Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].selbstverständliches. Bald genug folgten lange Reihen von Wagen mit Verwundeten, die in den eilig eingerichteten Hospitälern untergebracht wurden. Da unser Garten im Osten der Stadt lag, und die Züge zu den westlichen Thoren hereinkamen, so bemerkten wir nichts davon. Fritz konnte jedoch seiner Neugierde nicht widerstehn; er ging mit einigen Mitschülern dahin, und erzählte nachher so grauenhaftes, daß ihm ein für alle Mal dergleichen Ausflüge untersagt wurden. Die Mildthätigkeit der Berliner kam dem Bedürfnisse der Lazarethe entgegen, in denen, wie sich dies von selbst verstand, Freund und Feind, Preußen, Franzosen, Schwaben, Baiern und Sundgauer auf gleiche Weise Hülfe fanden. Nach und nach kamen Berichte über die Einzelheiten und den Verlauf der Schlacht. Die Disposition des Kronprinzen von Schweden ward im allgemeinen gelobt. Er hatte seinem Rufe als ausgezeichneter Taktiker genügt, und beim Herannahen Oudinots sein etwas auseinander gelegtes Heer rasch zusammengezogen. Die Preußen wurden am Nachmittage hart bedrängt - das war, als wir den Kanonendonner näher kommen hörten - und der Kronprinz von Schweden sandte ihnen gegen Abend den Befehl, bis in die Nähe von Berlin zurückzugehn. Allein General Bülow gehorchte nicht, weil er wohl einsah, daß alsdann die Hauptstadt wahrscheinlich verloren sei. Trotz eines heftigen Regens machte er am Abend einen stürmischen Angriff mit Kolben und Bajonet; General Borstell umging den rechten Flügel der Franzosen, und nöthigte sie zum Rückzuge. Außer der Rettung der Hauptstadt waren 90 Kanonen und viele Gefangne die Frucht dieses Sieges. selbstverständliches. Bald genug folgten lange Reihen von Wagen mit Verwundeten, die in den eilig eingerichteten Hospitälern untergebracht wurden. Da unser Garten im Osten der Stadt lag, und die Züge zu den westlichen Thoren hereinkamen, so bemerkten wir nichts davon. Fritz konnte jedoch seiner Neugierde nicht widerstehn; er ging mit einigen Mitschülern dahin, und erzählte nachher so grauenhaftes, daß ihm ein für alle Mal dergleichen Ausflüge untersagt wurden. Die Mildthätigkeit der Berliner kam dem Bedürfnisse der Lazarethe entgegen, in denen, wie sich dies von selbst verstand, Freund und Feind, Preußen, Franzosen, Schwaben, Baiern und Sundgauer auf gleiche Weise Hülfe fanden. Nach und nach kamen Berichte über die Einzelheiten und den Verlauf der Schlacht. Die Disposition des Kronprinzen von Schweden ward im allgemeinen gelobt. Er hatte seinem Rufe als ausgezeichneter Taktiker genügt, und beim Herannahen Oudinots sein etwas auseinander gelegtes Heer rasch zusammengezogen. Die Preußen wurden am Nachmittage hart bedrängt – das war, als wir den Kanonendonner näher kommen hörten – und der Kronprinz von Schweden sandte ihnen gegen Abend den Befehl, bis in die Nähe von Berlin zurückzugehn. Allein General Bülow gehorchte nicht, weil er wohl einsah, daß alsdann die Hauptstadt wahrscheinlich verloren sei. Trotz eines heftigen Regens machte er am Abend einen stürmischen Angriff mit Kolben und Bajonet; General Borstell umging den rechten Flügel der Franzosen, und nöthigte sie zum Rückzuge. Außer der Rettung der Hauptstadt waren 90 Kanonen und viele Gefangne die Frucht dieses Sieges. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0398" n="386"/> selbstverständliches. Bald genug folgten lange Reihen von Wagen mit Verwundeten, die in den eilig eingerichteten Hospitälern untergebracht wurden. Da unser Garten im Osten der Stadt lag, und die Züge zu den westlichen Thoren hereinkamen, so bemerkten wir nichts davon. Fritz konnte jedoch seiner Neugierde nicht widerstehn; er ging mit einigen Mitschülern dahin, und erzählte nachher so grauenhaftes, daß ihm ein für alle Mal dergleichen Ausflüge untersagt wurden. Die Mildthätigkeit der Berliner kam dem Bedürfnisse der Lazarethe entgegen, in denen, wie sich dies von selbst verstand, Freund und Feind, Preußen, Franzosen, Schwaben, Baiern und Sundgauer auf gleiche Weise Hülfe fanden. </p><lb/> <p>Nach und nach kamen Berichte über die Einzelheiten und den Verlauf der Schlacht. Die Disposition des Kronprinzen von Schweden ward im allgemeinen gelobt. Er hatte seinem Rufe als ausgezeichneter Taktiker genügt, und beim Herannahen Oudinots sein etwas auseinander gelegtes Heer rasch zusammengezogen. Die Preußen wurden am Nachmittage hart bedrängt – das war, als wir den Kanonendonner näher kommen hörten – und der Kronprinz von Schweden sandte ihnen gegen Abend den Befehl, bis in die Nähe von Berlin zurückzugehn. Allein General Bülow gehorchte nicht, weil er wohl einsah, daß alsdann die Hauptstadt wahrscheinlich verloren sei. Trotz eines heftigen Regens machte er am Abend einen stürmischen Angriff mit Kolben und Bajonet; General Borstell umging den rechten Flügel der Franzosen, und nöthigte sie zum Rückzuge. Außer der Rettung der Hauptstadt waren 90 Kanonen und viele Gefangne die Frucht dieses Sieges. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [386/0398]
selbstverständliches. Bald genug folgten lange Reihen von Wagen mit Verwundeten, die in den eilig eingerichteten Hospitälern untergebracht wurden. Da unser Garten im Osten der Stadt lag, und die Züge zu den westlichen Thoren hereinkamen, so bemerkten wir nichts davon. Fritz konnte jedoch seiner Neugierde nicht widerstehn; er ging mit einigen Mitschülern dahin, und erzählte nachher so grauenhaftes, daß ihm ein für alle Mal dergleichen Ausflüge untersagt wurden. Die Mildthätigkeit der Berliner kam dem Bedürfnisse der Lazarethe entgegen, in denen, wie sich dies von selbst verstand, Freund und Feind, Preußen, Franzosen, Schwaben, Baiern und Sundgauer auf gleiche Weise Hülfe fanden.
Nach und nach kamen Berichte über die Einzelheiten und den Verlauf der Schlacht. Die Disposition des Kronprinzen von Schweden ward im allgemeinen gelobt. Er hatte seinem Rufe als ausgezeichneter Taktiker genügt, und beim Herannahen Oudinots sein etwas auseinander gelegtes Heer rasch zusammengezogen. Die Preußen wurden am Nachmittage hart bedrängt – das war, als wir den Kanonendonner näher kommen hörten – und der Kronprinz von Schweden sandte ihnen gegen Abend den Befehl, bis in die Nähe von Berlin zurückzugehn. Allein General Bülow gehorchte nicht, weil er wohl einsah, daß alsdann die Hauptstadt wahrscheinlich verloren sei. Trotz eines heftigen Regens machte er am Abend einen stürmischen Angriff mit Kolben und Bajonet; General Borstell umging den rechten Flügel der Franzosen, und nöthigte sie zum Rückzuge. Außer der Rettung der Hauptstadt waren 90 Kanonen und viele Gefangne die Frucht dieses Sieges.
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