Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

kam das Gespräch auf unser Theater, und meine Schwester sagte: Das Puppenspiel fängt nach gerade an, mich zu langweilen, da ihr gar keine Neuigkeiten mehr bringt. Pauls poetische Ader scheint ganz vertrocknet zu sein! - Ach ja wohl, seufzte Paul, ich stecke in der plattesten Prosa: denn Heinsius hat uns einen deutschen Aufsatz aufgegeben: Sollen und Müssen. - Nun, was weiter? fragte sie. - Ich habe nämlich, fuhr Paul fort, mit Gustav eine Wette gemacht, daß ich dieses ganze Halbjahr alle deutschen Aufsätze bei Heinsius mit dem Satze anfangen will, den er selbst einmal gebrauchte: Wenn wir einen Blick in das Buch der Geschichte werfen; da dies bei dem vorliegenden Thema schwierig sein dürfte, so fürchte ich meine Wette zu verlieren. - Da geschieht Ihnen ganz recht! Warum lassen Sie sich auf solche Spitzfindigkeiten ein. Doch um wieder auf das Theater zu kommen: können wir nicht selbst ein kleines Stück aufführen? Der Bibliotheksaal ist ja groß genug.

Dieser Gedanke ward begierig aufgefaßt; er eröffnete die Aussicht in vielerlei anregende Thätigkeit, doch zeigten sich auch manche Schwierigkeiten. Zuerst mußte mein Vater die Erlaubniß geben, den ehrwürdigen Bibliotheksaal in ein Theater umzuwandeln. Diese Erlaubniß war bald erlangt. Dann entstand die Frage, wo die Dekorationen herzunehmen seien? Die malen wir uns selbst, sagte Dähling; dabei können Sie, lieber Gustav, ihre Perspektive im Großen anwenden. Herrlicher Einfall, rief meine Schwester, lieber Herr Dähling; darauf muß ich Ihnen noch eine Tasse Thee einschenken! Er war nämlich ein gewaltiger Theetrinker; wir hatten ihm eines Abends acht Tassen nachgerechnet. Aber woher die Anzüge nehmen?

kam das Gespräch auf unser Theater, und meine Schwester sagte: Das Puppenspiel fängt nach gerade an, mich zu langweilen, da ihr gar keine Neuigkeiten mehr bringt. Pauls poetische Ader scheint ganz vertrocknet zu sein! – Ach ja wohl, seufzte Paul, ich stecke in der plattesten Prosa: denn Heinsius hat uns einen deutschen Aufsatz aufgegeben: Sollen und Müssen. – Nun, was weiter? fragte sie. – Ich habe nämlich, fuhr Paul fort, mit Gustav eine Wette gemacht, daß ich dieses ganze Halbjahr alle deutschen Aufsätze bei Heinsius mit dem Satze anfangen will, den er selbst einmal gebrauchte: Wenn wir einen Blick in das Buch der Geschichte werfen; da dies bei dem vorliegenden Thema schwierig sein dürfte, so fürchte ich meine Wette zu verlieren. – Da geschieht Ihnen ganz recht! Warum lassen Sie sich auf solche Spitzfindigkeiten ein. Doch um wieder auf das Theater zu kommen: können wir nicht selbst ein kleines Stück aufführen? Der Bibliotheksaal ist ja groß genug.

Dieser Gedanke ward begierig aufgefaßt; er eröffnete die Aussicht in vielerlei anregende Thätigkeit, doch zeigten sich auch manche Schwierigkeiten. Zuerst mußte mein Vater die Erlaubniß geben, den ehrwürdigen Bibliotheksaal in ein Theater umzuwandeln. Diese Erlaubniß war bald erlangt. Dann entstand die Frage, wo die Dekorationen herzunehmen seien? Die malen wir uns selbst, sagte Dähling; dabei können Sie, lieber Gustav, ihre Perspektive im Großen anwenden. Herrlicher Einfall, rief meine Schwester, lieber Herr Dähling; darauf muß ich Ihnen noch eine Tasse Thee einschenken! Er war nämlich ein gewaltiger Theetrinker; wir hatten ihm eines Abends acht Tassen nachgerechnet. Aber woher die Anzüge nehmen?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0137" n="129"/>
kam das Gespräch auf unser Theater, und meine Schwester sagte: Das Puppenspiel fängt nach gerade an, mich zu langweilen, da ihr gar keine Neuigkeiten mehr bringt. Pauls poetische Ader scheint ganz vertrocknet zu sein! &#x2013; Ach ja wohl, seufzte Paul, ich stecke in der plattesten Prosa: denn Heinsius hat uns einen deutschen Aufsatz aufgegeben: Sollen und Müssen. &#x2013; Nun, was weiter? fragte sie. &#x2013; Ich habe nämlich, fuhr Paul fort, mit Gustav eine Wette gemacht, daß ich dieses ganze Halbjahr alle deutschen Aufsätze bei Heinsius mit dem Satze anfangen will, den er selbst einmal gebrauchte: Wenn wir einen Blick in das Buch der Geschichte werfen; da dies bei dem vorliegenden Thema schwierig sein dürfte, so fürchte ich meine Wette zu verlieren. &#x2013; Da geschieht Ihnen ganz recht! Warum lassen Sie sich auf solche Spitzfindigkeiten ein. Doch um wieder auf das Theater zu kommen: können wir nicht selbst ein kleines Stück aufführen? Der Bibliotheksaal ist ja groß genug. </p><lb/>
        <p>Dieser Gedanke ward begierig aufgefaßt; er eröffnete die Aussicht in vielerlei anregende Thätigkeit, doch zeigten sich auch manche Schwierigkeiten. Zuerst mußte mein Vater die Erlaubniß geben, den ehrwürdigen Bibliotheksaal in ein Theater umzuwandeln. Diese Erlaubniß war bald erlangt. Dann entstand die Frage, wo die Dekorationen herzunehmen seien? Die malen wir uns selbst, sagte Dähling; dabei können Sie, lieber Gustav, ihre Perspektive im Großen anwenden. Herrlicher Einfall, rief meine Schwester, lieber Herr Dähling; darauf muß ich Ihnen noch eine Tasse Thee einschenken! Er war nämlich ein gewaltiger Theetrinker; wir hatten ihm eines Abends acht Tassen nachgerechnet. Aber woher die Anzüge nehmen?
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0137] kam das Gespräch auf unser Theater, und meine Schwester sagte: Das Puppenspiel fängt nach gerade an, mich zu langweilen, da ihr gar keine Neuigkeiten mehr bringt. Pauls poetische Ader scheint ganz vertrocknet zu sein! – Ach ja wohl, seufzte Paul, ich stecke in der plattesten Prosa: denn Heinsius hat uns einen deutschen Aufsatz aufgegeben: Sollen und Müssen. – Nun, was weiter? fragte sie. – Ich habe nämlich, fuhr Paul fort, mit Gustav eine Wette gemacht, daß ich dieses ganze Halbjahr alle deutschen Aufsätze bei Heinsius mit dem Satze anfangen will, den er selbst einmal gebrauchte: Wenn wir einen Blick in das Buch der Geschichte werfen; da dies bei dem vorliegenden Thema schwierig sein dürfte, so fürchte ich meine Wette zu verlieren. – Da geschieht Ihnen ganz recht! Warum lassen Sie sich auf solche Spitzfindigkeiten ein. Doch um wieder auf das Theater zu kommen: können wir nicht selbst ein kleines Stück aufführen? Der Bibliotheksaal ist ja groß genug. Dieser Gedanke ward begierig aufgefaßt; er eröffnete die Aussicht in vielerlei anregende Thätigkeit, doch zeigten sich auch manche Schwierigkeiten. Zuerst mußte mein Vater die Erlaubniß geben, den ehrwürdigen Bibliotheksaal in ein Theater umzuwandeln. Diese Erlaubniß war bald erlangt. Dann entstand die Frage, wo die Dekorationen herzunehmen seien? Die malen wir uns selbst, sagte Dähling; dabei können Sie, lieber Gustav, ihre Perspektive im Großen anwenden. Herrlicher Einfall, rief meine Schwester, lieber Herr Dähling; darauf muß ich Ihnen noch eine Tasse Thee einschenken! Er war nämlich ein gewaltiger Theetrinker; wir hatten ihm eines Abends acht Tassen nachgerechnet. Aber woher die Anzüge nehmen?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/137
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/137>, abgerufen am 19.05.2024.