Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].ihr beim Abschiede mit galanter Wendung, daß er bis an die preußische Gränze die Ehre haben werde, ihr alle Tage beim Frühstück seine Verehrung zu beweisen. Das klang etwas räthselhaft, wurde aber dennoch richtig ausgeführt. Die Reise von Berlin nach Memel mochte damals wohl 8 oder noch mehr Nachtquartiere erfordern, welche alle im Voraus genau bestimmt werden mußten, um ein nur irgend erträgliches Unterkommen zu finden. Nicolai schrieb 8 Briefe an die 8 betreffenden Postmeister, und ließ durch jeden derselben seiner Freundin Elisa beim Frühstücke einen schriftlichen Gruß überreichen. So sehr Frau von der Recke die große geschäftliche Thätigkeit und die ausgebreitete Gelehrsamkeit ihres Freundes Nicolai verehrte, so wenig konnte sie sich mit seinen vielen litterarischen Streitigkeiten einverstanden erklären. Ihr, welche die Milde und Duldung selbst war, schien es unbegreiflich, daß man wegen abweichender philosophischer oder belletristischer Ansichten sich so heftig den Krieg machte. Mehr als einmal versuchte sie es, ihren Freund von seiner allzugroßen Streitsucht abzumahnen, allein vergebens. Im Jahre 1801 hatte Fichte sein "Leben Nicolais" herausgegeben, welches so heftige Angriffe enthielt, daß die sämmtlichen Berliner Buchhändler, damals ungefähr 16, sich in der Person eines ihrer würdigsten Mitglieder für beleidigt hielten, und einstimmig erklärten: sie würden das Buch nicht debitiren. Nicolai erfuhr davon und machte bekannt, er werde es debitiren, und für jedermann so viele Exemplare, als verlangt würden, verschreiben. Frau von der Recke nahm hiervon Gelegenheit, ihrem Freunde in Betreff seiner litterarischen Klopffechtereien ihr beim Abschiede mit galanter Wendung, daß er bis an die preußische Gränze die Ehre haben werde, ihr alle Tage beim Frühstück seine Verehrung zu beweisen. Das klang etwas räthselhaft, wurde aber dennoch richtig ausgeführt. Die Reise von Berlin nach Memel mochte damals wohl 8 oder noch mehr Nachtquartiere erfordern, welche alle im Voraus genau bestimmt werden mußten, um ein nur irgend erträgliches Unterkommen zu finden. Nicolai schrieb 8 Briefe an die 8 betreffenden Postmeister, und ließ durch jeden derselben seiner Freundin Elisa beim Frühstücke einen schriftlichen Gruß überreichen. So sehr Frau von der Recke die große geschäftliche Thätigkeit und die ausgebreitete Gelehrsamkeit ihres Freundes Nicolai verehrte, so wenig konnte sie sich mit seinen vielen litterarischen Streitigkeiten einverstanden erklären. Ihr, welche die Milde und Duldung selbst war, schien es unbegreiflich, daß man wegen abweichender philosophischer oder belletristischer Ansichten sich so heftig den Krieg machte. Mehr als einmal versuchte sie es, ihren Freund von seiner allzugroßen Streitsucht abzumahnen, allein vergebens. Im Jahre 1801 hatte Fichte sein „Leben Nicolais“ herausgegeben, welches so heftige Angriffe enthielt, daß die sämmtlichen Berliner Buchhändler, damals ungefähr 16, sich in der Person eines ihrer würdigsten Mitglieder für beleidigt hielten, und einstimmig erklärten: sie würden das Buch nicht debitiren. Nicolai erfuhr davon und machte bekannt, er werde es debitiren, und für jedermann so viele Exemplare, als verlangt würden, verschreiben. Frau von der Recke nahm hiervon Gelegenheit, ihrem Freunde in Betreff seiner litterarischen Klopffechtereien <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0052" n="40"/> ihr beim Abschiede mit galanter Wendung, daß er bis an die preußische Gränze die Ehre haben werde, ihr alle Tage beim Frühstück seine Verehrung zu beweisen. Das klang etwas räthselhaft, wurde aber dennoch richtig ausgeführt. Die Reise von Berlin nach Memel mochte damals wohl 8 oder noch mehr Nachtquartiere erfordern, welche alle im Voraus genau bestimmt werden mußten, um ein nur irgend erträgliches Unterkommen zu finden. Nicolai schrieb 8 Briefe an die 8 betreffenden Postmeister, und ließ durch jeden derselben seiner Freundin Elisa beim Frühstücke einen schriftlichen Gruß überreichen. </p><lb/> <p>So sehr Frau von der Recke die große geschäftliche Thätigkeit und die ausgebreitete Gelehrsamkeit ihres Freundes Nicolai verehrte, so wenig konnte sie sich mit seinen vielen litterarischen Streitigkeiten einverstanden erklären. Ihr, welche die Milde und Duldung selbst war, schien es unbegreiflich, daß man wegen abweichender philosophischer oder belletristischer Ansichten sich so heftig den Krieg machte. Mehr als einmal versuchte sie es, ihren Freund von seiner allzugroßen Streitsucht abzumahnen, allein vergebens. </p><lb/> <p>Im Jahre 1801 hatte Fichte sein „Leben Nicolais“ herausgegeben, welches so heftige Angriffe enthielt, daß die sämmtlichen Berliner Buchhändler, damals ungefähr 16, sich in der Person eines ihrer würdigsten Mitglieder für beleidigt hielten, und einstimmig erklärten: sie würden das Buch nicht debitiren. Nicolai erfuhr davon und machte bekannt, er werde es debitiren, und für jedermann so viele Exemplare, als verlangt würden, verschreiben. </p><lb/> <p>Frau von der Recke nahm hiervon Gelegenheit, ihrem Freunde in Betreff seiner litterarischen Klopffechtereien </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [40/0052]
ihr beim Abschiede mit galanter Wendung, daß er bis an die preußische Gränze die Ehre haben werde, ihr alle Tage beim Frühstück seine Verehrung zu beweisen. Das klang etwas räthselhaft, wurde aber dennoch richtig ausgeführt. Die Reise von Berlin nach Memel mochte damals wohl 8 oder noch mehr Nachtquartiere erfordern, welche alle im Voraus genau bestimmt werden mußten, um ein nur irgend erträgliches Unterkommen zu finden. Nicolai schrieb 8 Briefe an die 8 betreffenden Postmeister, und ließ durch jeden derselben seiner Freundin Elisa beim Frühstücke einen schriftlichen Gruß überreichen.
So sehr Frau von der Recke die große geschäftliche Thätigkeit und die ausgebreitete Gelehrsamkeit ihres Freundes Nicolai verehrte, so wenig konnte sie sich mit seinen vielen litterarischen Streitigkeiten einverstanden erklären. Ihr, welche die Milde und Duldung selbst war, schien es unbegreiflich, daß man wegen abweichender philosophischer oder belletristischer Ansichten sich so heftig den Krieg machte. Mehr als einmal versuchte sie es, ihren Freund von seiner allzugroßen Streitsucht abzumahnen, allein vergebens.
Im Jahre 1801 hatte Fichte sein „Leben Nicolais“ herausgegeben, welches so heftige Angriffe enthielt, daß die sämmtlichen Berliner Buchhändler, damals ungefähr 16, sich in der Person eines ihrer würdigsten Mitglieder für beleidigt hielten, und einstimmig erklärten: sie würden das Buch nicht debitiren. Nicolai erfuhr davon und machte bekannt, er werde es debitiren, und für jedermann so viele Exemplare, als verlangt würden, verschreiben.
Frau von der Recke nahm hiervon Gelegenheit, ihrem Freunde in Betreff seiner litterarischen Klopffechtereien
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