Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].quartier sandte. Der Brief war in des Kaisers Händen, Hatzfeld saß gefangen, und sollte demnächst erschossen werden. Daß es einem preußischen Beamten zum Verbrechen gereichen könne, seinem Landesherrn von der Stärke des Feindes Kunde zu geben, wollte niemandem von uns in den Sinn, aber so viel stand fest, daß Napoleon beschlossen hatte, ihn erschießen zu lassen. Die Fürstin v. Hatzfeld, hoch in andern Umständen, erbat sich eine Audienz beim Kaiser, fiel ihm zu Füßen, und flehte um das Leben ihres Mannes. Napoleon tröstete sie mit einigen herablassenden Worten, warf vor ihren Augen den verhängnißvollen Brief in das Kaminfeuer und ließ den Fürsten frei. Dies war ohne Zweifel ein edelmüthiger Zug, allein man bemerkte darüber mit Recht, nur ein ganz entmenschter Barbar habe einer edlen Frau in solchen Umständen die Gnade für ihren Mann versagen können. Napoleon verließ Berlin nach ungefähr 4 Wochen, um den Krieg weiter nach Osten zu tragen, allein trotz der Ueberlegenheit seiner Truppen, und trotz des schmähligen Falles so vieler preußischen Festungen, gelang es ihm nicht, den Feldzug, wie er sonst wohl pflegte, im Laufe eines Jahres zu beendigen. Im Winter 1806-1807 leisteten die Preußen und Russen einen zähen Widerstand; die grundlosen Wege in dem durch Schnee und Regen aufgeweichten Boden veranlaßten den Kaiser Napoleon zu dem Witzworte: er habe hier ein fünftes Element, den Koth kennen gelernt. Wenn in Berlin längere Zeit hindurch keine Nachrichten von der Armee ankamen, so fing man gleich wieder an zu hoffen, und abentheuerliche Gerüchte von Niederlagen der Franzosen kamen in Umlauf. Ganz besonders geschah dies nach der Schlacht bei quartier sandte. Der Brief war in des Kaisers Händen, Hatzfeld saß gefangen, und sollte demnächst erschossen werden. Daß es einem preußischen Beamten zum Verbrechen gereichen könne, seinem Landesherrn von der Stärke des Feindes Kunde zu geben, wollte niemandem von uns in den Sinn, aber so viel stand fest, daß Napoléon beschlossen hatte, ihn erschießen zu lassen. Die Fürstin v. Hatzfeld, hoch in andern Umständen, erbat sich eine Audienz beim Kaiser, fiel ihm zu Füßen, und flehte um das Leben ihres Mannes. Napoléon tröstete sie mit einigen herablassenden Worten, warf vor ihren Augen den verhängnißvollen Brief in das Kaminfeuer und ließ den Fürsten frei. Dies war ohne Zweifel ein edelmüthiger Zug, allein man bemerkte darüber mit Recht, nur ein ganz entmenschter Barbar habe einer edlen Frau in solchen Umständen die Gnade für ihren Mann versagen können. Napoléon verließ Berlin nach ungefähr 4 Wochen, um den Krieg weiter nach Osten zu tragen, allein trotz der Ueberlegenheit seiner Truppen, und trotz des schmähligen Falles so vieler preußischen Festungen, gelang es ihm nicht, den Feldzug, wie er sonst wohl pflegte, im Laufe eines Jahres zu beendigen. Im Winter 1806–1807 leisteten die Preußen und Russen einen zähen Widerstand; die grundlosen Wege in dem durch Schnee und Regen aufgeweichten Boden veranlaßten den Kaiser Napoléon zu dem Witzworte: er habe hier ein fünftes Element, den Koth kennen gelernt. Wenn in Berlin längere Zeit hindurch keine Nachrichten von der Armee ankamen, so fing man gleich wieder an zu hoffen, und abentheuerliche Gerüchte von Niederlagen der Franzosen kamen in Umlauf. Ganz besonders geschah dies nach der Schlacht bei <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0090" n="78"/> quartier sandte. Der Brief war in des Kaisers Händen, Hatzfeld saß gefangen, und sollte demnächst erschossen werden. Daß es einem preußischen Beamten zum Verbrechen gereichen könne, seinem Landesherrn von der Stärke des Feindes Kunde zu geben, wollte niemandem von uns in den Sinn, aber so viel stand fest, daß Napoléon beschlossen hatte, ihn erschießen zu lassen. Die Fürstin v. Hatzfeld, hoch in andern Umständen, erbat sich eine Audienz beim Kaiser, fiel ihm zu Füßen, und flehte um das Leben ihres Mannes. Napoléon tröstete sie mit einigen herablassenden Worten, warf vor ihren Augen den verhängnißvollen Brief in das Kaminfeuer und ließ den Fürsten frei. 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quartier sandte. Der Brief war in des Kaisers Händen, Hatzfeld saß gefangen, und sollte demnächst erschossen werden. Daß es einem preußischen Beamten zum Verbrechen gereichen könne, seinem Landesherrn von der Stärke des Feindes Kunde zu geben, wollte niemandem von uns in den Sinn, aber so viel stand fest, daß Napoléon beschlossen hatte, ihn erschießen zu lassen. Die Fürstin v. Hatzfeld, hoch in andern Umständen, erbat sich eine Audienz beim Kaiser, fiel ihm zu Füßen, und flehte um das Leben ihres Mannes. Napoléon tröstete sie mit einigen herablassenden Worten, warf vor ihren Augen den verhängnißvollen Brief in das Kaminfeuer und ließ den Fürsten frei. Dies war ohne Zweifel ein edelmüthiger Zug, allein man bemerkte darüber mit Recht, nur ein ganz entmenschter Barbar habe einer edlen Frau in solchen Umständen die Gnade für ihren Mann versagen können.
Napoléon verließ Berlin nach ungefähr 4 Wochen, um den Krieg weiter nach Osten zu tragen, allein trotz der Ueberlegenheit seiner Truppen, und trotz des schmähligen Falles so vieler preußischen Festungen, gelang es ihm nicht, den Feldzug, wie er sonst wohl pflegte, im Laufe eines Jahres zu beendigen. Im Winter 1806–1807 leisteten die Preußen und Russen einen zähen Widerstand; die grundlosen Wege in dem durch Schnee und Regen aufgeweichten Boden veranlaßten den Kaiser Napoléon zu dem Witzworte: er habe hier ein fünftes Element, den Koth kennen gelernt. Wenn in Berlin längere Zeit hindurch keine Nachrichten von der Armee ankamen, so fing man gleich wieder an zu hoffen, und abentheuerliche Gerüchte von Niederlagen der Franzosen kamen in Umlauf. Ganz besonders geschah dies nach der Schlacht bei
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