Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].terin mit seiner gutmüthigsten schnippischen Miene: Liebes Luischen, könnten Sie mir wohl Ihren Schirm geben, aber er wird naß! - Nehmen Sie ihn man, junger Herr, war die Antwort; ich weiß schon, daß der eklige Friedrich wieder einmal gepetzt hat! Tante Jettchen hörte einmal die alte Luise ganz entsetzlich in der Küche keifen, und fragte endlich, als der Lärm gar nicht aufhören wollte, das Hausmädchen nach der Ursach. Ach, erwiederte diese seufzend. Luischen hat in der Wäsche den Rücken aus ihrer kattunenen Kontusche verloren! Es würde, wie ich glaube, schwer sein, unter den heutigen Dienstboten ein paar Exemplare, wie Friedrich und Luischen aufzufinden. Hat sich doch überhaupt das Verhältniß der dienenden Klasse zur Herrschaft im Laufe der Zeiten wunderbar verändert. Denn um von der Stellung zu schweigen, die den antiken Sklaven beim Plautus und Terenz angewiesen ist, wo sie meistens die Hauptleiter der Intriguen sind, so würden doch auch Dienstboten, wie sie bei Moliere vorkommen, jetzt kaum irgendwo anzutreffen sein, und die Rollen, welche sie in den Ifflandschen und Kotzebueschen Stücken spielen, sucht man in den heutigen dramatischen Werken vergebens. Luischen blieb 54 Jahre in unsrer Familie, und sah, als meine Kinder geboren wurden, die fünfte Generation im Hause, denn sie hatte noch Madame Schaarschmidt, Nicolais Schwiegermutter gekannt. Bei ihrem 50jährigen Jubiläum im Jahre 1820 oder 1821 ward eine kleine Feierlichkeit veranstaltet, wobei sie aus den Händen des Bischofs Ritschl unter sehr vielen Thränen eine goldne Kette und ein Geldgeschenk aus dem Gesindebelohnungsfond empfing. Tante Jettchen, welche sich viel mit Zeich- terin mit seiner gutmüthigsten schnippischen Miene: Liebes Luischen, könnten Sie mir wohl Ihren Schirm geben, aber er wird naß! – Nehmen Sie ihn man, junger Herr, war die Antwort; ich weiß schon, daß der eklige Friedrich wieder einmal gepetzt hat! Tante Jettchen hörte einmal die alte Luise ganz entsetzlich in der Küche keifen, und fragte endlich, als der Lärm gar nicht aufhören wollte, das Hausmädchen nach der Ursach. Ach, erwiederte diese seufzend. Luischen hat in der Wäsche den Rücken aus ihrer kattunenen Kontusche verloren! Es würde, wie ich glaube, schwer sein, unter den heutigen Dienstboten ein paar Exemplare, wie Friedrich und Luischen aufzufinden. Hat sich doch überhaupt das Verhältniß der dienenden Klasse zur Herrschaft im Laufe der Zeiten wunderbar verändert. Denn um von der Stellung zu schweigen, die den antiken Sklaven beim Plautus und Terenz angewiesen ist, wo sie meistens die Hauptleiter der Intriguen sind, so würden doch auch Dienstboten, wie sie bei Moliere vorkommen, jetzt kaum irgendwo anzutreffen sein, und die Rollen, welche sie in den Ifflandschen und Kotzebueschen Stücken spielen, sucht man in den heutigen dramatischen Werken vergebens. Luischen blieb 54 Jahre in unsrer Familie, und sah, als meine Kinder geboren wurden, die fünfte Generation im Hause, denn sie hatte noch Madame Schaarschmidt, Nicolais Schwiegermutter gekannt. Bei ihrem 50jährigen Jubiläum im Jahre 1820 oder 1821 ward eine kleine Feierlichkeit veranstaltet, wobei sie aus den Händen des Bischofs Ritschl unter sehr vielen Thränen eine goldne Kette und ein Geldgeschenk aus dem Gesindebelohnungsfond empfing. Tante Jettchen, welche sich viel mit Zeich- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0062" n="50"/> terin mit seiner gutmüthigsten schnippischen Miene: Liebes Luischen, könnten Sie mir wohl Ihren Schirm geben, aber er wird naß! – Nehmen Sie ihn man, junger Herr, war die Antwort; ich weiß schon, daß der eklige Friedrich wieder einmal gepetzt hat! </p><lb/> <p>Tante Jettchen hörte einmal die alte Luise ganz entsetzlich in der Küche keifen, und fragte endlich, als der Lärm gar nicht aufhören wollte, das Hausmädchen nach der Ursach. Ach, erwiederte diese seufzend. Luischen hat in der Wäsche den Rücken aus ihrer kattunenen Kontusche verloren! </p><lb/> <p>Es würde, wie ich glaube, schwer sein, unter den heutigen Dienstboten ein paar Exemplare, wie Friedrich und Luischen aufzufinden. Hat sich doch überhaupt das Verhältniß der dienenden Klasse zur Herrschaft im Laufe der Zeiten wunderbar verändert. Denn um von der Stellung zu schweigen, die den antiken Sklaven beim Plautus und Terenz angewiesen ist, wo sie meistens die Hauptleiter der Intriguen sind, so würden doch auch Dienstboten, wie sie bei Moliere vorkommen, jetzt kaum irgendwo anzutreffen sein, und die Rollen, welche sie in den Ifflandschen und Kotzebueschen Stücken spielen, sucht man in den heutigen dramatischen Werken vergebens. </p><lb/> <p>Luischen blieb 54 Jahre in unsrer Familie, und sah, als meine Kinder geboren wurden, die fünfte Generation im Hause, denn sie hatte noch Madame Schaarschmidt, Nicolais Schwiegermutter gekannt. Bei ihrem 50jährigen Jubiläum im Jahre 1820 oder 1821 ward eine kleine Feierlichkeit veranstaltet, wobei sie aus den Händen des Bischofs Ritschl unter sehr vielen Thränen eine goldne Kette und ein Geldgeschenk aus dem Gesindebelohnungsfond empfing. Tante Jettchen, welche sich viel mit Zeich- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [50/0062]
terin mit seiner gutmüthigsten schnippischen Miene: Liebes Luischen, könnten Sie mir wohl Ihren Schirm geben, aber er wird naß! – Nehmen Sie ihn man, junger Herr, war die Antwort; ich weiß schon, daß der eklige Friedrich wieder einmal gepetzt hat!
Tante Jettchen hörte einmal die alte Luise ganz entsetzlich in der Küche keifen, und fragte endlich, als der Lärm gar nicht aufhören wollte, das Hausmädchen nach der Ursach. Ach, erwiederte diese seufzend. Luischen hat in der Wäsche den Rücken aus ihrer kattunenen Kontusche verloren!
Es würde, wie ich glaube, schwer sein, unter den heutigen Dienstboten ein paar Exemplare, wie Friedrich und Luischen aufzufinden. Hat sich doch überhaupt das Verhältniß der dienenden Klasse zur Herrschaft im Laufe der Zeiten wunderbar verändert. Denn um von der Stellung zu schweigen, die den antiken Sklaven beim Plautus und Terenz angewiesen ist, wo sie meistens die Hauptleiter der Intriguen sind, so würden doch auch Dienstboten, wie sie bei Moliere vorkommen, jetzt kaum irgendwo anzutreffen sein, und die Rollen, welche sie in den Ifflandschen und Kotzebueschen Stücken spielen, sucht man in den heutigen dramatischen Werken vergebens.
Luischen blieb 54 Jahre in unsrer Familie, und sah, als meine Kinder geboren wurden, die fünfte Generation im Hause, denn sie hatte noch Madame Schaarschmidt, Nicolais Schwiegermutter gekannt. Bei ihrem 50jährigen Jubiläum im Jahre 1820 oder 1821 ward eine kleine Feierlichkeit veranstaltet, wobei sie aus den Händen des Bischofs Ritschl unter sehr vielen Thränen eine goldne Kette und ein Geldgeschenk aus dem Gesindebelohnungsfond empfing. Tante Jettchen, welche sich viel mit Zeich-
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