Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Paris herüber. Der Sohn Ludwigs XVI., der muthmaßlich den Namen Ludwig XVII. geführt haben würde, war in den Kerkern der Revolution gestorben, daher nannte sich der nun zurückkehrende Graf von Provence: Ludwig XVIII., und begann konsequenter Weise seine Thätigkeit damit, daß er sein erstes Besitzergreifungspatent von dem "21. Jahre seiner Regierung" datirte. Er war ein gelehrter Herr von 59 Jahren, der den Virgil und Horaz in der Ursprache las. Seinen Reden und Antworten fehlte es nicht an geistreichen Wendungen, und man muß ihm nachrühmen, daß wenige Fürsten gleich ihm, das ungewohnte Scepter mit solcher Mäßigung geführt haben würden. In seiner äußeren Erscheinung freilich war Ludwig XVIII. von dem eben beseitigten Napoleon himmelweit verschieden, und die spottsüchtigen Pariser konnten es nicht unterlassen, selbst gegen ihre fremde Einquartirung sich über den neuen König lustig zu machen. Durch seinen gesegneten Appetit hatte Ludwig XVIII. eine solche Korpulenz erlangt, daß er gar nicht zu Pferde sitzen konnte. Während Napoleon hoch zu Rosse, als Sieger in 60 Schlachten kommandirt hatte, so mußte nun Ludwig XVIII. eine Parade auf dem Tuilerienhofe oder auf dem Marsfelde in einer Kutsche abnehmen. Wenn er langsam durch die Straßen fuhr, und mit einem stereotypen Lächeln nach beiden Seiten hin grüßte, so hörte man aus der Menge Bemerkungen wie die folgenden: Voila un roi bien nourri! - Il parait que l'exil ne l'a pas amaigri! - A dejeuner il s'est rince les dents avec une demi-douzaine de cotelettes! Beim Einzuge Ludwigs XVIII. in Paris hatte sich sehr wenig Enthusiasmus gezeigt; aber die kleine fanatische Partei seiner bourbonistischen Anhänger setzte alle mög- Paris herüber. Der Sohn Ludwigs XVI., der muthmaßlich den Namen Ludwig XVII. geführt haben würde, war in den Kerkern der Revolution gestorben, daher nannte sich der nun zurückkehrende Graf von Provence: Ludwig XVIII., und begann konsequenter Weise seine Thätigkeit damit, daß er sein erstes Besitzergreifungspatent von dem „21. Jahre seiner Regierung“ datirte. Er war ein gelehrter Herr von 59 Jahren, der den Virgil und Horaz in der Ursprache las. Seinen Reden und Antworten fehlte es nicht an geistreichen Wendungen, und man muß ihm nachrühmen, daß wenige Fürsten gleich ihm, das ungewohnte Scepter mit solcher Mäßigung geführt haben würden. In seiner äußeren Erscheinung freilich war Ludwig XVIII. von dem eben beseitigten Napoléon himmelweit verschieden, und die spottsüchtigen Pariser konnten es nicht unterlassen, selbst gegen ihre fremde Einquartirung sich über den neuen König lustig zu machen. Durch seinen gesegneten Appetit hatte Ludwig XVIII. eine solche Korpulenz erlangt, daß er gar nicht zu Pferde sitzen konnte. Während Napoléon hoch zu Rosse, als Sieger in 60 Schlachten kommandirt hatte, so mußte nun Ludwig XVIII. eine Parade auf dem Tuilerienhofe oder auf dem Marsfelde in einer Kutsche abnehmen. Wenn er langsam durch die Straßen fuhr, und mit einem stereotypen Lächeln nach beiden Seiten hin grüßte, so hörte man aus der Menge Bemerkungen wie die folgenden: Voilà un roi bien nourri! – Il parait que l’exil ne l’a pas amaigri! – A déjeuner il s’est rincé les dents avec une demi-douzaine de côtelettes! Beim Einzuge Ludwigs XVIII. in Paris hatte sich sehr wenig Enthusiasmus gezeigt; aber die kleine fanatische Partei seiner bourbonistischen Anhänger setzte alle mög- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p><pb facs="#f0461" n="449"/> Paris herüber. Der Sohn Ludwigs XVI., der muthmaßlich den Namen Ludwig XVII. geführt haben würde, war in den Kerkern der Revolution gestorben, daher nannte sich der nun zurückkehrende Graf von Provence: Ludwig XVIII., und begann konsequenter Weise seine Thätigkeit damit, daß er sein erstes Besitzergreifungspatent von dem „21. Jahre seiner Regierung“ datirte. Er war ein gelehrter Herr von 59 Jahren, der den Virgil und Horaz in der Ursprache las. Seinen Reden und Antworten fehlte es nicht an geistreichen Wendungen, und man muß ihm nachrühmen, daß wenige Fürsten gleich ihm, das ungewohnte Scepter mit solcher Mäßigung geführt haben würden. </p><lb/> <p>In seiner äußeren Erscheinung freilich war Ludwig XVIII. von dem eben beseitigten Napoléon himmelweit verschieden, und die spottsüchtigen Pariser konnten es nicht unterlassen, selbst gegen ihre fremde Einquartirung sich über den neuen König lustig zu machen. Durch seinen gesegneten Appetit hatte Ludwig XVIII. eine solche Korpulenz erlangt, daß er gar nicht zu Pferde sitzen konnte. Während Napoléon hoch zu Rosse, als Sieger in 60 Schlachten kommandirt hatte, so mußte nun Ludwig XVIII. eine Parade auf dem Tuilerienhofe oder auf dem Marsfelde in einer Kutsche abnehmen. Wenn er langsam durch die Straßen fuhr, und mit einem stereotypen Lächeln nach beiden Seiten hin grüßte, so hörte man aus der Menge Bemerkungen wie die folgenden: Voilà un roi bien nourri! – Il parait que l’exil ne l’a pas amaigri! – A déjeuner il s’est rincé les dents avec une demi-douzaine de côtelettes! </p><lb/> <p>Beim Einzuge Ludwigs XVIII. in Paris hatte sich sehr wenig Enthusiasmus gezeigt; aber die kleine fanatische Partei seiner bourbonistischen Anhänger setzte alle mög- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [449/0461]
Paris herüber. Der Sohn Ludwigs XVI., der muthmaßlich den Namen Ludwig XVII. geführt haben würde, war in den Kerkern der Revolution gestorben, daher nannte sich der nun zurückkehrende Graf von Provence: Ludwig XVIII., und begann konsequenter Weise seine Thätigkeit damit, daß er sein erstes Besitzergreifungspatent von dem „21. Jahre seiner Regierung“ datirte. Er war ein gelehrter Herr von 59 Jahren, der den Virgil und Horaz in der Ursprache las. Seinen Reden und Antworten fehlte es nicht an geistreichen Wendungen, und man muß ihm nachrühmen, daß wenige Fürsten gleich ihm, das ungewohnte Scepter mit solcher Mäßigung geführt haben würden.
In seiner äußeren Erscheinung freilich war Ludwig XVIII. von dem eben beseitigten Napoléon himmelweit verschieden, und die spottsüchtigen Pariser konnten es nicht unterlassen, selbst gegen ihre fremde Einquartirung sich über den neuen König lustig zu machen. Durch seinen gesegneten Appetit hatte Ludwig XVIII. eine solche Korpulenz erlangt, daß er gar nicht zu Pferde sitzen konnte. Während Napoléon hoch zu Rosse, als Sieger in 60 Schlachten kommandirt hatte, so mußte nun Ludwig XVIII. eine Parade auf dem Tuilerienhofe oder auf dem Marsfelde in einer Kutsche abnehmen. Wenn er langsam durch die Straßen fuhr, und mit einem stereotypen Lächeln nach beiden Seiten hin grüßte, so hörte man aus der Menge Bemerkungen wie die folgenden: Voilà un roi bien nourri! – Il parait que l’exil ne l’a pas amaigri! – A déjeuner il s’est rincé les dents avec une demi-douzaine de côtelettes!
Beim Einzuge Ludwigs XVIII. in Paris hatte sich sehr wenig Enthusiasmus gezeigt; aber die kleine fanatische Partei seiner bourbonistischen Anhänger setzte alle mög-
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