Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].damals von den Meisten ohne Theilnahme, von Vielen mit Mistrauen, von Manchen sogar mit Widerwillen aufgenommen. Der Grosvater Eichmann erkannte wohl die Trefflichkeit der neuen Maßregeln, aber seine Anschauung wurzelte in der absolutistischen Regierungsweise Friedrichs. "Das nimmt sich auf dem Papiere alles sehr schön aus", sagte er, "aber mich soll nur wundern, ob die Praxis mit der Theorie gleichen Schritt halten wird?" Im Jahre 1810 war die Königin Luise zu ihren Verwandten nach Meklenburg gereist. Bald verbreitete sich in der Stadt die Nachricht, sie sei gefährlich erkrankt. Obgleich es dort an ärztlicher Hülfe nicht fehlte, so wurde doch der Dr. Heim, Berlins berühmtester Arzt, in aller Eile nach Strelitz berufen; allein er kam zu spät. Nach kurzem Krankenlager verschied die Königin am 19. Juli 1810, umgeben von ihrem Manne und ihren 7 Kindern. Wie man allgemein annahm, so hatte das Unglück des Vaterlandes ihr das Herz gebrochen. Dieser Schlag war um so härter, als er nicht nur das glücklichste Familienband zerriß, sondern auch auf die politischen Angelegenheiten nicht ohne Einfluß blieb. Die Ehe des preußischen Königspaares leuchtete dem ganzen Lande als ein Muster von Treue und Einfachheit voran. Sie bildete einen wohlthuenden Gegensatz gegen die heillose Maitressenwirthschaft unter Friedrich Wilhelm II. Man wußte überdies sehr wohl im Publikum, daß die Königin Luise ihrem geistig sehr unbedeutenden Gemahle bei allen wichtigen politischen Fragen als Rathgeberin zur Seite gestanden. Besonders war dies in allen den Fällen zur Geltung gekommen, wo es sich darum damals von den Meisten ohne Theilnahme, von Vielen mit Mistrauen, von Manchen sogar mit Widerwillen aufgenommen. Der Grosvater Eichmann erkannte wohl die Trefflichkeit der neuen Maßregeln, aber seine Anschauung wurzelte in der absolutistischen Regierungsweise Friedrichs. „Das nimmt sich auf dem Papiere alles sehr schön aus“, sagte er, „aber mich soll nur wundern, ob die Praxis mit der Theorie gleichen Schritt halten wird?“ Im Jahre 1810 war die Königin Luise zu ihren Verwandten nach Meklenburg gereist. Bald verbreitete sich in der Stadt die Nachricht, sie sei gefährlich erkrankt. Obgleich es dort an ärztlicher Hülfe nicht fehlte, so wurde doch der Dr. Heim, Berlins berühmtester Arzt, in aller Eile nach Strelitz berufen; allein er kam zu spät. Nach kurzem Krankenlager verschied die Königin am 19. Juli 1810, umgeben von ihrem Manne und ihren 7 Kindern. Wie man allgemein annahm, so hatte das Unglück des Vaterlandes ihr das Herz gebrochen. Dieser Schlag war um so härter, als er nicht nur das glücklichste Familienband zerriß, sondern auch auf die politischen Angelegenheiten nicht ohne Einfluß blieb. Die Ehe des preußischen Königspaares leuchtete dem ganzen Lande als ein Muster von Treue und Einfachheit voran. Sie bildete einen wohlthuenden Gegensatz gegen die heillose Maitressenwirthschaft unter Friedrich Wilhelm II. Man wußte überdies sehr wohl im Publikum, daß die Königin Luise ihrem geistig sehr unbedeutenden Gemahle bei allen wichtigen politischen Fragen als Rathgeberin zur Seite gestanden. Besonders war dies in allen den Fällen zur Geltung gekommen, wo es sich darum <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0093" n="81"/> damals von den Meisten ohne Theilnahme, von Vielen mit Mistrauen, von Manchen sogar mit Widerwillen aufgenommen. Der Grosvater Eichmann erkannte wohl die Trefflichkeit der neuen Maßregeln, aber seine Anschauung wurzelte in der absolutistischen Regierungsweise Friedrichs. „Das nimmt sich auf dem Papiere alles sehr schön aus“, sagte er, „aber mich soll nur wundern, ob die Praxis mit der Theorie gleichen Schritt halten wird?“</p><lb/> <p>Im Jahre 1810 war die Königin Luise zu ihren Verwandten nach Meklenburg gereist. Bald verbreitete sich in der Stadt die Nachricht, sie sei gefährlich erkrankt. Obgleich es dort an ärztlicher Hülfe nicht fehlte, so wurde doch der Dr. Heim, Berlins berühmtester Arzt, in aller Eile nach Strelitz berufen; allein er kam zu spät. Nach kurzem Krankenlager verschied die Königin am 19. Juli 1810, umgeben von ihrem Manne und ihren 7 Kindern. Wie man allgemein annahm, so hatte das Unglück des Vaterlandes ihr das Herz gebrochen. </p><lb/> <p>Dieser Schlag war um so härter, als er nicht nur das glücklichste Familienband zerriß, sondern auch auf die politischen Angelegenheiten nicht ohne Einfluß blieb. Die Ehe des preußischen Königspaares leuchtete dem ganzen Lande als ein Muster von Treue und Einfachheit voran. Sie bildete einen wohlthuenden Gegensatz gegen die heillose Maitressenwirthschaft unter Friedrich Wilhelm II. Man wußte überdies sehr wohl im Publikum, daß die Königin Luise ihrem geistig sehr unbedeutenden Gemahle bei allen wichtigen politischen Fragen als Rathgeberin zur Seite gestanden. Besonders war dies in allen den Fällen zur Geltung gekommen, wo es sich darum </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [81/0093]
damals von den Meisten ohne Theilnahme, von Vielen mit Mistrauen, von Manchen sogar mit Widerwillen aufgenommen. Der Grosvater Eichmann erkannte wohl die Trefflichkeit der neuen Maßregeln, aber seine Anschauung wurzelte in der absolutistischen Regierungsweise Friedrichs. „Das nimmt sich auf dem Papiere alles sehr schön aus“, sagte er, „aber mich soll nur wundern, ob die Praxis mit der Theorie gleichen Schritt halten wird?“
Im Jahre 1810 war die Königin Luise zu ihren Verwandten nach Meklenburg gereist. Bald verbreitete sich in der Stadt die Nachricht, sie sei gefährlich erkrankt. Obgleich es dort an ärztlicher Hülfe nicht fehlte, so wurde doch der Dr. Heim, Berlins berühmtester Arzt, in aller Eile nach Strelitz berufen; allein er kam zu spät. Nach kurzem Krankenlager verschied die Königin am 19. Juli 1810, umgeben von ihrem Manne und ihren 7 Kindern. Wie man allgemein annahm, so hatte das Unglück des Vaterlandes ihr das Herz gebrochen.
Dieser Schlag war um so härter, als er nicht nur das glücklichste Familienband zerriß, sondern auch auf die politischen Angelegenheiten nicht ohne Einfluß blieb. Die Ehe des preußischen Königspaares leuchtete dem ganzen Lande als ein Muster von Treue und Einfachheit voran. Sie bildete einen wohlthuenden Gegensatz gegen die heillose Maitressenwirthschaft unter Friedrich Wilhelm II. Man wußte überdies sehr wohl im Publikum, daß die Königin Luise ihrem geistig sehr unbedeutenden Gemahle bei allen wichtigen politischen Fragen als Rathgeberin zur Seite gestanden. Besonders war dies in allen den Fällen zur Geltung gekommen, wo es sich darum
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