Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].andre Lieder vortrug. Schon früher hatte ich angefangen, allerlei Gesangstücke für meine Schwester in einen Querfolioband mit kalligraphischer Sorgfalt einzutragen. Als nun so manche unedirten Stücke von Klein dazukamen, sollte auch ein würdiger Titel hinzugefügt werden. Unter mehreren Vorschlägen trug Pauls Fassung den Preis davon: Sangeswellen geschöpft aus dem Meere der Harmonie. Noch jetzt ruft mir dieser Titel mehr als manches andere Andenken den Vollgenuß der musikalischen Jugenderinnerungen zurück. Die Opernaufführungen am Klavier wurden auf den Wunsch meines Vaters wieder lebhaft in Gang gebracht. Don Juan, die Oper aller Opern und meines Vaters Lieblingstück kam zuerst an die Reihe. Die Besetzung war eine so vortreffliche, wie sie wohl selbst auf einer öffentlichen Bühne selten da gewesen sein mag. Prediger Ritschl sang den Don Juan mit vollendeter Meisterschaft; Dorn (jetzt Kapellmeister) den Leporello mit unnachahmlicher Komik; der hinreißende Tenor des Geheimen Postrath Weppler war für den Don Ottavio wie geschaffen; einen besseren Komthur als Herrn Hellwig würde man vergebens gesucht haben. Auguste Sebald leuchtete als Donna Anna in goldenem Glanze; ihrer Schwester Amalie seelenvoller Klang hob die Rolle der Elvira auf eine vorher nicht geahnte Höhe, und meine Schwester Lilli war als Zerline ganz an ihrem Platze. Klein am Klavier ersetzte ein volles Orchester; er besaß die Gabe des Dirigirens, des unmerklichen Einhelfens, des leisen Nachgebens und des fördernden Antreibens in ausgezeichneter Weise; nach ein paar Proben floß alles wie von selbst dahin. Von unschätzbarem Werthe waren meines Vaters Bemerkungen andre Lieder vortrug. Schon früher hatte ich angefangen, allerlei Gesangstücke für meine Schwester in einen Querfolioband mit kalligraphischer Sorgfalt einzutragen. Als nun so manche unedirten Stücke von Klein dazukamen, sollte auch ein würdiger Titel hinzugefügt werden. Unter mehreren Vorschlägen trug Pauls Fassung den Preis davon: Sangeswellen geschöpft aus dem Meere der Harmonie. Noch jetzt ruft mir dieser Titel mehr als manches andere Andenken den Vollgenuß der musikalischen Jugenderinnerungen zurück. Die Opernaufführungen am Klavier wurden auf den Wunsch meines Vaters wieder lebhaft in Gang gebracht. Don Juan, die Oper aller Opern und meines Vaters Lieblingstück kam zuerst an die Reihe. Die Besetzung war eine so vortreffliche, wie sie wohl selbst auf einer öffentlichen Bühne selten da gewesen sein mag. Prediger Ritschl sang den Don Juan mit vollendeter Meisterschaft; Dorn (jetzt Kapellmeister) den Leporello mit unnachahmlicher Komik; der hinreißende Tenor des Geheimen Postrath Weppler war für den Don Ottavio wie geschaffen; einen besseren Komthur als Herrn Hellwig würde man vergebens gesucht haben. Auguste Sebald leuchtete als Donna Anna in goldenem Glanze; ihrer Schwester Amalie seelenvoller Klang hob die Rolle der Elvira auf eine vorher nicht geahnte Höhe, und meine Schwester Lilli war als Zerline ganz an ihrem Platze. Klein am Klavier ersetzte ein volles Orchester; er besaß die Gabe des Dirigirens, des unmerklichen Einhelfens, des leisen Nachgebens und des fördernden Antreibens in ausgezeichneter Weise; nach ein paar Proben floß alles wie von selbst dahin. Von unschätzbarem Werthe waren meines Vaters Bemerkungen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0199" n="191"/> andre Lieder vortrug. Schon früher hatte ich angefangen, allerlei Gesangstücke für meine Schwester in einen Querfolioband mit kalligraphischer Sorgfalt einzutragen. Als nun so manche unedirten Stücke von Klein dazukamen, sollte auch ein würdiger Titel hinzugefügt werden. Unter mehreren Vorschlägen trug Pauls Fassung den Preis davon: Sangeswellen geschöpft aus dem Meere der Harmonie. Noch jetzt ruft mir dieser Titel mehr als manches andere Andenken den Vollgenuß der musikalischen Jugenderinnerungen zurück. </p><lb/> <p>Die Opernaufführungen am Klavier wurden auf den Wunsch meines Vaters wieder lebhaft in Gang gebracht. Don Juan, die Oper aller Opern und meines Vaters Lieblingstück kam zuerst an die Reihe. Die Besetzung war eine so vortreffliche, wie sie wohl selbst auf einer öffentlichen Bühne selten da gewesen sein mag. Prediger Ritschl sang den Don Juan mit vollendeter Meisterschaft; Dorn (jetzt Kapellmeister) den Leporello mit unnachahmlicher Komik; der hinreißende Tenor des Geheimen Postrath Weppler war für den Don Ottavio wie geschaffen; einen besseren Komthur als Herrn Hellwig würde man vergebens gesucht haben. Auguste Sebald leuchtete als Donna Anna in goldenem Glanze; ihrer Schwester Amalie seelenvoller Klang hob die Rolle der Elvira auf eine vorher nicht geahnte Höhe, und meine Schwester Lilli war als Zerline ganz an ihrem Platze. Klein am Klavier ersetzte ein volles Orchester; er besaß die Gabe des Dirigirens, des unmerklichen Einhelfens, des leisen Nachgebens und des fördernden Antreibens in ausgezeichneter Weise; nach ein paar Proben floß alles wie von selbst dahin. Von unschätzbarem Werthe waren meines Vaters Bemerkungen </p> </div> </body> </text> </TEI> [191/0199]
andre Lieder vortrug. Schon früher hatte ich angefangen, allerlei Gesangstücke für meine Schwester in einen Querfolioband mit kalligraphischer Sorgfalt einzutragen. Als nun so manche unedirten Stücke von Klein dazukamen, sollte auch ein würdiger Titel hinzugefügt werden. Unter mehreren Vorschlägen trug Pauls Fassung den Preis davon: Sangeswellen geschöpft aus dem Meere der Harmonie. Noch jetzt ruft mir dieser Titel mehr als manches andere Andenken den Vollgenuß der musikalischen Jugenderinnerungen zurück.
Die Opernaufführungen am Klavier wurden auf den Wunsch meines Vaters wieder lebhaft in Gang gebracht. Don Juan, die Oper aller Opern und meines Vaters Lieblingstück kam zuerst an die Reihe. Die Besetzung war eine so vortreffliche, wie sie wohl selbst auf einer öffentlichen Bühne selten da gewesen sein mag. Prediger Ritschl sang den Don Juan mit vollendeter Meisterschaft; Dorn (jetzt Kapellmeister) den Leporello mit unnachahmlicher Komik; der hinreißende Tenor des Geheimen Postrath Weppler war für den Don Ottavio wie geschaffen; einen besseren Komthur als Herrn Hellwig würde man vergebens gesucht haben. Auguste Sebald leuchtete als Donna Anna in goldenem Glanze; ihrer Schwester Amalie seelenvoller Klang hob die Rolle der Elvira auf eine vorher nicht geahnte Höhe, und meine Schwester Lilli war als Zerline ganz an ihrem Platze. Klein am Klavier ersetzte ein volles Orchester; er besaß die Gabe des Dirigirens, des unmerklichen Einhelfens, des leisen Nachgebens und des fördernden Antreibens in ausgezeichneter Weise; nach ein paar Proben floß alles wie von selbst dahin. Von unschätzbarem Werthe waren meines Vaters Bemerkungen
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