Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Allein in Folge davon kamen wir, da ich alle meine Gedanken mit Paul theilte, und an seiner dialektischen Methode mich heranzubilden strebte, auf eine Untersuchung der religiösen Wahrheiten, die uns einige Zeit viel Noth machte. Bisher hatte ich nicht viel über Religion nachgedacht, sondern mich nur von augenblicklichen Impulsen leiten lassen. Als ich in Schillers Räubern die Worte Spiegelbergs las: in jener Zeit, wo ich nicht einschlafen konnte, ohne ein Vaterunser gebetet zu haben, fiel es mir aufs Herz, daß ich dies des Abends fast gar nicht gethan, und von diesem Tage vergingen viele, viele Jahre, ohne daß ich es ein einziges Mal unterlassen hätte. Jean Paul erwähnt einmal halb spöttisch, daß Samuel Johnson, der große englische Lexikograph und Kritiker, sich an seinem Geburtstage vorgenommen, im nächsten Jahre die Bibel ganz durchzulesen. Es leuchtete mir ein, daß dies eine gute Art sei, das schwierige Pensum durchzuführen, aber ich wartete damit nicht bis zu meinem Geburtstage im Oktober, sondern fing im Frühjahre an, sobald wir nach dem großen Garten gezogen waren. Alle Morgen sollte die schöne Frühstunde von 5-6 Uhr darauf verwendet werden. Mit Rührung erinnre ich mich der Freude meines guten Vaters, als er mich eines Morgens über der kleinen Cansteinschen Bibel sitzend fand, und ich ihm meinen Vorsatz mittheilte. Doch muß ich bekennen, daß er leider nicht zur Ausführung kam. Nach dem zweimaligen Hin- und Hergehn von der Blumen- nach der Brüderstraße, nach lebhaftem Baumklettern im Garten, nach anstrengenden Turnübungen in der Hasenheide trug allmälig der goldne Morgenschlaf den Sieg über das Bibellesen davon. Ich gelangte nur bis in das vierte Allein in Folge davon kamen wir, da ich alle meine Gedanken mit Paul theilte, und an seiner dialektischen Methode mich heranzubilden strebte, auf eine Untersuchung der religiösen Wahrheiten, die uns einige Zeit viel Noth machte. Bisher hatte ich nicht viel über Religion nachgedacht, sondern mich nur von augenblicklichen Impulsen leiten lassen. Als ich in Schillers Räubern die Worte Spiegelbergs las: in jener Zeit, wo ich nicht einschlafen konnte, ohne ein Vaterunser gebetet zu haben, fiel es mir aufs Herz, daß ich dies des Abends fast gar nicht gethan, und von diesem Tage vergingen viele, viele Jahre, ohne daß ich es ein einziges Mal unterlassen hätte. Jean Paul erwähnt einmal halb spöttisch, daß Samuel Johnson, der große englische Lexikograph und Kritiker, sich an seinem Geburtstage vorgenommen, im nächsten Jahre die Bibel ganz durchzulesen. Es leuchtete mir ein, daß dies eine gute Art sei, das schwierige Pensum durchzuführen, aber ich wartete damit nicht bis zu meinem Geburtstage im Oktober, sondern fing im Frühjahre an, sobald wir nach dem großen Garten gezogen waren. Alle Morgen sollte die schöne Frühstunde von 5–6 Uhr darauf verwendet werden. Mit Rührung erinnre ich mich der Freude meines guten Vaters, als er mich eines Morgens über der kleinen Cansteinschen Bibel sitzend fand, und ich ihm meinen Vorsatz mittheilte. Doch muß ich bekennen, daß er leider nicht zur Ausführung kam. Nach dem zweimaligen Hin- und Hergehn von der Blumen- nach der Brüderstraße, nach lebhaftem Baumklettern im Garten, nach anstrengenden Turnübungen in der Hasenheide trug allmälig der goldne Morgenschlaf den Sieg über das Bibellesen davon. 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Es leuchtete mir ein, daß dies eine gute Art sei, das schwierige Pensum durchzuführen, aber ich wartete damit nicht bis zu meinem Geburtstage im Oktober, sondern fing im Frühjahre an, sobald wir nach dem großen Garten gezogen waren. Alle Morgen sollte die schöne Frühstunde von 5–6 Uhr darauf verwendet werden. Mit Rührung erinnre ich mich der Freude meines guten Vaters, als er mich eines Morgens über der kleinen Cansteinschen Bibel sitzend fand, und ich ihm meinen Vorsatz mittheilte. Doch muß ich bekennen, daß er leider nicht zur Ausführung kam. Nach dem zweimaligen Hin- und Hergehn von der Blumen- nach der Brüderstraße, nach lebhaftem Baumklettern im Garten, nach anstrengenden Turnübungen in der Hasenheide trug allmälig der goldne Morgenschlaf den Sieg über das Bibellesen davon. Ich gelangte nur bis in das vierte </p> </div> </body> </text> </TEI> [159/0167]
Allein in Folge davon kamen wir, da ich alle meine Gedanken mit Paul theilte, und an seiner dialektischen Methode mich heranzubilden strebte, auf eine Untersuchung der religiösen Wahrheiten, die uns einige Zeit viel Noth machte. Bisher hatte ich nicht viel über Religion nachgedacht, sondern mich nur von augenblicklichen Impulsen leiten lassen. Als ich in Schillers Räubern die Worte Spiegelbergs las: in jener Zeit, wo ich nicht einschlafen konnte, ohne ein Vaterunser gebetet zu haben, fiel es mir aufs Herz, daß ich dies des Abends fast gar nicht gethan, und von diesem Tage vergingen viele, viele Jahre, ohne daß ich es ein einziges Mal unterlassen hätte.
Jean Paul erwähnt einmal halb spöttisch, daß Samuel Johnson, der große englische Lexikograph und Kritiker, sich an seinem Geburtstage vorgenommen, im nächsten Jahre die Bibel ganz durchzulesen. Es leuchtete mir ein, daß dies eine gute Art sei, das schwierige Pensum durchzuführen, aber ich wartete damit nicht bis zu meinem Geburtstage im Oktober, sondern fing im Frühjahre an, sobald wir nach dem großen Garten gezogen waren. Alle Morgen sollte die schöne Frühstunde von 5–6 Uhr darauf verwendet werden. Mit Rührung erinnre ich mich der Freude meines guten Vaters, als er mich eines Morgens über der kleinen Cansteinschen Bibel sitzend fand, und ich ihm meinen Vorsatz mittheilte. Doch muß ich bekennen, daß er leider nicht zur Ausführung kam. Nach dem zweimaligen Hin- und Hergehn von der Blumen- nach der Brüderstraße, nach lebhaftem Baumklettern im Garten, nach anstrengenden Turnübungen in der Hasenheide trug allmälig der goldne Morgenschlaf den Sieg über das Bibellesen davon. Ich gelangte nur bis in das vierte
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