Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

König, die Minister, die Generale, die Einrichtung des Heeres, die schlechte diplomatische Vertretung, die Haltungslosigkeit der Beamten u. s. w. Wenn wir Kinder auch nur den kleinsten Theil der Discussionen verstanden, denen wir hochaufhorchend zuhörten, so hatten wir doch das sehr deutliche Gefühl, daß Preußen völlig herabgedrückt, zu unerhörten Kriegskontributionen verdammt und namenlos unglücklich sei.

Den Grosvater Nicolai sahen wir aufs tiefste gebeugt, am Abendtische schweigsam und in sich gekehrt; mein Vater, obgleich von Natur ein Optimist, konnte doch seine große Niedergeschlagenheit nicht verbergen; der Grosvater Eichmann versuchte es wohl, den Blick in eine bessere Zukunft zu öffnen, doch ohne vielen Erfolg; seiner fließenden und entschiedenen Rede hörte ich mit großer Aufmerksamkeit zu, konnte aber bald bemerken, daß nach den langen politischen Gesprächen jeder bei seiner Meinung blieb. Sehr wohl ist mir erinnerlich, daß eines Abends der Grosvater Eichmann ausrief: es fehlt uns nur an den rechten Leuten! Friedrich der Große hatte kaum 3 Millionen Unterthanen, als er den ersten schlesischen Krieg begann!

So gingen die Jahre der französischen Gewaltherrschaft langsam dahin. Waren sie auch nicht im Stande, den Frohsinn der kindlichen Gemüther im Genusse des Augenblickes ganz niederzuhalten, so übten sie doch einen bleiernden [sic] Druck bei jeder Gelegenheit, wo der Blick sich zur allgemeinen Betrachtung der häuslichen, bürgerlichen und staatlichen Verhältnisse erheben wollte.

Die großen freisinnigen Reformen vom Jahre 1808, welche später den ganzen Staat umgestalteten, wurden

König, die Minister, die Generale, die Einrichtung des Heeres, die schlechte diplomatische Vertretung, die Haltungslosigkeit der Beamten u. s. w. Wenn wir Kinder auch nur den kleinsten Theil der Discussionen verstanden, denen wir hochaufhorchend zuhörten, so hatten wir doch das sehr deutliche Gefühl, daß Preußen völlig herabgedrückt, zu unerhörten Kriegskontributionen verdammt und namenlos unglücklich sei.

Den Grosvater Nicolai sahen wir aufs tiefste gebeugt, am Abendtische schweigsam und in sich gekehrt; mein Vater, obgleich von Natur ein Optimist, konnte doch seine große Niedergeschlagenheit nicht verbergen; der Grosvater Eichmann versuchte es wohl, den Blick in eine bessere Zukunft zu öffnen, doch ohne vielen Erfolg; seiner fließenden und entschiedenen Rede hörte ich mit großer Aufmerksamkeit zu, konnte aber bald bemerken, daß nach den langen politischen Gesprächen jeder bei seiner Meinung blieb. Sehr wohl ist mir erinnerlich, daß eines Abends der Grosvater Eichmann ausrief: es fehlt uns nur an den rechten Leuten! Friedrich der Große hatte kaum 3 Millionen Unterthanen, als er den ersten schlesischen Krieg begann!

So gingen die Jahre der französischen Gewaltherrschaft langsam dahin. Waren sie auch nicht im Stande, den Frohsinn der kindlichen Gemüther im Genusse des Augenblickes ganz niederzuhalten, so übten sie doch einen bleiernden [sic] Druck bei jeder Gelegenheit, wo der Blick sich zur allgemeinen Betrachtung der häuslichen, bürgerlichen und staatlichen Verhältnisse erheben wollte.

Die großen freisinnigen Reformen vom Jahre 1808, welche später den ganzen Staat umgestalteten, wurden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0092" n="80"/>
König, die Minister, die Generale, die Einrichtung des Heeres, die schlechte diplomatische Vertretung, die Haltungslosigkeit der Beamten u. s. w. Wenn wir Kinder auch nur den kleinsten Theil der Discussionen verstanden, denen wir hochaufhorchend zuhörten, so hatten wir doch das sehr deutliche Gefühl, daß Preußen völlig herabgedrückt, zu unerhörten Kriegskontributionen verdammt und namenlos unglücklich sei. </p><lb/>
          <p>Den Grosvater Nicolai sahen wir aufs tiefste gebeugt, am Abendtische schweigsam und in sich gekehrt; mein Vater, obgleich von Natur ein Optimist, konnte doch seine große Niedergeschlagenheit nicht verbergen; der Grosvater Eichmann versuchte es wohl, den Blick in eine bessere Zukunft zu öffnen, doch ohne vielen Erfolg; seiner fließenden und entschiedenen Rede hörte ich mit großer Aufmerksamkeit zu, konnte aber bald bemerken, daß nach den langen politischen Gesprächen jeder bei seiner Meinung blieb. Sehr wohl ist mir erinnerlich, daß eines Abends der Grosvater Eichmann ausrief: es fehlt uns nur an den rechten Leuten! Friedrich der Große hatte kaum 3 Millionen Unterthanen, als er den ersten schlesischen Krieg begann!</p><lb/>
          <p>So gingen die Jahre der französischen Gewaltherrschaft langsam dahin. Waren sie auch nicht im Stande, den Frohsinn der kindlichen Gemüther im Genusse des Augenblickes ganz niederzuhalten, so übten sie doch einen bleiernden [sic] Druck bei jeder Gelegenheit, wo der Blick sich zur allgemeinen Betrachtung der häuslichen, bürgerlichen und staatlichen Verhältnisse erheben wollte. </p><lb/>
          <p>Die großen freisinnigen Reformen vom Jahre 1808, welche später den ganzen Staat umgestalteten, wurden
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0092] König, die Minister, die Generale, die Einrichtung des Heeres, die schlechte diplomatische Vertretung, die Haltungslosigkeit der Beamten u. s. w. Wenn wir Kinder auch nur den kleinsten Theil der Discussionen verstanden, denen wir hochaufhorchend zuhörten, so hatten wir doch das sehr deutliche Gefühl, daß Preußen völlig herabgedrückt, zu unerhörten Kriegskontributionen verdammt und namenlos unglücklich sei. Den Grosvater Nicolai sahen wir aufs tiefste gebeugt, am Abendtische schweigsam und in sich gekehrt; mein Vater, obgleich von Natur ein Optimist, konnte doch seine große Niedergeschlagenheit nicht verbergen; der Grosvater Eichmann versuchte es wohl, den Blick in eine bessere Zukunft zu öffnen, doch ohne vielen Erfolg; seiner fließenden und entschiedenen Rede hörte ich mit großer Aufmerksamkeit zu, konnte aber bald bemerken, daß nach den langen politischen Gesprächen jeder bei seiner Meinung blieb. Sehr wohl ist mir erinnerlich, daß eines Abends der Grosvater Eichmann ausrief: es fehlt uns nur an den rechten Leuten! Friedrich der Große hatte kaum 3 Millionen Unterthanen, als er den ersten schlesischen Krieg begann! So gingen die Jahre der französischen Gewaltherrschaft langsam dahin. Waren sie auch nicht im Stande, den Frohsinn der kindlichen Gemüther im Genusse des Augenblickes ganz niederzuhalten, so übten sie doch einen bleiernden [sic] Druck bei jeder Gelegenheit, wo der Blick sich zur allgemeinen Betrachtung der häuslichen, bürgerlichen und staatlichen Verhältnisse erheben wollte. Die großen freisinnigen Reformen vom Jahre 1808, welche später den ganzen Staat umgestalteten, wurden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/92
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/92>, abgerufen am 24.11.2024.