Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

mönchischen Gedanken, und ärgerte seine guten Tanten durch gottlose Redensarten. Mit zunehmenden Jahren sah er sich in der französischen Litteratur um, und stellte die Gypsbüsten von Rousseau und Voltaire in seinem Zimmer auf. Diese fand er eines Tages zerschlagen am Boden liegen, ein Werk der beiden Tanten, denen man eingeredet, Ru-se-au und Volta-ire seien die Urheber der französischen Revolution. Durch eigne Kraft arbeitete Klein sich aus der Dunkelheit hervor; mit wenigem, durch Stundengeben erworbenem Gelde ging er nach Paris, um sich weiter auszubilden. Hier wohnte er einige Zeit mit seinem Landsmanne Begas zusammen, der später als Maler so schöne Erfolge gewann. Beide theilten ihre Armuth und blieben fortan die innigsten Freunde. Aber Klein konnte es nicht lassen, auch über Begas seine komischen Bemerkungen zu machen. So habe Begas in seiner bedrängten Lage einmal von Tizians Reichthum gesprochen, und es ganz besonders hervorgehoben, daß Tizian sich zwei Maitressen gehalten! Als Klein zuerst in Berlin auftrat, galt er für einen Schüler Cherubinis, der in Paris als Direktor des Konservatoriums und als berühmter Komponist die erste Stelle einnahm. Klein ließ sich diese empfehlende Bezeichnung gefallen, obgleich er nur ein paar Male Cherubini besucht, und ihm einige Kompositionen mehr zur Ansicht als zur Durchsicht vorgelegt hatte. Im Jahre 1812 wäre Klein in Köln beinahe von der französischen Konscription erfaßt, und als gemeiner Soldat nach Rußland geschickt worden, aber der Genius der Musik wachte über ihm, und rettete ihn durch die Fürsprache einer Freundin des Präfekten. Einige Zeit dachte er daran, sich zum Klaviervirtuosen auszubilden, um auf diese Weise sein Fortkommen

mönchischen Gedanken, und ärgerte seine guten Tanten durch gottlose Redensarten. Mit zunehmenden Jahren sah er sich in der französischen Litteratur um, und stellte die Gypsbüsten von Rousseau und Voltaire in seinem Zimmer auf. Diese fand er eines Tages zerschlagen am Boden liegen, ein Werk der beiden Tanten, denen man eingeredet, Ru-sé-au und Volta-íre seien die Urheber der französischen Revolution. Durch eigne Kraft arbeitete Klein sich aus der Dunkelheit hervor; mit wenigem, durch Stundengeben erworbenem Gelde ging er nach Paris, um sich weiter auszubilden. Hier wohnte er einige Zeit mit seinem Landsmanne Begas zusammen, der später als Maler so schöne Erfolge gewann. Beide theilten ihre Armuth und blieben fortan die innigsten Freunde. Aber Klein konnte es nicht lassen, auch über Begas seine komischen Bemerkungen zu machen. So habe Begas in seiner bedrängten Lage einmal von Tizians Reichthum gesprochen, und es ganz besonders hervorgehoben, daß Tizian sich zwei Maitressen gehalten! Als Klein zuerst in Berlin auftrat, galt er für einen Schüler Cherubinis, der in Paris als Direktor des Konservatoriums und als berühmter Komponist die erste Stelle einnahm. Klein ließ sich diese empfehlende Bezeichnung gefallen, obgleich er nur ein paar Male Cherubini besucht, und ihm einige Kompositionen mehr zur Ansicht als zur Durchsicht vorgelegt hatte. Im Jahre 1812 wäre Klein in Köln beinahe von der französischen Konscription erfaßt, und als gemeiner Soldat nach Rußland geschickt worden, aber der Genius der Musik wachte über ihm, und rettete ihn durch die Fürsprache einer Freundin des Präfekten. Einige Zeit dachte er daran, sich zum Klaviervirtuosen auszubilden, um auf diese Weise sein Fortkommen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0207" n="199"/>
mönchischen Gedanken, und ärgerte seine guten Tanten durch gottlose Redensarten. Mit zunehmenden Jahren sah er sich in der französischen Litteratur um, und stellte die Gypsbüsten von Rousseau und Voltaire in seinem Zimmer auf. Diese fand er eines Tages zerschlagen am Boden liegen, ein Werk der beiden Tanten, denen man eingeredet, Ru-sé-au und Volta-íre seien die Urheber der französischen Revolution. Durch eigne Kraft arbeitete Klein sich aus der Dunkelheit hervor; mit wenigem, durch Stundengeben erworbenem Gelde ging er nach Paris, um sich weiter auszubilden. Hier wohnte er einige Zeit mit seinem Landsmanne Begas zusammen, der später als Maler so schöne Erfolge gewann. Beide theilten ihre Armuth und blieben fortan die innigsten Freunde. Aber Klein konnte es nicht lassen, auch über Begas seine komischen Bemerkungen zu machen. So habe Begas in seiner bedrängten Lage einmal von Tizians Reichthum gesprochen, und es ganz besonders hervorgehoben, daß Tizian sich zwei Maitressen gehalten! Als Klein zuerst in Berlin auftrat, galt er für einen Schüler Cherubinis, der in Paris als Direktor des Konservatoriums und als berühmter Komponist die erste Stelle einnahm. Klein ließ sich diese empfehlende Bezeichnung gefallen, obgleich er nur ein paar Male Cherubini besucht, und ihm einige Kompositionen mehr zur Ansicht als zur Durchsicht vorgelegt hatte. Im Jahre 1812 wäre Klein in Köln beinahe von der französischen Konscription erfaßt, und als gemeiner Soldat nach Rußland geschickt worden, aber der Genius der Musik wachte über ihm, und rettete ihn durch die Fürsprache einer Freundin des Präfekten. Einige Zeit dachte er daran, sich zum Klaviervirtuosen auszubilden, um auf diese Weise sein Fortkommen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0207] mönchischen Gedanken, und ärgerte seine guten Tanten durch gottlose Redensarten. Mit zunehmenden Jahren sah er sich in der französischen Litteratur um, und stellte die Gypsbüsten von Rousseau und Voltaire in seinem Zimmer auf. Diese fand er eines Tages zerschlagen am Boden liegen, ein Werk der beiden Tanten, denen man eingeredet, Ru-sé-au und Volta-íre seien die Urheber der französischen Revolution. Durch eigne Kraft arbeitete Klein sich aus der Dunkelheit hervor; mit wenigem, durch Stundengeben erworbenem Gelde ging er nach Paris, um sich weiter auszubilden. Hier wohnte er einige Zeit mit seinem Landsmanne Begas zusammen, der später als Maler so schöne Erfolge gewann. Beide theilten ihre Armuth und blieben fortan die innigsten Freunde. Aber Klein konnte es nicht lassen, auch über Begas seine komischen Bemerkungen zu machen. So habe Begas in seiner bedrängten Lage einmal von Tizians Reichthum gesprochen, und es ganz besonders hervorgehoben, daß Tizian sich zwei Maitressen gehalten! Als Klein zuerst in Berlin auftrat, galt er für einen Schüler Cherubinis, der in Paris als Direktor des Konservatoriums und als berühmter Komponist die erste Stelle einnahm. Klein ließ sich diese empfehlende Bezeichnung gefallen, obgleich er nur ein paar Male Cherubini besucht, und ihm einige Kompositionen mehr zur Ansicht als zur Durchsicht vorgelegt hatte. Im Jahre 1812 wäre Klein in Köln beinahe von der französischen Konscription erfaßt, und als gemeiner Soldat nach Rußland geschickt worden, aber der Genius der Musik wachte über ihm, und rettete ihn durch die Fürsprache einer Freundin des Präfekten. Einige Zeit dachte er daran, sich zum Klaviervirtuosen auszubilden, um auf diese Weise sein Fortkommen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/207
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/207>, abgerufen am 23.11.2024.