Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].nen beschäftigte, machte ihr wohlgetroffenes Bildniß in einem kleinen Oval, das sich lange in unsrer Famlie erhalten hat, aber endlich doch abhanden gekommen ist. Die Sitzungen konnten immer nur sehr kurz sein: denn Luischen schlief ein, sobald sie still sitzen mußte. Nach ihrem Tode trat ein Fall ein, der mir recht deutlich zu Gemüthe führte, daß Reichthum oft ein Unglück zu nennen sei. In Luischens Nachlasse fanden sich in einer alten Kommode nahe an 6000 Thlr., meist in Rollen von 50 Thlr., die sie theils durch eine Erbschaft erhalten, theils während ihrer langen Dienstzeit zurückgelegt hatte. Diese fielen ihrer Schwester und ihrem Schwager zu, gereichten ihnen aber nicht zum Segen. Die Schwester wurde von der Größe der ererbten Summe geistig geblendet; die Furcht den Reichthum zu verlieren raubte ihr Glück und Heiterkeit. Sie packte die Fünfzigthalerrollen zusammen, brachte sie nach ihrer kleinen Hofwohnung in der Stralauerstraße, schloß sie in eine Truhe, und war seitdem bis zu ihrem Tode nicht zu bewegen, das Zimmer zu verlassen, aus Furcht, daß Räuber einbrechen könnten. Der Mann hielt sich auch für einen Krösus, und wollte sich bisweilen einen guten Tag machen, allein da das Geld ihr, und nicht ihm gehörte, so bedurfte es immer der grösten Anstrengungen, um ihr nur einen Thaler abzudrängen, und das bisher friedliche Hauswesen wurde durch unablässigen Hader gestört. Da Luischen so lange Jahre schlüsselklappernd und keifend im Hause gesehn worden war, so konnte es nicht fehlen, daß sie nach ihrem Tode darin umging. Bald hörte man sie Abends über die Gallerie trippeln, bald sah man sie am hellen Tage in der Speisekammer stehn und nen beschäftigte, machte ihr wohlgetroffenes Bildniß in einem kleinen Oval, das sich lange in unsrer Famlie erhalten hat, aber endlich doch abhanden gekommen ist. Die Sitzungen konnten immer nur sehr kurz sein: denn Luischen schlief ein, sobald sie still sitzen mußte. Nach ihrem Tode trat ein Fall ein, der mir recht deutlich zu Gemüthe führte, daß Reichthum oft ein Unglück zu nennen sei. In Luischens Nachlasse fanden sich in einer alten Kommode nahe an 6000 Thlr., meist in Rollen von 50 Thlr., die sie theils durch eine Erbschaft erhalten, theils während ihrer langen Dienstzeit zurückgelegt hatte. Diese fielen ihrer Schwester und ihrem Schwager zu, gereichten ihnen aber nicht zum Segen. Die Schwester wurde von der Größe der ererbten Summe geistig geblendet; die Furcht den Reichthum zu verlieren raubte ihr Glück und Heiterkeit. Sie packte die Fünfzigthalerrollen zusammen, brachte sie nach ihrer kleinen Hofwohnung in der Stralauerstraße, schloß sie in eine Truhe, und war seitdem bis zu ihrem Tode nicht zu bewegen, das Zimmer zu verlassen, aus Furcht, daß Räuber einbrechen könnten. Der Mann hielt sich auch für einen Krösus, und wollte sich bisweilen einen guten Tag machen, allein da das Geld ihr, und nicht ihm gehörte, so bedurfte es immer der grösten Anstrengungen, um ihr nur einen Thaler abzudrängen, und das bisher friedliche Hauswesen wurde durch unablässigen Hader gestört. Da Luischen so lange Jahre schlüsselklappernd und keifend im Hause gesehn worden war, so konnte es nicht fehlen, daß sie nach ihrem Tode darin umging. Bald hörte man sie Abends über die Gallerie trippeln, bald sah man sie am hellen Tage in der Speisekammer stehn und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0063" n="51"/> nen beschäftigte, machte ihr wohlgetroffenes Bildniß in einem kleinen Oval, das sich lange in unsrer Famlie erhalten hat, aber endlich doch abhanden gekommen ist. Die Sitzungen konnten immer nur sehr kurz sein: denn Luischen schlief ein, sobald sie still sitzen mußte. </p><lb/> <p>Nach ihrem Tode trat ein Fall ein, der mir recht deutlich zu Gemüthe führte, daß Reichthum oft ein Unglück zu nennen sei. In Luischens Nachlasse fanden sich in einer alten Kommode nahe an 6000 Thlr., meist in Rollen von 50 Thlr., die sie theils durch eine Erbschaft erhalten, theils während ihrer langen Dienstzeit zurückgelegt hatte. Diese fielen ihrer Schwester und ihrem Schwager zu, gereichten ihnen aber nicht zum Segen. Die Schwester wurde von der Größe der ererbten Summe geistig geblendet; die Furcht den Reichthum zu verlieren raubte ihr Glück und Heiterkeit. Sie packte die Fünfzigthalerrollen zusammen, brachte sie nach ihrer kleinen Hofwohnung in der Stralauerstraße, schloß sie in eine Truhe, und war seitdem bis zu ihrem Tode nicht zu bewegen, das Zimmer zu verlassen, aus Furcht, daß Räuber einbrechen könnten. Der Mann hielt sich auch für einen Krösus, und wollte sich bisweilen einen guten Tag machen, allein da das Geld ihr, und nicht ihm gehörte, so bedurfte es immer der grösten Anstrengungen, um ihr nur einen Thaler abzudrängen, und das bisher friedliche Hauswesen wurde durch unablässigen Hader gestört. </p><lb/> <p>Da Luischen so lange Jahre schlüsselklappernd und keifend im Hause gesehn worden war, so konnte es nicht fehlen, daß sie nach ihrem Tode darin umging. Bald hörte man sie Abends über die Gallerie trippeln, bald sah man sie am hellen Tage in der Speisekammer stehn und </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [51/0063]
nen beschäftigte, machte ihr wohlgetroffenes Bildniß in einem kleinen Oval, das sich lange in unsrer Famlie erhalten hat, aber endlich doch abhanden gekommen ist. Die Sitzungen konnten immer nur sehr kurz sein: denn Luischen schlief ein, sobald sie still sitzen mußte.
Nach ihrem Tode trat ein Fall ein, der mir recht deutlich zu Gemüthe führte, daß Reichthum oft ein Unglück zu nennen sei. In Luischens Nachlasse fanden sich in einer alten Kommode nahe an 6000 Thlr., meist in Rollen von 50 Thlr., die sie theils durch eine Erbschaft erhalten, theils während ihrer langen Dienstzeit zurückgelegt hatte. Diese fielen ihrer Schwester und ihrem Schwager zu, gereichten ihnen aber nicht zum Segen. Die Schwester wurde von der Größe der ererbten Summe geistig geblendet; die Furcht den Reichthum zu verlieren raubte ihr Glück und Heiterkeit. Sie packte die Fünfzigthalerrollen zusammen, brachte sie nach ihrer kleinen Hofwohnung in der Stralauerstraße, schloß sie in eine Truhe, und war seitdem bis zu ihrem Tode nicht zu bewegen, das Zimmer zu verlassen, aus Furcht, daß Räuber einbrechen könnten. Der Mann hielt sich auch für einen Krösus, und wollte sich bisweilen einen guten Tag machen, allein da das Geld ihr, und nicht ihm gehörte, so bedurfte es immer der grösten Anstrengungen, um ihr nur einen Thaler abzudrängen, und das bisher friedliche Hauswesen wurde durch unablässigen Hader gestört.
Da Luischen so lange Jahre schlüsselklappernd und keifend im Hause gesehn worden war, so konnte es nicht fehlen, daß sie nach ihrem Tode darin umging. Bald hörte man sie Abends über die Gallerie trippeln, bald sah man sie am hellen Tage in der Speisekammer stehn und
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