde diese Frist dazu benutzen, um sich aufs äußerste zu verstärken. Noch habe er ganz Frankreich, Italien und die Hälfte von Deutschland hinter sich; Preußen dagegen könne nur aus wenigen Provinzen Mannschaften und Vorräthe ziehn. Rußlands Freundschaft sei uns zwar sicher, aber sehr hoch sei sie doch nicht anzuschlagen, man wisse ja, daß die russischen Heere auf dem Papiere immer doppelt so stark seien, als im Felde. Oestreichs Hülfe sei freilich von weit größerem Gewichte, das Kaiserhaus sei aber durch die engsten Familienbande mit Napoléon vereinigt. Werde denn der Kaiser Franz so ohne weiteres seinem Schwiegersohne und seiner Tochter Marie Luise den Krieg erklären? Werde er sich nicht begnügen, einen vortheilhaften Vertrag zu schließen, und höchstens die Auflösung des so tief verachteten und gehaßten Rheinbundes verlangen? Dann stehe Preußen wieder allein, und müsse das Schlimmste von der Wuth des erbitterten Gegners erwarten. Diese Betrachtungen hatten manchen guten Grund, und konnten wohl die jungen Gemüther bedenklich machen,

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/376>, abgerufen am 22.11.2024.