Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Grosvater oder die Grosmutter Eichmann abgab. Schon die Reise von Karlsbad nach Nachod durch unwegsames Gebirge bot mancherlei Schwierigkeiten, und war reich an kleinen interessanten Abentheuern, deren Hauptreiz in der leichten launigen Darstellung bestand. Das Schloß Nachod liegt in Böhmen, hart an der schlesischen Gränze, auf einem hohen Berge, zu dem auf der einen Seite ein langer gewundener Fahrweg, auf der andern eine Treppe von mehreren 100 Stufen emporführen. An Raum fehlte es nicht; man hatte die Wahl zwischen 60 mehr oder weniger eingerichteten Zimmern. Frau von der Recke verstand es, ihrer ganzen Umgebung das Gepräge des innerlichen und äußerlichen Wohlbehagens aufzudrücken, und bald waren ein paar Zimmer auf das wohnlichste und bequemste hergestellt, von deren Fenstern man einer weiten Aussicht über den unten liegenden kleinen Ort, über Feld und Thal bis an die fernen Gebirge genoß. Das Schloßgesinde zeigte die äußerste Beflissenheit, aber nur der Kastellan, der sich in altmodischer gallonirter Uniform darstellte, sprach deutsch, alle übrigen böhmisch. Doch auch das Deutsch des Kastellans konnte man oft nur errathen, weil es eine bedenkliche Verwirrung der Artikel, der Pronomina und der Syntax zeigte. Mit guter Laune schilderte die Tante ihre ersten Versuche in der Erlernung der böhmischen Sprache, um mit ihrer Kammerfrau von der Zeichensprache zur mündlichen Mittheilung überzugehn. Sehr lästig war ihr anfangs, daß, wenn sie allein durch den Ort ging, alle begegnenden Kinder auf sie zustürzten, um ihr die Hand zu küssen. Die in Karlsbad oft gehörte Redensart: Kuß d'Hand, Ihr Gnaden! sei in Nachod zur Wirklichkeit Grosvater oder die Grosmutter Eichmann abgab. Schon die Reise von Karlsbad nach Nachod durch unwegsames Gebirge bot mancherlei Schwierigkeiten, und war reich an kleinen interessanten Abentheuern, deren Hauptreiz in der leichten launigen Darstellung bestand. Das Schloß Nachod liegt in Böhmen, hart an der schlesischen Gränze, auf einem hohen Berge, zu dem auf der einen Seite ein langer gewundener Fahrweg, auf der andern eine Treppe von mehreren 100 Stufen emporführen. An Raum fehlte es nicht; man hatte die Wahl zwischen 60 mehr oder weniger eingerichteten Zimmern. Frau von der Recke verstand es, ihrer ganzen Umgebung das Gepräge des innerlichen und äußerlichen Wohlbehagens aufzudrücken, und bald waren ein paar Zimmer auf das wohnlichste und bequemste hergestellt, von deren Fenstern man einer weiten Aussicht über den unten liegenden kleinen Ort, über Feld und Thal bis an die fernen Gebirge genoß. Das Schloßgesinde zeigte die äußerste Beflissenheit, aber nur der Kastellan, der sich in altmodischer gallonirter Uniform darstellte, sprach deutsch, alle übrigen böhmisch. Doch auch das Deutsch des Kastellans konnte man oft nur errathen, weil es eine bedenkliche Verwirrung der Artikel, der Pronomina und der Syntax zeigte. Mit guter Laune schilderte die Tante ihre ersten Versuche in der Erlernung der böhmischen Sprache, um mit ihrer Kammerfrau von der Zeichensprache zur mündlichen Mittheilung überzugehn. Sehr lästig war ihr anfangs, daß, wenn sie allein durch den Ort ging, alle begegnenden Kinder auf sie zustürzten, um ihr die Hand zu küssen. Die in Karlsbad oft gehörte Redensart: Kuß d’Hand, Ihr Gnaden! sei in Nachod zur Wirklichkeit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0437" n="425"/> Grosvater oder die Grosmutter Eichmann abgab. Schon die Reise von Karlsbad nach Nachod durch unwegsames Gebirge bot mancherlei Schwierigkeiten, und war reich an kleinen interessanten Abentheuern, deren Hauptreiz in der leichten launigen Darstellung bestand. Das Schloß Nachod liegt in Böhmen, hart an der schlesischen Gränze, auf einem hohen Berge, zu dem auf der einen Seite ein langer gewundener Fahrweg, auf der andern eine Treppe von mehreren 100 Stufen emporführen. An Raum fehlte es nicht; man hatte die Wahl zwischen 60 mehr oder weniger eingerichteten Zimmern. Frau von der Recke verstand es, ihrer ganzen Umgebung das Gepräge des innerlichen und äußerlichen Wohlbehagens aufzudrücken, und bald waren ein paar Zimmer auf das wohnlichste und bequemste hergestellt, von deren Fenstern man einer weiten Aussicht über den unten liegenden kleinen Ort, über Feld und Thal bis an die fernen Gebirge genoß. </p><lb/> <p>Das Schloßgesinde zeigte die äußerste Beflissenheit, aber nur der Kastellan, der sich in altmodischer gallonirter Uniform darstellte, sprach deutsch, alle übrigen böhmisch. Doch auch das Deutsch des Kastellans konnte man oft nur errathen, weil es eine bedenkliche Verwirrung der Artikel, der Pronomina und der Syntax zeigte. Mit guter Laune schilderte die Tante ihre ersten Versuche in der Erlernung der böhmischen Sprache, um mit ihrer Kammerfrau von der Zeichensprache zur mündlichen Mittheilung überzugehn. Sehr lästig war ihr anfangs, daß, wenn sie allein durch den Ort ging, alle begegnenden Kinder auf sie zustürzten, um ihr die Hand zu küssen. Die in Karlsbad oft gehörte Redensart: Kuß d’Hand, Ihr Gnaden! sei in Nachod zur Wirklichkeit </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [425/0437]
Grosvater oder die Grosmutter Eichmann abgab. Schon die Reise von Karlsbad nach Nachod durch unwegsames Gebirge bot mancherlei Schwierigkeiten, und war reich an kleinen interessanten Abentheuern, deren Hauptreiz in der leichten launigen Darstellung bestand. Das Schloß Nachod liegt in Böhmen, hart an der schlesischen Gränze, auf einem hohen Berge, zu dem auf der einen Seite ein langer gewundener Fahrweg, auf der andern eine Treppe von mehreren 100 Stufen emporführen. An Raum fehlte es nicht; man hatte die Wahl zwischen 60 mehr oder weniger eingerichteten Zimmern. Frau von der Recke verstand es, ihrer ganzen Umgebung das Gepräge des innerlichen und äußerlichen Wohlbehagens aufzudrücken, und bald waren ein paar Zimmer auf das wohnlichste und bequemste hergestellt, von deren Fenstern man einer weiten Aussicht über den unten liegenden kleinen Ort, über Feld und Thal bis an die fernen Gebirge genoß.
Das Schloßgesinde zeigte die äußerste Beflissenheit, aber nur der Kastellan, der sich in altmodischer gallonirter Uniform darstellte, sprach deutsch, alle übrigen böhmisch. Doch auch das Deutsch des Kastellans konnte man oft nur errathen, weil es eine bedenkliche Verwirrung der Artikel, der Pronomina und der Syntax zeigte. Mit guter Laune schilderte die Tante ihre ersten Versuche in der Erlernung der böhmischen Sprache, um mit ihrer Kammerfrau von der Zeichensprache zur mündlichen Mittheilung überzugehn. Sehr lästig war ihr anfangs, daß, wenn sie allein durch den Ort ging, alle begegnenden Kinder auf sie zustürzten, um ihr die Hand zu küssen. Die in Karlsbad oft gehörte Redensart: Kuß d’Hand, Ihr Gnaden! sei in Nachod zur Wirklichkeit
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1)
(2014-01-07T13:04:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |