Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

Nun geschah es im Jahre 1815, daß in der Jakobstraße, gar nicht weit von uns, ein alter Herr in seiner Wohnung ermordet und ausgeraubt ward. August bekümmerte sich sehr eifrig um die Sache, weil er die Obduction mitgemacht; er sagte mir bei dieser Geleggenheit, daß die abgelegene Stube meines Vaters und die vielen Besuche von zweifelhaften Personen ihm manchmal Besorgnisse einflößten. Mir standen vor Entsetzen die Haare zu Berge bei dem Gedanken an die Möglichkeit einer ähnlichen Unthat, und ich brachte die Angelegenheit gleich bei Tische zur Sprache. Mein Vater sagte herzlich lachend: Seid unbesorgt! Wir stehen alle in Gottes Hand! Aber für die Mutter und uns Kinder war die Sache doch zu ernsthaft Es ward in einem Privatconseil abgemacht, daß Wilhelm bei jedem unbekannten oder verdächtigen Besuche in der kleinen Bücherstube hinter der Vexirthür sich aufhalten solle, ohne daß der Vater es bemerke. Da Wilhelmen trotz der vielen Bücher die Zeit lang wurde, und er sich einige Male hörbar räusperte, so trat mein Vater mit einem unerwarteten: Was macht er da? aus seiner Stube. Es folgte eine lange verlegene Auseinandersetzung, die mein Vater wiederum herzlich belachte; bei Tische jedoch ließen wir nicht eher mit Bitten nach, bis er uns fest versprach, die allzuverdächtigen und ganz unbekannten Personen abzuweisen.

Manchmal indessen fand ich bei meinem Vater sehr vornehmen Besuch. Die kurländischen Prinzessinnen und Frau von der Recke kamen recht oft, desgleichen viele hochgestellte Beamte und Militärs. Als ich einst in meines Vaters Stube trat, lag der Baron von Oelsen vor ihm auf den Knien, und rief mit hocherhobenen Händen: Parthey-

Nun geschah es im Jahre 1815, daß in der Jakobstraße, gar nicht weit von uns, ein alter Herr in seiner Wohnung ermordet und ausgeraubt ward. August bekümmerte sich sehr eifrig um die Sache, weil er die Obduction mitgemacht; er sagte mir bei dieser Geleggenheit, daß die abgelegene Stube meines Vaters und die vielen Besuche von zweifelhaften Personen ihm manchmal Besorgnisse einflößten. Mir standen vor Entsetzen die Haare zu Berge bei dem Gedanken an die Möglichkeit einer ähnlichen Unthat, und ich brachte die Angelegenheit gleich bei Tische zur Sprache. Mein Vater sagte herzlich lachend: Seid unbesorgt! Wir stehen alle in Gottes Hand! Aber für die Mutter und uns Kinder war die Sache doch zu ernsthaft Es ward in einem Privatconseil abgemacht, daß Wilhelm bei jedem unbekannten oder verdächtigen Besuche in der kleinen Bücherstube hinter der Vexirthür sich aufhalten solle, ohne daß der Vater es bemerke. Da Wilhelmen trotz der vielen Bücher die Zeit lang wurde, und er sich einige Male hörbar räusperte, so trat mein Vater mit einem unerwarteten: Was macht er da? aus seiner Stube. Es folgte eine lange verlegene Auseinandersetzung, die mein Vater wiederum herzlich belachte; bei Tische jedoch ließen wir nicht eher mit Bitten nach, bis er uns fest versprach, die allzuverdächtigen und ganz unbekannten Personen abzuweisen.

Manchmal indessen fand ich bei meinem Vater sehr vornehmen Besuch. Die kurländischen Prinzessinnen und Frau von der Recke kamen recht oft, desgleichen viele hochgestellte Beamte und Militärs. Als ich einst in meines Vaters Stube trat, lag der Baron von Oelsen vor ihm auf den Knien, und rief mit hocherhobenen Händen: Parthey-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p>
          <pb facs="#f0186" n="178"/>
        </p><lb/>
        <p>Nun geschah es im Jahre 1815, daß in der Jakobstraße, gar nicht weit von uns, ein alter Herr in seiner Wohnung ermordet und ausgeraubt ward. August bekümmerte sich sehr eifrig um die Sache, weil er die Obduction mitgemacht; er sagte mir bei dieser Geleggenheit, daß die abgelegene Stube meines Vaters und die vielen Besuche von zweifelhaften Personen ihm manchmal Besorgnisse einflößten. Mir standen vor Entsetzen die Haare zu Berge bei dem Gedanken an die Möglichkeit einer ähnlichen Unthat, und ich brachte die Angelegenheit gleich bei Tische zur Sprache. Mein Vater sagte herzlich lachend: Seid unbesorgt! Wir stehen alle in Gottes Hand! Aber für die Mutter und uns Kinder war die Sache doch zu ernsthaft Es ward in einem Privatconseil abgemacht, daß Wilhelm bei jedem unbekannten oder verdächtigen Besuche in der kleinen Bücherstube hinter der Vexirthür sich aufhalten solle, ohne daß der Vater es bemerke. Da Wilhelmen trotz der vielen Bücher die Zeit lang wurde, und er sich einige Male hörbar räusperte, so trat mein Vater mit einem unerwarteten: Was macht er da? aus seiner Stube. Es folgte eine lange verlegene Auseinandersetzung, die mein Vater wiederum herzlich belachte; bei Tische jedoch ließen wir nicht eher mit Bitten nach, bis er uns fest versprach, die allzuverdächtigen und ganz unbekannten Personen abzuweisen. </p><lb/>
        <p>Manchmal indessen fand ich bei meinem Vater sehr vornehmen Besuch. Die kurländischen Prinzessinnen und Frau von der Recke kamen recht oft, desgleichen viele hochgestellte Beamte und Militärs. Als ich einst in meines Vaters Stube trat, lag der Baron von Oelsen vor ihm auf den Knien, und rief mit hocherhobenen Händen: Parthey-
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[178/0186] Nun geschah es im Jahre 1815, daß in der Jakobstraße, gar nicht weit von uns, ein alter Herr in seiner Wohnung ermordet und ausgeraubt ward. August bekümmerte sich sehr eifrig um die Sache, weil er die Obduction mitgemacht; er sagte mir bei dieser Geleggenheit, daß die abgelegene Stube meines Vaters und die vielen Besuche von zweifelhaften Personen ihm manchmal Besorgnisse einflößten. Mir standen vor Entsetzen die Haare zu Berge bei dem Gedanken an die Möglichkeit einer ähnlichen Unthat, und ich brachte die Angelegenheit gleich bei Tische zur Sprache. Mein Vater sagte herzlich lachend: Seid unbesorgt! Wir stehen alle in Gottes Hand! Aber für die Mutter und uns Kinder war die Sache doch zu ernsthaft Es ward in einem Privatconseil abgemacht, daß Wilhelm bei jedem unbekannten oder verdächtigen Besuche in der kleinen Bücherstube hinter der Vexirthür sich aufhalten solle, ohne daß der Vater es bemerke. Da Wilhelmen trotz der vielen Bücher die Zeit lang wurde, und er sich einige Male hörbar räusperte, so trat mein Vater mit einem unerwarteten: Was macht er da? aus seiner Stube. Es folgte eine lange verlegene Auseinandersetzung, die mein Vater wiederum herzlich belachte; bei Tische jedoch ließen wir nicht eher mit Bitten nach, bis er uns fest versprach, die allzuverdächtigen und ganz unbekannten Personen abzuweisen. Manchmal indessen fand ich bei meinem Vater sehr vornehmen Besuch. Die kurländischen Prinzessinnen und Frau von der Recke kamen recht oft, desgleichen viele hochgestellte Beamte und Militärs. Als ich einst in meines Vaters Stube trat, lag der Baron von Oelsen vor ihm auf den Knien, und rief mit hocherhobenen Händen: Parthey-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/186
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/186>, abgerufen am 21.11.2024.