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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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und so hatte der naseweise Scherz keine unangenehmen Folgen.

Paul faßte sogar den kühnen Gedanken der Herausgabe eines Musenalmanaches. In dieser damals beliebten, jetzt fast vergessenen Form pflegten junge Talente ihre reifen und unreifen Produkte zu Markte zu bringen. Alle unsre Freunde sollten zu recht reichlichen Beiträgen aufgefordert werden. Aber die Theilnahme war keine so große, als wir erwartet, und die Musen entbehrten des ihnen zugedachten Tributes. Noch bewahre ich als Andenken an diese fröhlichen Jugendhoffnungen ein Oktavblättchen von Pauls Hand, worauf er die gewissen und halbgewissen Beiträge verzeichnet hatte.



In die Zeit dieser heitern Bestrebungen fiel ein schmerzlicher Vorgang, der mich auf das tiefste erschütterte, und zum ernsten Nachdenken aufforderte. Zu Pauls und meinen liebsten Jugendfreunden gehörte Ludwig Curschmann, der ältere Bruder des später als Liederkomponist geschätzten Friedrich Curschmann. Das Haus seines Vaters, eines begüterten Weinhändlers, lag dem unsrigen in der Brüderstraße gerade gegenüber. Wir konnten uns aus den Fenstern unterhalten, und es verging selten ein Tag, wo wir als Kinder nicht zusammenkamen. Ludwig war ein eifriges Mitglied unseres Zeitungsbundes, und lieferte manchen guten Beitrag. Er zeigte große Lust zum Studiren, aber nach seines Vaters Tode meinten seine Vormünder, er müsse, um das blühende Geschäft fortzusetzen, die Handlung lernen. Sie brachten ihn als Lehrling in das angesehene Bankgeschäft von Anhalt und Wagener,

und so hatte der naseweise Scherz keine unangenehmen Folgen.

Paul faßte sogar den kühnen Gedanken der Herausgabe eines Musenalmanaches. In dieser damals beliebten, jetzt fast vergessenen Form pflegten junge Talente ihre reifen und unreifen Produkte zu Markte zu bringen. Alle unsre Freunde sollten zu recht reichlichen Beiträgen aufgefordert werden. Aber die Theilnahme war keine so große, als wir erwartet, und die Musen entbehrten des ihnen zugedachten Tributes. Noch bewahre ich als Andenken an diese fröhlichen Jugendhoffnungen ein Oktavblättchen von Pauls Hand, worauf er die gewissen und halbgewissen Beiträge verzeichnet hatte.



In die Zeit dieser heitern Bestrebungen fiel ein schmerzlicher Vorgang, der mich auf das tiefste erschütterte, und zum ernsten Nachdenken aufforderte. Zu Pauls und meinen liebsten Jugendfreunden gehörte Ludwig Curschmann, der ältere Bruder des später als Liederkomponist geschätzten Friedrich Curschmann. Das Haus seines Vaters, eines begüterten Weinhändlers, lag dem unsrigen in der Brüderstraße gerade gegenüber. Wir konnten uns aus den Fenstern unterhalten, und es verging selten ein Tag, wo wir als Kinder nicht zusammenkamen. Ludwig war ein eifriges Mitglied unseres Zeitungsbundes, und lieferte manchen guten Beitrag. Er zeigte große Lust zum Studiren, aber nach seines Vaters Tode meinten seine Vormünder, er müsse, um das blühende Geschäft fortzusetzen, die Handlung lernen. Sie brachten ihn als Lehrling in das angesehene Bankgeschäft von Anhalt und Wagener,

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[154/0162] und so hatte der naseweise Scherz keine unangenehmen Folgen. Paul faßte sogar den kühnen Gedanken der Herausgabe eines Musenalmanaches. In dieser damals beliebten, jetzt fast vergessenen Form pflegten junge Talente ihre reifen und unreifen Produkte zu Markte zu bringen. Alle unsre Freunde sollten zu recht reichlichen Beiträgen aufgefordert werden. Aber die Theilnahme war keine so große, als wir erwartet, und die Musen entbehrten des ihnen zugedachten Tributes. Noch bewahre ich als Andenken an diese fröhlichen Jugendhoffnungen ein Oktavblättchen von Pauls Hand, worauf er die gewissen und halbgewissen Beiträge verzeichnet hatte. In die Zeit dieser heitern Bestrebungen fiel ein schmerzlicher Vorgang, der mich auf das tiefste erschütterte, und zum ernsten Nachdenken aufforderte. Zu Pauls und meinen liebsten Jugendfreunden gehörte Ludwig Curschmann, der ältere Bruder des später als Liederkomponist geschätzten Friedrich Curschmann. Das Haus seines Vaters, eines begüterten Weinhändlers, lag dem unsrigen in der Brüderstraße gerade gegenüber. Wir konnten uns aus den Fenstern unterhalten, und es verging selten ein Tag, wo wir als Kinder nicht zusammenkamen. Ludwig war ein eifriges Mitglied unseres Zeitungsbundes, und lieferte manchen guten Beitrag. Er zeigte große Lust zum Studiren, aber nach seines Vaters Tode meinten seine Vormünder, er müsse, um das blühende Geschäft fortzusetzen, die Handlung lernen. Sie brachten ihn als Lehrling in das angesehene Bankgeschäft von Anhalt und Wagener,

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/162>, abgerufen am 21.11.2024.