Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

und Lebendigkeit. Nach der Sitte der damaligen Zeit trug er im Sommer helle Nanking-Beinkleider in kurzen schwarzen Halbstiefeln, was die rhythmische Bewegung seines Ganges in das beste Licht stellte.

Von seinen vielen, in Berlin umlaufenden Witzworten sind mir einige haften geblieben. Den leichtfertigen und karakterlosen Ludwig Tieck nannte er einen minneliederlichen und den hektischen Direktor Zeune, der die Nibelungen herausgegeben, einen nibelungensüchtigen. Vom alten Johann Heinrich Voß, dem rüstigen Uebersetzer, sagte er: er schlachte alle Jahre einen Klassiker ein. Den "Strom der Zeiten" von Straß nannte er "die historische Kaldaune". Als er einst den Dr. Schubarth mit dem Professor Schubert verwechselte, sagte er, seines Irrthums inne werdend, zu Schubarth: Ganz recht; Sie haben den spiritus hinten.

Als vortragender Rath für Universitätsachen fingirte zu jener Zeit im Altensteinschen Ministerium der Staatsrath Uhden, ein Oheim meines Kameraden auf dem Grauen Kloster, ein grundgelehrter Mann, der aber sein Licht unter den Scheffel stellte. Während eines längeren Aufenthaltes in Italien hatte er sich schöne antiquarische und archäologische Kenntnisse erworben, im Fache der geschnittenen Steine galt er für eine Autorität. Er konnte sich nicht entschließen, außer ein paar akademischen Abhandlungen irgend ein namhaftes Werk herauszugeben, und da er überdies sehr wortkarg war, so wußte man eben sehr wenig, wie viel er wußte. Mit Kohlrausch hatte er schon in Rom Bekanntschaft gemacht, und kam oft zu ihm ins Haus. Hier hörte ich von ihm, bei Betrachtung der schönen Bilder und Skulpturen, die feinsten Bemerkungen über Kunst, wenn er ja einmal sein pythagorisches Schweigen brach.

und Lebendigkeit. Nach der Sitte der damaligen Zeit trug er im Sommer helle Nanking-Beinkleider in kurzen schwarzen Halbstiefeln, was die rhythmische Bewegung seines Ganges in das beste Licht stellte.

Von seinen vielen, in Berlin umlaufenden Witzworten sind mir einige haften geblieben. Den leichtfertigen und karakterlosen Ludwig Tieck nannte er einen minneliederlichen und den hektischen Direktor Zeune, der die Nibelungen herausgegeben, einen nibelungensüchtigen. Vom alten Johann Heinrich Voß, dem rüstigen Uebersetzer, sagte er: er schlachte alle Jahre einen Klassiker ein. Den „Strom der Zeiten“ von Straß nannte er „die historische Kaldaune“. Als er einst den Dr. Schubarth mit dem Professor Schubert verwechselte, sagte er, seines Irrthums inne werdend, zu Schubarth: Ganz recht; Sie haben den spiritus hinten.

Als vortragender Rath für Universitätsachen fingirte zu jener Zeit im Altensteinschen Ministerium der Staatsrath Uhden, ein Oheim meines Kameraden auf dem Grauen Kloster, ein grundgelehrter Mann, der aber sein Licht unter den Scheffel stellte. Während eines längeren Aufenthaltes in Italien hatte er sich schöne antiquarische und archäologische Kenntnisse erworben, im Fache der geschnittenen Steine galt er für eine Autorität. Er konnte sich nicht entschließen, außer ein paar akademischen Abhandlungen irgend ein namhaftes Werk herauszugeben, und da er überdies sehr wortkarg war, so wußte man eben sehr wenig, wie viel er wußte. Mit Kohlrausch hatte er schon in Rom Bekanntschaft gemacht, und kam oft zu ihm ins Haus. Hier hörte ich von ihm, bei Betrachtung der schönen Bilder und Skulpturen, die feinsten Bemerkungen über Kunst, wenn er ja einmal sein pythagorisches Schweigen brach.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0228" n="220"/>
und Lebendigkeit. Nach der Sitte der damaligen Zeit trug er im Sommer helle Nanking-Beinkleider in kurzen schwarzen Halbstiefeln, was die rhythmische Bewegung seines Ganges in das beste Licht stellte. </p><lb/>
        <p>Von seinen vielen, in Berlin umlaufenden Witzworten sind mir einige haften geblieben. Den leichtfertigen und karakterlosen Ludwig Tieck nannte er einen minneliederlichen und den hektischen Direktor Zeune, der die Nibelungen herausgegeben, einen nibelungensüchtigen. Vom alten Johann Heinrich Voß, dem rüstigen Uebersetzer, sagte er: er schlachte alle Jahre einen Klassiker ein. Den &#x201E;Strom der Zeiten&#x201C; von Straß nannte er &#x201E;die historische Kaldaune&#x201C;. Als er einst den Dr. Schubarth mit dem Professor Schubert verwechselte, sagte er, seines Irrthums inne werdend, zu Schubarth: Ganz recht; Sie haben den spiritus hinten. </p><lb/>
        <p>Als vortragender Rath für Universitätsachen fingirte zu jener Zeit im Altensteinschen Ministerium der Staatsrath Uhden, ein Oheim meines Kameraden auf dem Grauen Kloster, ein grundgelehrter Mann, der aber sein Licht unter den Scheffel stellte. Während eines längeren Aufenthaltes in Italien hatte er sich schöne antiquarische und archäologische Kenntnisse erworben, im Fache der geschnittenen Steine galt er für eine Autorität. Er konnte sich nicht entschließen, außer ein paar akademischen Abhandlungen irgend ein namhaftes Werk herauszugeben, und da er überdies sehr wortkarg war, so wußte man eben sehr wenig, wie viel er wußte. Mit Kohlrausch hatte er schon in Rom Bekanntschaft gemacht, und kam oft zu ihm ins Haus. Hier hörte ich von ihm, bei Betrachtung der schönen Bilder und Skulpturen, die feinsten Bemerkungen über Kunst, wenn er ja einmal sein pythagorisches Schweigen brach.
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[220/0228] und Lebendigkeit. Nach der Sitte der damaligen Zeit trug er im Sommer helle Nanking-Beinkleider in kurzen schwarzen Halbstiefeln, was die rhythmische Bewegung seines Ganges in das beste Licht stellte. Von seinen vielen, in Berlin umlaufenden Witzworten sind mir einige haften geblieben. Den leichtfertigen und karakterlosen Ludwig Tieck nannte er einen minneliederlichen und den hektischen Direktor Zeune, der die Nibelungen herausgegeben, einen nibelungensüchtigen. Vom alten Johann Heinrich Voß, dem rüstigen Uebersetzer, sagte er: er schlachte alle Jahre einen Klassiker ein. Den „Strom der Zeiten“ von Straß nannte er „die historische Kaldaune“. Als er einst den Dr. Schubarth mit dem Professor Schubert verwechselte, sagte er, seines Irrthums inne werdend, zu Schubarth: Ganz recht; Sie haben den spiritus hinten. Als vortragender Rath für Universitätsachen fingirte zu jener Zeit im Altensteinschen Ministerium der Staatsrath Uhden, ein Oheim meines Kameraden auf dem Grauen Kloster, ein grundgelehrter Mann, der aber sein Licht unter den Scheffel stellte. Während eines längeren Aufenthaltes in Italien hatte er sich schöne antiquarische und archäologische Kenntnisse erworben, im Fache der geschnittenen Steine galt er für eine Autorität. Er konnte sich nicht entschließen, außer ein paar akademischen Abhandlungen irgend ein namhaftes Werk herauszugeben, und da er überdies sehr wortkarg war, so wußte man eben sehr wenig, wie viel er wußte. Mit Kohlrausch hatte er schon in Rom Bekanntschaft gemacht, und kam oft zu ihm ins Haus. Hier hörte ich von ihm, bei Betrachtung der schönen Bilder und Skulpturen, die feinsten Bemerkungen über Kunst, wenn er ja einmal sein pythagorisches Schweigen brach.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/228
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/228>, abgerufen am 19.05.2024.