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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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tälern, Gefängnissen, Irrenanstalten, Leichenhäusern und Anatomien ist mir immer im höchsten Grade zuwider geblieben.

Mehrere Male im Jahre pflegte mein Vater auszugehn, "um ein gutes Werk zu thun." Ich konnte mich nicht genug über diese offen ausgesprochene Absicht wundern, die jedoch weit entfernt von aller Ostentation aus einem innern Bedürfniß des Wohlthuns entsprang. Wenn ich nicht irre, so war auch dies eine von den Franklinschen Tugendübungen. Traf mein Vater dann etwa ein armes kleines Mädchen, das um seinen zerbrochenen Milchtopf weinte, weil sie zu Hause Schläge fürchtete, so ging er mit ihr erst in einen Kramladen, um einen neuen Topf zu kaufen, und darauf zum Milchkeller, um ihn füllen zu lassen. Es hatte dies etwas von der katholischen Werkheiligkeit, die eine gute That an sich für verdienstlich hält, doch war ich fest überzeugt, daß bei meinem Vater niemals die ächte gute Gesinnung fehlte.

Dieselbe Gutherzigkeit hielt ihn ab, sich verläugnen zu lassen, wenn er auch noch so sehr beschäftigt war. Wir kannten bald die schlimmsten seiner Besucher, und haßten sie wegen ihrer Zudringlichkeit. Wenn wir in des Vaters Stube Bilder besahen, und Wilhelm mit der Meldung eintrat: der Instrumentenmacher Kühnzack wünscht den Herrn Hofrath zu sprechen! so brachten wir es manchmal durch aufrührerisches Geschrei dahin, ihn abweisen zu lassen, aber oft genug, wenn ich um 12 Uhr aus der Klasse kam, fand ich den langweiligen Kühnzack oder einen andern Handwerker vor dem Schreibtische meines Vaters stehend und endlose Geschichten erzählend. Unter diesen geringen Besuchern waren einige sehr übel aussehende, zu denen man keineswegs Vertrauen fassen konnte.

tälern, Gefängnissen, Irrenanstalten, Leichenhäusern und Anatomien ist mir immer im höchsten Grade zuwider geblieben.

Mehrere Male im Jahre pflegte mein Vater auszugehn, „um ein gutes Werk zu thun.“ Ich konnte mich nicht genug über diese offen ausgesprochene Absicht wundern, die jedoch weit entfernt von aller Ostentation aus einem innern Bedürfniß des Wohlthuns entsprang. Wenn ich nicht irre, so war auch dies eine von den Franklinschen Tugendübungen. Traf mein Vater dann etwa ein armes kleines Mädchen, das um seinen zerbrochenen Milchtopf weinte, weil sie zu Hause Schläge fürchtete, so ging er mit ihr erst in einen Kramladen, um einen neuen Topf zu kaufen, und darauf zum Milchkeller, um ihn füllen zu lassen. Es hatte dies etwas von der katholischen Werkheiligkeit, die eine gute That an sich für verdienstlich hält, doch war ich fest überzeugt, daß bei meinem Vater niemals die ächte gute Gesinnung fehlte.

Dieselbe Gutherzigkeit hielt ihn ab, sich verläugnen zu lassen, wenn er auch noch so sehr beschäftigt war. Wir kannten bald die schlimmsten seiner Besucher, und haßten sie wegen ihrer Zudringlichkeit. Wenn wir in des Vaters Stube Bilder besahen, und Wilhelm mit der Meldung eintrat: der Instrumentenmacher Kühnzack wünscht den Herrn Hofrath zu sprechen! so brachten wir es manchmal durch aufrührerisches Geschrei dahin, ihn abweisen zu lassen, aber oft genug, wenn ich um 12 Uhr aus der Klasse kam, fand ich den langweiligen Kühnzack oder einen andern Handwerker vor dem Schreibtische meines Vaters stehend und endlose Geschichten erzählend. Unter diesen geringen Besuchern waren einige sehr übel aussehende, zu denen man keineswegs Vertrauen fassen konnte.

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[177/0185] tälern, Gefängnissen, Irrenanstalten, Leichenhäusern und Anatomien ist mir immer im höchsten Grade zuwider geblieben. Mehrere Male im Jahre pflegte mein Vater auszugehn, „um ein gutes Werk zu thun.“ Ich konnte mich nicht genug über diese offen ausgesprochene Absicht wundern, die jedoch weit entfernt von aller Ostentation aus einem innern Bedürfniß des Wohlthuns entsprang. Wenn ich nicht irre, so war auch dies eine von den Franklinschen Tugendübungen. Traf mein Vater dann etwa ein armes kleines Mädchen, das um seinen zerbrochenen Milchtopf weinte, weil sie zu Hause Schläge fürchtete, so ging er mit ihr erst in einen Kramladen, um einen neuen Topf zu kaufen, und darauf zum Milchkeller, um ihn füllen zu lassen. Es hatte dies etwas von der katholischen Werkheiligkeit, die eine gute That an sich für verdienstlich hält, doch war ich fest überzeugt, daß bei meinem Vater niemals die ächte gute Gesinnung fehlte. Dieselbe Gutherzigkeit hielt ihn ab, sich verläugnen zu lassen, wenn er auch noch so sehr beschäftigt war. Wir kannten bald die schlimmsten seiner Besucher, und haßten sie wegen ihrer Zudringlichkeit. Wenn wir in des Vaters Stube Bilder besahen, und Wilhelm mit der Meldung eintrat: der Instrumentenmacher Kühnzack wünscht den Herrn Hofrath zu sprechen! so brachten wir es manchmal durch aufrührerisches Geschrei dahin, ihn abweisen zu lassen, aber oft genug, wenn ich um 12 Uhr aus der Klasse kam, fand ich den langweiligen Kühnzack oder einen andern Handwerker vor dem Schreibtische meines Vaters stehend und endlose Geschichten erzählend. Unter diesen geringen Besuchern waren einige sehr übel aussehende, zu denen man keineswegs Vertrauen fassen konnte.

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/185>, abgerufen am 21.11.2024.