Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

Das Malen der Dekorationen gewährte eine unbeschreibliche Lust. Hier ging nun alles ins Große: statt der Kammmuscheln verbrauchten wir ganze Kochtöpfe von Farben, und nur Borstenpinsel kamen zur Anwendung. Es wurden zwei Hinterwände gemalt, eine schöne Rosenhecke für die Rosen des Herrn von Malesherbes, und ein gothischer Ahnensaal mit Fahnen und Rüstungen für Don Ranudo. Ich ging dem guten Dähling mit allem Fleiße zur Hand, und sah bei dieser letzten Dekoration mit immer wachsender Freude, wie aus der unscheinbaren grauen Fläche die schlanken gothischen Bogenfenster, die Pilaster und Kapitäler mit hoch einfallender Beleuchtung hervorwuchsen. Als jene beiden Hinterwände mit ihren Seitenkulissen fertig waren, erhielten wir Nachricht, daß man von einem Liebhabertheater in der Blumenstraße alle möglichen Dekorationen leihweise erhalten könne. Da das Malen sehr viel Zeit in Anspruch nahm, auch unsere Lust daran gebüßt war, so zogen wir fortan den kürzeren Weg vor.

Die Rollen vertheilten sich immer ganz von selbst. Fräulein Stock nahm die alten Damen, Paul und ich erhielten die Väter und ernsthaften Onkel, meine Schwester die edlen und geistreichen jungen Wittwen, Fritz die komischen Personen; der flinke August sollte die ersten Liebhaber übernehmen, da er sich aber hiegegen aus irgend einer Grille sträubte, so erhielten wir einen andern trefflichen Liebhaber an dem Studiosus (jetzt Professor in Schulpforta) Koberstein, der überdies auf unsern Bällen als unermüdlicher Tänzer sich erwies. Die ersten Liebhaberinnen gab eine Tochter des Staatsrathes Hufeland, Fräulein Laura, wegen ihrer ausbündigen Schönheit in unserem Kreise: die schöne Laura genannt. An Adel der Gesichts-

Das Malen der Dekorationen gewährte eine unbeschreibliche Lust. Hier ging nun alles ins Große: statt der Kammmuscheln verbrauchten wir ganze Kochtöpfe von Farben, und nur Borstenpinsel kamen zur Anwendung. Es wurden zwei Hinterwände gemalt, eine schöne Rosenhecke für die Rosen des Herrn von Malesherbes, und ein gothischer Ahnensaal mit Fahnen und Rüstungen für Don Ranudo. Ich ging dem guten Dähling mit allem Fleiße zur Hand, und sah bei dieser letzten Dekoration mit immer wachsender Freude, wie aus der unscheinbaren grauen Fläche die schlanken gothischen Bogenfenster, die Pilaster und Kapitäler mit hoch einfallender Beleuchtung hervorwuchsen. Als jene beiden Hinterwände mit ihren Seitenkulissen fertig waren, erhielten wir Nachricht, daß man von einem Liebhabertheater in der Blumenstraße alle möglichen Dekorationen leihweise erhalten könne. Da das Malen sehr viel Zeit in Anspruch nahm, auch unsere Lust daran gebüßt war, so zogen wir fortan den kürzeren Weg vor.

Die Rollen vertheilten sich immer ganz von selbst. Fräulein Stock nahm die alten Damen, Paul und ich erhielten die Väter und ernsthaften Onkel, meine Schwester die edlen und geistreichen jungen Wittwen, Fritz die komischen Personen; der flinke August sollte die ersten Liebhaber übernehmen, da er sich aber hiegegen aus irgend einer Grille sträubte, so erhielten wir einen andern trefflichen Liebhaber an dem Studiosus (jetzt Professor in Schulpforta) Koberstein, der überdies auf unsern Bällen als unermüdlicher Tänzer sich erwies. Die ersten Liebhaberinnen gab eine Tochter des Staatsrathes Hufeland, Fräulein Laura, wegen ihrer ausbündigen Schönheit in unserem Kreise: die schöne Laura genannt. An Adel der Gesichts-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p>
          <pb facs="#f0140" n="132"/>
        </p><lb/>
        <p>Das Malen der Dekorationen gewährte eine unbeschreibliche Lust. Hier ging nun alles ins Große: statt der Kammmuscheln verbrauchten wir ganze Kochtöpfe von Farben, und nur Borstenpinsel kamen zur Anwendung. Es wurden zwei Hinterwände gemalt, eine schöne Rosenhecke für die Rosen des Herrn von Malesherbes, und ein gothischer Ahnensaal mit Fahnen und Rüstungen für Don Ranudo. Ich ging dem guten Dähling mit allem Fleiße zur Hand, und sah bei dieser letzten Dekoration mit immer wachsender Freude, wie aus der unscheinbaren grauen Fläche die schlanken gothischen Bogenfenster, die Pilaster und Kapitäler mit hoch einfallender Beleuchtung hervorwuchsen. Als jene beiden Hinterwände mit ihren Seitenkulissen fertig waren, erhielten wir Nachricht, daß man von einem Liebhabertheater in der Blumenstraße alle möglichen Dekorationen leihweise erhalten könne. Da das Malen sehr viel Zeit in Anspruch nahm, auch unsere Lust daran gebüßt war, so zogen wir fortan den kürzeren Weg vor. </p><lb/>
        <p>Die Rollen vertheilten sich immer ganz von selbst. Fräulein Stock nahm die alten Damen, Paul und ich erhielten die Väter und ernsthaften Onkel, meine Schwester die edlen und geistreichen jungen Wittwen, Fritz die komischen Personen; der flinke August sollte die ersten Liebhaber übernehmen, da er sich aber hiegegen aus irgend einer Grille sträubte, so erhielten wir einen andern trefflichen Liebhaber an dem Studiosus (jetzt Professor in Schulpforta) Koberstein, der überdies auf unsern Bällen als unermüdlicher Tänzer sich erwies. Die ersten Liebhaberinnen gab eine Tochter des Staatsrathes Hufeland, Fräulein Laura, wegen ihrer ausbündigen Schönheit in unserem Kreise: die schöne Laura genannt. An Adel der Gesichts-
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0140] Das Malen der Dekorationen gewährte eine unbeschreibliche Lust. Hier ging nun alles ins Große: statt der Kammmuscheln verbrauchten wir ganze Kochtöpfe von Farben, und nur Borstenpinsel kamen zur Anwendung. Es wurden zwei Hinterwände gemalt, eine schöne Rosenhecke für die Rosen des Herrn von Malesherbes, und ein gothischer Ahnensaal mit Fahnen und Rüstungen für Don Ranudo. Ich ging dem guten Dähling mit allem Fleiße zur Hand, und sah bei dieser letzten Dekoration mit immer wachsender Freude, wie aus der unscheinbaren grauen Fläche die schlanken gothischen Bogenfenster, die Pilaster und Kapitäler mit hoch einfallender Beleuchtung hervorwuchsen. Als jene beiden Hinterwände mit ihren Seitenkulissen fertig waren, erhielten wir Nachricht, daß man von einem Liebhabertheater in der Blumenstraße alle möglichen Dekorationen leihweise erhalten könne. Da das Malen sehr viel Zeit in Anspruch nahm, auch unsere Lust daran gebüßt war, so zogen wir fortan den kürzeren Weg vor. Die Rollen vertheilten sich immer ganz von selbst. Fräulein Stock nahm die alten Damen, Paul und ich erhielten die Väter und ernsthaften Onkel, meine Schwester die edlen und geistreichen jungen Wittwen, Fritz die komischen Personen; der flinke August sollte die ersten Liebhaber übernehmen, da er sich aber hiegegen aus irgend einer Grille sträubte, so erhielten wir einen andern trefflichen Liebhaber an dem Studiosus (jetzt Professor in Schulpforta) Koberstein, der überdies auf unsern Bällen als unermüdlicher Tänzer sich erwies. Die ersten Liebhaberinnen gab eine Tochter des Staatsrathes Hufeland, Fräulein Laura, wegen ihrer ausbündigen Schönheit in unserem Kreise: die schöne Laura genannt. An Adel der Gesichts-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/140
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/140>, abgerufen am 19.05.2024.