Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].ponirte Schillersche Gedicht: Nehmt hin die Welt etc. Die kräftigen, wenn auch etwas alltäglichen Rythmen fielen angenehm ins Ohr, aber der Schluß dehnte sich ins unendliche aus. Wir zählten nach und fanden, daß die Worte: So oft du kommst, er soll dir offen sein! nicht weniger als 18 Mal wiederholt waren. Gerade in den nächsten Tagen fand sich Zelter zum Besuche ein, und mein Vater fragte ihn lachend nach der Ursache jener beispiellosen Dehnung. Ach! erwiederte Zelter halb ärgerlich, es sollte eine Arie werden! und machte das Heft zu. Dieser sonderbare Ausspruch prägte sich mir fest ein, weil Zelter damals für eine der ersten musikalischen Autoritäten Berlins galt; ich dachte oft darüber nach, ob es denn passend, oder überhaupt zulässig sei, an den Schluß der halb-humoristischen poetischen Erzählung eine ernsthafte Arie zu setzen, und als ich meinen Vater darüber befragte, erfuhr ich zu meiner Genugthuung, daß eine so unnatürliche Verbindung gegen alle Regeln der musikalischen Komposition verstoße. Ein junger Arzt aus Hannover, Dr. Kohlrausch, ein Neffe des Pädagogen, war an Nicolai empfohlen, und kam recht häufig zu den einfachen Abendmahlzeiten. Er übertraf Zeltern noch an Größe, hatte aber ein durchaus feines elegantes Betragen und sprach mehrere Sprachen mit großer Geläufigkeit. Bei einem mehrjährigen Aufenthalte in Italien hatte er schöne Kunstsachen erworben, war mit Wilhelm v. Humboldt bekannt, und von diesem nach Berlin gezogen worden. Wir konnten gar bald bemerken, daß er der Tante Jettchen große Aufmerksamkeiten bewies. Er heirathete sie später i. J. 1816 und trat als Geheimer Medizinalrath in das Altensteinsche Ministerium. Im Ge- ponirte Schillersche Gedicht: Nehmt hin die Welt etc. Die kräftigen, wenn auch etwas alltäglichen Rythmen fielen angenehm ins Ohr, aber der Schluß dehnte sich ins unendliche aus. Wir zählten nach und fanden, daß die Worte: So oft du kommst, er soll dir offen sein! nicht weniger als 18 Mal wiederholt waren. Gerade in den nächsten Tagen fand sich Zelter zum Besuche ein, und mein Vater fragte ihn lachend nach der Ursache jener beispiellosen Dehnung. Ach! erwiederte Zelter halb ärgerlich, es sollte eine Arie werden! und machte das Heft zu. Dieser sonderbare Ausspruch prägte sich mir fest ein, weil Zelter damals für eine der ersten musikalischen Autoritäten Berlins galt; ich dachte oft darüber nach, ob es denn passend, oder überhaupt zulässig sei, an den Schluß der halb-humoristischen poetischen Erzählung eine ernsthafte Arie zu setzen, und als ich meinen Vater darüber befragte, erfuhr ich zu meiner Genugthuung, daß eine so unnatürliche Verbindung gegen alle Regeln der musikalischen Komposition verstoße. Ein junger Arzt aus Hannover, Dr. Kohlrausch, ein Neffe des Pädagogen, war an Nicolai empfohlen, und kam recht häufig zu den einfachen Abendmahlzeiten. Er übertraf Zeltern noch an Größe, hatte aber ein durchaus feines elegantes Betragen und sprach mehrere Sprachen mit großer Geläufigkeit. Bei einem mehrjährigen Aufenthalte in Italien hatte er schöne Kunstsachen erworben, war mit Wilhelm v. Humboldt bekannt, und von diesem nach Berlin gezogen worden. Wir konnten gar bald bemerken, daß er der Tante Jettchen große Aufmerksamkeiten bewies. Er heirathete sie später i. J. 1816 und trat als Geheimer Medizinalrath in das Altensteinsche Ministerium. Im Ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0074" n="62"/> ponirte Schillersche Gedicht: Nehmt hin die Welt etc. Die kräftigen, wenn auch etwas alltäglichen Rythmen fielen angenehm ins Ohr, aber der Schluß dehnte sich ins unendliche aus. Wir zählten nach und fanden, daß die Worte: So oft du kommst, er soll dir offen sein! nicht weniger als 18 Mal wiederholt waren. Gerade in den nächsten Tagen fand sich Zelter zum Besuche ein, und mein Vater fragte ihn lachend nach der Ursache jener beispiellosen Dehnung. Ach! erwiederte Zelter halb ärgerlich, es sollte eine Arie werden! und machte das Heft zu. Dieser sonderbare Ausspruch prägte sich mir fest ein, weil Zelter damals für eine der ersten musikalischen Autoritäten Berlins galt; ich dachte oft darüber nach, ob es denn passend, oder überhaupt zulässig sei, an den Schluß der halb-humoristischen poetischen Erzählung eine ernsthafte Arie zu setzen, und als ich meinen Vater darüber befragte, erfuhr ich zu meiner Genugthuung, daß eine so unnatürliche Verbindung gegen alle Regeln der musikalischen Komposition verstoße. </p><lb/> <p>Ein junger Arzt aus Hannover, Dr. Kohlrausch, ein Neffe des Pädagogen, war an Nicolai empfohlen, und kam recht häufig zu den einfachen Abendmahlzeiten. Er übertraf Zeltern noch an Größe, hatte aber ein durchaus feines elegantes Betragen und sprach mehrere Sprachen mit großer Geläufigkeit. Bei einem mehrjährigen Aufenthalte in Italien hatte er schöne Kunstsachen erworben, war mit Wilhelm v. Humboldt bekannt, und von diesem nach Berlin gezogen worden. Wir konnten gar bald bemerken, daß er der Tante Jettchen große Aufmerksamkeiten bewies. Er heirathete sie später i. J. 1816 und trat als Geheimer Medizinalrath in das Altensteinsche Ministerium. Im Ge- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [62/0074]
ponirte Schillersche Gedicht: Nehmt hin die Welt etc. Die kräftigen, wenn auch etwas alltäglichen Rythmen fielen angenehm ins Ohr, aber der Schluß dehnte sich ins unendliche aus. Wir zählten nach und fanden, daß die Worte: So oft du kommst, er soll dir offen sein! nicht weniger als 18 Mal wiederholt waren. Gerade in den nächsten Tagen fand sich Zelter zum Besuche ein, und mein Vater fragte ihn lachend nach der Ursache jener beispiellosen Dehnung. Ach! erwiederte Zelter halb ärgerlich, es sollte eine Arie werden! und machte das Heft zu. Dieser sonderbare Ausspruch prägte sich mir fest ein, weil Zelter damals für eine der ersten musikalischen Autoritäten Berlins galt; ich dachte oft darüber nach, ob es denn passend, oder überhaupt zulässig sei, an den Schluß der halb-humoristischen poetischen Erzählung eine ernsthafte Arie zu setzen, und als ich meinen Vater darüber befragte, erfuhr ich zu meiner Genugthuung, daß eine so unnatürliche Verbindung gegen alle Regeln der musikalischen Komposition verstoße.
Ein junger Arzt aus Hannover, Dr. Kohlrausch, ein Neffe des Pädagogen, war an Nicolai empfohlen, und kam recht häufig zu den einfachen Abendmahlzeiten. Er übertraf Zeltern noch an Größe, hatte aber ein durchaus feines elegantes Betragen und sprach mehrere Sprachen mit großer Geläufigkeit. Bei einem mehrjährigen Aufenthalte in Italien hatte er schöne Kunstsachen erworben, war mit Wilhelm v. Humboldt bekannt, und von diesem nach Berlin gezogen worden. Wir konnten gar bald bemerken, daß er der Tante Jettchen große Aufmerksamkeiten bewies. Er heirathete sie später i. J. 1816 und trat als Geheimer Medizinalrath in das Altensteinsche Ministerium. Im Ge-
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