Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Den zweiten Schlag führte Napoleon gegen Berlin. Marschall Oudinot erhielt ein ansehnliches Heer, meist aus Baiern, Würtenbergern und Sachsen bestehend. Er sollte gerades Weges auf die preußische Hauptstadt marschiren, und sich ihrer auf alle Weise bemächtigen. Ihm entgegen zog der Kronprinz von Schweden mit der aus Preußen, Russen und Schweden zusammengesetzten Nordarmee. Unter ihm standen die preußischen Generäle Bülow, Tauenzien, Borstell, Dobschütz, die von nun an fast in allen Schlachtenberichten glänzten. Bei Gros-Beeren, nur zwei Meilen südwestlich von Berlin, trafen die Heere aufeinander. Da man den Anmarsch der Feinde erwartete, so schwebte, wie dies bei solchen Gelegenheiten zu geschehn pflegt, ein unbestimmtes Gerücht mehrere Tage in der Luft, es werde zu einer großen Schlacht kommen. Wir waren aber alle so voll guten Muthes, daß der Grosvater einmal scherzend unseren Fritz fragte, ob ihm sein Kanonier nichts vertraut habe? Am 23. August gegen Mittag konnte man an vielen Stellen der Stadt den Kanonendonner vernehmen. Im großen Garten hörten wir ihn am besten, wenn wir an eine hohe, mit Weinreben bedeckte Mauer traten, die den Schall deutlich zurückwarf. Am Nachmittage verstärkte er sich und kam näher, wonach man fürchten mußte, die Unsern seien im Zurückweichen begriffen, dann aber entfernte er sich und schwieg am Abend gänzlich. Obgleich an diesem Kampfe das Schicksal der Hauptstadt hing, so hörte man doch nicht, daß wie im verflossenen Mai einzelne Familien die Stadt verlassen hätten. Die Zuversicht des Sieges lebte in allen Herzen, und als am andern Morgen die Siegesnachricht einlief, so hörte man sie freilich mit großem Jubel, aber als etwas Den zweiten Schlag führte Napoléon gegen Berlin. Marschall Oudinot erhielt ein ansehnliches Heer, meist aus Baiern, Würtenbergern und Sachsen bestehend. Er sollte gerades Weges auf die preußische Hauptstadt marschiren, und sich ihrer auf alle Weise bemächtigen. Ihm entgegen zog der Kronprinz von Schweden mit der aus Preußen, Russen und Schweden zusammengesetzten Nordarmee. Unter ihm standen die preußischen Generäle Bülow, Tauenzien, Borstell, Dobschütz, die von nun an fast in allen Schlachtenberichten glänzten. Bei Gros-Beeren, nur zwei Meilen südwestlich von Berlin, trafen die Heere aufeinander. Da man den Anmarsch der Feinde erwartete, so schwebte, wie dies bei solchen Gelegenheiten zu geschehn pflegt, ein unbestimmtes Gerücht mehrere Tage in der Luft, es werde zu einer großen Schlacht kommen. Wir waren aber alle so voll guten Muthes, daß der Grosvater einmal scherzend unseren Fritz fragte, ob ihm sein Kanonier nichts vertraut habe? Am 23. August gegen Mittag konnte man an vielen Stellen der Stadt den Kanonendonner vernehmen. Im großen Garten hörten wir ihn am besten, wenn wir an eine hohe, mit Weinreben bedeckte Mauer traten, die den Schall deutlich zurückwarf. Am Nachmittage verstärkte er sich und kam näher, wonach man fürchten mußte, die Unsern seien im Zurückweichen begriffen, dann aber entfernte er sich und schwieg am Abend gänzlich. Obgleich an diesem Kampfe das Schicksal der Hauptstadt hing, so hörte man doch nicht, daß wie im verflossenen Mai einzelne Familien die Stadt verlassen hätten. Die Zuversicht des Sieges lebte in allen Herzen, und als am andern Morgen die Siegesnachricht einlief, so hörte man sie freilich mit großem Jubel, aber als etwas <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p> <pb facs="#f0397" n="385"/> </p><lb/> <p>Den zweiten Schlag führte Napoléon gegen Berlin. Marschall Oudinot erhielt ein ansehnliches Heer, meist aus Baiern, Würtenbergern und Sachsen bestehend. Er sollte gerades Weges auf die preußische Hauptstadt marschiren, und sich ihrer auf alle Weise bemächtigen. Ihm entgegen zog der Kronprinz von Schweden mit der aus Preußen, Russen und Schweden zusammengesetzten Nordarmee. Unter ihm standen die preußischen Generäle Bülow, Tauenzien, Borstell, Dobschütz, die von nun an fast in allen Schlachtenberichten glänzten. Bei Gros-Beeren, nur zwei Meilen südwestlich von Berlin, trafen die Heere aufeinander. Da man den Anmarsch der Feinde erwartete, so schwebte, wie dies bei solchen Gelegenheiten zu geschehn pflegt, ein unbestimmtes Gerücht mehrere Tage in der Luft, es werde zu einer großen Schlacht kommen. Wir waren aber alle so voll guten Muthes, daß der Grosvater einmal scherzend unseren Fritz fragte, ob ihm sein Kanonier nichts vertraut habe? Am 23. August gegen Mittag konnte man an vielen Stellen der Stadt den Kanonendonner vernehmen. Im großen Garten hörten wir ihn am besten, wenn wir an eine hohe, mit Weinreben bedeckte Mauer traten, die den Schall deutlich zurückwarf. Am Nachmittage verstärkte er sich und kam näher, wonach man fürchten mußte, die Unsern seien im Zurückweichen begriffen, dann aber entfernte er sich und schwieg am Abend gänzlich. Obgleich an diesem Kampfe das Schicksal der Hauptstadt hing, so hörte man doch nicht, daß wie im verflossenen Mai einzelne Familien die Stadt verlassen hätten. Die Zuversicht des Sieges lebte in allen Herzen, und als am andern Morgen die Siegesnachricht einlief, so hörte man sie freilich mit großem Jubel, aber als etwas </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [385/0397]
Den zweiten Schlag führte Napoléon gegen Berlin. Marschall Oudinot erhielt ein ansehnliches Heer, meist aus Baiern, Würtenbergern und Sachsen bestehend. Er sollte gerades Weges auf die preußische Hauptstadt marschiren, und sich ihrer auf alle Weise bemächtigen. Ihm entgegen zog der Kronprinz von Schweden mit der aus Preußen, Russen und Schweden zusammengesetzten Nordarmee. Unter ihm standen die preußischen Generäle Bülow, Tauenzien, Borstell, Dobschütz, die von nun an fast in allen Schlachtenberichten glänzten. Bei Gros-Beeren, nur zwei Meilen südwestlich von Berlin, trafen die Heere aufeinander. Da man den Anmarsch der Feinde erwartete, so schwebte, wie dies bei solchen Gelegenheiten zu geschehn pflegt, ein unbestimmtes Gerücht mehrere Tage in der Luft, es werde zu einer großen Schlacht kommen. Wir waren aber alle so voll guten Muthes, daß der Grosvater einmal scherzend unseren Fritz fragte, ob ihm sein Kanonier nichts vertraut habe? Am 23. August gegen Mittag konnte man an vielen Stellen der Stadt den Kanonendonner vernehmen. Im großen Garten hörten wir ihn am besten, wenn wir an eine hohe, mit Weinreben bedeckte Mauer traten, die den Schall deutlich zurückwarf. Am Nachmittage verstärkte er sich und kam näher, wonach man fürchten mußte, die Unsern seien im Zurückweichen begriffen, dann aber entfernte er sich und schwieg am Abend gänzlich. Obgleich an diesem Kampfe das Schicksal der Hauptstadt hing, so hörte man doch nicht, daß wie im verflossenen Mai einzelne Familien die Stadt verlassen hätten. Die Zuversicht des Sieges lebte in allen Herzen, und als am andern Morgen die Siegesnachricht einlief, so hörte man sie freilich mit großem Jubel, aber als etwas
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