Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

Eilau, die unter der Hand als ein Sieg der Russen und Preußen verkündigt ward. Allein nur zu bald kam die traurige Gewisheit vom Gegentheile. Zwar wollte man wissen, Napoleon habe sich, nach mehreren vergeblichen Versuchen, das preußische Centrum zu sprengen, am Abend erschöpft zurückgezogen; in seinem Nachtquartier angekommen, habe er den ihn begleitenden General gefragt: que faire, s'ils nous suivent? doch jener habe ganz ruhig erwiedert: Sire, soyez tranquille, ils ne nous suivront pas! Bei den folgenden Operationen war das Kriegsglück den Franzosen günstig, erst als der König von Preußen in die äußerste Nordostecke seines Reiches zurückgedrängt, und 9/10 seiner Staaten in Feindeshand waren, entschloß er sich zum Frieden, bei dem sein persönlicher Freund, der Kaiser Alexander von Rußland die Rolle des grosmüthigen Vermittlers übernahm. So kam denn am 8. Juli 1807 der Friede von Tilsit auf einem Flosse über den Niemen zu Stande. Napoleon hatte soviel von der Schönheit der Königin Luise gehört, daß er den Wunsch aussprach, sie bei dieser Zusammenkunft gegenwärtig zu sehn. Der Wunsch des Ueberwinders war soviel als ein Befehl, und mit gebrochenem Herzen reiste die edle Fürstin nach Tilsit. Sie soll, wie es hieß, einige Versuche gemacht haben, für ihr Land günstigere Bedingungen zu erlangen, allein der stolze Sieger blieb unerbittlich. Preußen behielt nach diesem Frieden ungefähr 5 Millionen Einwohner.

Die Niedergeschlagenheit über die traurige Unterjochung war in Berlin allgemein, und beim Volke um so größer, da mit Ausnahme der übermüthigen Offiziere vor dem Kriege niemand eine frohe Siegeszuversicht gehabt hatte. Nun tadelte man mit Recht und mit Unrecht den

Eilau, die unter der Hand als ein Sieg der Russen und Preußen verkündigt ward. Allein nur zu bald kam die traurige Gewisheit vom Gegentheile. Zwar wollte man wissen, Napoléon habe sich, nach mehreren vergeblichen Versuchen, das preußische Centrum zu sprengen, am Abend erschöpft zurückgezogen; in seinem Nachtquartier angekommen, habe er den ihn begleitenden General gefragt: que faire, s’ils nous suivent? doch jener habe ganz ruhig erwiedert: Sire, soyez tranquille, ils ne nous suivront pas! Bei den folgenden Operationen war das Kriegsglück den Franzosen günstig, erst als der König von Preußen in die äußerste Nordostecke seines Reiches zurückgedrängt, und 9/10 seiner Staaten in Feindeshand waren, entschloß er sich zum Frieden, bei dem sein persönlicher Freund, der Kaiser Alexander von Rußland die Rolle des grosmüthigen Vermittlers übernahm. So kam denn am 8. Juli 1807 der Friede von Tilsit auf einem Flosse über den Niemen zu Stande. Napoléon hatte soviel von der Schönheit der Königin Luise gehört, daß er den Wunsch aussprach, sie bei dieser Zusammenkunft gegenwärtig zu sehn. Der Wunsch des Ueberwinders war soviel als ein Befehl, und mit gebrochenem Herzen reiste die edle Fürstin nach Tilsit. Sie soll, wie es hieß, einige Versuche gemacht haben, für ihr Land günstigere Bedingungen zu erlangen, allein der stolze Sieger blieb unerbittlich. Preußen behielt nach diesem Frieden ungefähr 5 Millionen Einwohner.

Die Niedergeschlagenheit über die traurige Unterjochung war in Berlin allgemein, und beim Volke um so größer, da mit Ausnahme der übermüthigen Offiziere vor dem Kriege niemand eine frohe Siegeszuversicht gehabt hatte. Nun tadelte man mit Recht und mit Unrecht den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0091" n="79"/>
Eilau, die unter der Hand als ein Sieg der Russen und Preußen verkündigt ward. Allein nur zu bald kam die traurige Gewisheit vom Gegentheile. Zwar wollte man wissen, Napoléon habe sich, nach mehreren vergeblichen Versuchen, das preußische Centrum zu sprengen, am Abend erschöpft zurückgezogen; in seinem Nachtquartier angekommen, habe er den ihn begleitenden General gefragt: que faire, s&#x2019;ils nous suivent? doch jener habe ganz ruhig erwiedert: Sire, soyez tranquille, ils ne nous suivront pas! Bei den folgenden Operationen war das Kriegsglück den Franzosen günstig, erst als der König von Preußen in die äußerste Nordostecke seines Reiches zurückgedrängt, und 9/10 seiner Staaten in Feindeshand waren, entschloß er sich zum Frieden, bei dem sein persönlicher Freund, der Kaiser Alexander von Rußland die Rolle des grosmüthigen Vermittlers übernahm. So kam denn am 8. Juli 1807 der Friede von Tilsit auf einem Flosse über den Niemen zu Stande. Napoléon hatte soviel von der Schönheit der Königin Luise gehört, daß er den Wunsch aussprach, sie bei dieser Zusammenkunft gegenwärtig zu sehn. Der Wunsch des Ueberwinders war soviel als ein Befehl, und mit gebrochenem Herzen reiste die edle Fürstin nach Tilsit. Sie soll, wie es hieß, einige Versuche gemacht haben, für ihr Land günstigere Bedingungen zu erlangen, allein der stolze Sieger blieb unerbittlich. Preußen behielt nach diesem Frieden ungefähr 5 Millionen Einwohner. </p><lb/>
          <p>Die Niedergeschlagenheit über die traurige Unterjochung war in Berlin allgemein, und beim Volke um so größer, da mit Ausnahme der übermüthigen Offiziere vor dem Kriege niemand eine frohe Siegeszuversicht gehabt hatte. Nun tadelte man mit Recht und mit Unrecht den
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0091] Eilau, die unter der Hand als ein Sieg der Russen und Preußen verkündigt ward. Allein nur zu bald kam die traurige Gewisheit vom Gegentheile. Zwar wollte man wissen, Napoléon habe sich, nach mehreren vergeblichen Versuchen, das preußische Centrum zu sprengen, am Abend erschöpft zurückgezogen; in seinem Nachtquartier angekommen, habe er den ihn begleitenden General gefragt: que faire, s’ils nous suivent? doch jener habe ganz ruhig erwiedert: Sire, soyez tranquille, ils ne nous suivront pas! Bei den folgenden Operationen war das Kriegsglück den Franzosen günstig, erst als der König von Preußen in die äußerste Nordostecke seines Reiches zurückgedrängt, und 9/10 seiner Staaten in Feindeshand waren, entschloß er sich zum Frieden, bei dem sein persönlicher Freund, der Kaiser Alexander von Rußland die Rolle des grosmüthigen Vermittlers übernahm. So kam denn am 8. Juli 1807 der Friede von Tilsit auf einem Flosse über den Niemen zu Stande. Napoléon hatte soviel von der Schönheit der Königin Luise gehört, daß er den Wunsch aussprach, sie bei dieser Zusammenkunft gegenwärtig zu sehn. Der Wunsch des Ueberwinders war soviel als ein Befehl, und mit gebrochenem Herzen reiste die edle Fürstin nach Tilsit. Sie soll, wie es hieß, einige Versuche gemacht haben, für ihr Land günstigere Bedingungen zu erlangen, allein der stolze Sieger blieb unerbittlich. Preußen behielt nach diesem Frieden ungefähr 5 Millionen Einwohner. Die Niedergeschlagenheit über die traurige Unterjochung war in Berlin allgemein, und beim Volke um so größer, da mit Ausnahme der übermüthigen Offiziere vor dem Kriege niemand eine frohe Siegeszuversicht gehabt hatte. Nun tadelte man mit Recht und mit Unrecht den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/91
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/91>, abgerufen am 17.05.2024.