Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Eine andre Unternehmung, zu der ich mich mit Paul verband, war ein erweiterter Plutarch für die Jugend. Wir fanden in der Nicolaischen Bibliothek das große Zedlersche Universallexikon in 60 Foliobänden, das den Inbegriff aller menschlichen Gelehrsamkeit zu enthalten schien. Aus diesem sollten die Lebensbeschreibungen aller Helden des Alterthums von Agamemnon bis Zaleucus ausgezogen und bearbeitet werden. Wie weit wir damit gekommen, ist mir in der That nicht mehr erinnerlich: es bewies immer Muth genug, daß zwei Secundaner es wagen wollten, ein solches Regiment von Folianten anzugreifen. Sehr viele Unterhaltung gewährte uns eine "klassische Zeitung", die von Paul und mir redigirt, in Secunda und später in Prima, alles was in der Klasse vorfiel, auf komische Weise zur Sprache brachte. Paul war Meister in dieser Art der humoristischen Darstellung; ein langes hexametrisches Gedicht auf den Faustkampf zweier Mitschüler machte besonderes Glück. Wir gingen aber, wie das nicht anders sein konnte, von den Unarten der Schüler zu den Schwächen der Lehrer über, von denen jeder seinen Spitznamen führte. Diese Beinamen wurden in einem Gedichte, nach Art der Versus memoriales in der lateinischen Grammatik verarbeitet. Obgleich die natürliche Opposition, in der überall die Schüler gegen die Lehrer, wie die Regierten gegen die Regierenden stehn, durchaus nichts gehässiges zeigte, so waren doch einige Spottverse mit untergelaufen, die von gedankenlosen oder übelwollenden Kameraden herumgetragen, eine bedenkliche Untersuchung fürchten ließen. Zum Glück konnte ich das Blatt vernichten, ehe eine Abschrift genommen war, Eine andre Unternehmung, zu der ich mich mit Paul verband, war ein erweiterter Plutarch für die Jugend. Wir fanden in der Nicolaischen Bibliothek das große Zedlersche Universallexikon in 60 Foliobänden, das den Inbegriff aller menschlichen Gelehrsamkeit zu enthalten schien. Aus diesem sollten die Lebensbeschreibungen aller Helden des Alterthums von Agamemnon bis Zaleucus ausgezogen und bearbeitet werden. Wie weit wir damit gekommen, ist mir in der That nicht mehr erinnerlich: es bewies immer Muth genug, daß zwei Secundaner es wagen wollten, ein solches Regiment von Folianten anzugreifen. Sehr viele Unterhaltung gewährte uns eine „klassische Zeitung“, die von Paul und mir redigirt, in Secunda und später in Prima, alles was in der Klasse vorfiel, auf komische Weise zur Sprache brachte. Paul war Meister in dieser Art der humoristischen Darstellung; ein langes hexametrisches Gedicht auf den Faustkampf zweier Mitschüler machte besonderes Glück. Wir gingen aber, wie das nicht anders sein konnte, von den Unarten der Schüler zu den Schwächen der Lehrer über, von denen jeder seinen Spitznamen führte. Diese Beinamen wurden in einem Gedichte, nach Art der Versus memoriales in der lateinischen Grammatik verarbeitet. Obgleich die natürliche Opposition, in der überall die Schüler gegen die Lehrer, wie die Regierten gegen die Regierenden stehn, durchaus nichts gehässiges zeigte, so waren doch einige Spottverse mit untergelaufen, die von gedankenlosen oder übelwollenden Kameraden herumgetragen, eine bedenkliche Untersuchung fürchten ließen. Zum Glück konnte ich das Blatt vernichten, ehe eine Abschrift genommen war, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p> <pb facs="#f0161" n="153"/> </p><lb/> <p>Eine andre Unternehmung, zu der ich mich mit Paul verband, war ein erweiterter Plutarch für die Jugend. Wir fanden in der Nicolaischen Bibliothek das große Zedlersche Universallexikon in 60 Foliobänden, das den Inbegriff aller menschlichen Gelehrsamkeit zu enthalten schien. Aus diesem sollten die Lebensbeschreibungen aller Helden des Alterthums von Agamemnon bis Zaleucus ausgezogen und bearbeitet werden. Wie weit wir damit gekommen, ist mir in der That nicht mehr erinnerlich: es bewies immer Muth genug, daß zwei Secundaner es wagen wollten, ein solches Regiment von Folianten anzugreifen. </p><lb/> <p>Sehr viele Unterhaltung gewährte uns eine „klassische Zeitung“, die von Paul und mir redigirt, in Secunda und später in Prima, alles was in der Klasse vorfiel, auf komische Weise zur Sprache brachte. Paul war Meister in dieser Art der humoristischen Darstellung; ein langes hexametrisches Gedicht auf den Faustkampf zweier Mitschüler machte besonderes Glück. Wir gingen aber, wie das nicht anders sein konnte, von den Unarten der Schüler zu den Schwächen der Lehrer über, von denen jeder seinen Spitznamen führte. Diese Beinamen wurden in einem Gedichte, nach Art der Versus memoriales in der lateinischen Grammatik verarbeitet. Obgleich die natürliche Opposition, in der überall die Schüler gegen die Lehrer, wie die Regierten gegen die Regierenden stehn, durchaus nichts gehässiges zeigte, so waren doch einige Spottverse mit untergelaufen, die von gedankenlosen oder übelwollenden Kameraden herumgetragen, eine bedenkliche Untersuchung fürchten ließen. Zum Glück konnte ich das Blatt vernichten, ehe eine Abschrift genommen war, </p> </div> </body> </text> </TEI> [153/0161]
Eine andre Unternehmung, zu der ich mich mit Paul verband, war ein erweiterter Plutarch für die Jugend. Wir fanden in der Nicolaischen Bibliothek das große Zedlersche Universallexikon in 60 Foliobänden, das den Inbegriff aller menschlichen Gelehrsamkeit zu enthalten schien. Aus diesem sollten die Lebensbeschreibungen aller Helden des Alterthums von Agamemnon bis Zaleucus ausgezogen und bearbeitet werden. Wie weit wir damit gekommen, ist mir in der That nicht mehr erinnerlich: es bewies immer Muth genug, daß zwei Secundaner es wagen wollten, ein solches Regiment von Folianten anzugreifen.
Sehr viele Unterhaltung gewährte uns eine „klassische Zeitung“, die von Paul und mir redigirt, in Secunda und später in Prima, alles was in der Klasse vorfiel, auf komische Weise zur Sprache brachte. Paul war Meister in dieser Art der humoristischen Darstellung; ein langes hexametrisches Gedicht auf den Faustkampf zweier Mitschüler machte besonderes Glück. Wir gingen aber, wie das nicht anders sein konnte, von den Unarten der Schüler zu den Schwächen der Lehrer über, von denen jeder seinen Spitznamen führte. Diese Beinamen wurden in einem Gedichte, nach Art der Versus memoriales in der lateinischen Grammatik verarbeitet. Obgleich die natürliche Opposition, in der überall die Schüler gegen die Lehrer, wie die Regierten gegen die Regierenden stehn, durchaus nichts gehässiges zeigte, so waren doch einige Spottverse mit untergelaufen, die von gedankenlosen oder übelwollenden Kameraden herumgetragen, eine bedenkliche Untersuchung fürchten ließen. Zum Glück konnte ich das Blatt vernichten, ehe eine Abschrift genommen war,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1)
(2014-01-07T13:04:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |