Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].verkehrte viel bei Frau von der Recke. Er schrieb ebenfalls eine italiänische Reise, verfuhr aber dabei mit seiner gewöhnlichen Liederlichkeit. Eines Abends saß er bei Tiedge, als dieser von einem Besuche des Daches der Peterskirche zurückgekommen war. Wie sieht es denn da oben aus? fragte Kotzebue, ich muß in meiner Reise doch etwas darüber sagen, und bin zu faul, um hinaufzusteigen. Nun beschrieb ihm Tiedge mit vieler Emphase die Größe der himmelansteigenden Kuppel und die gewaltige Ausdehnung des Daches; er bediente sich dabei des Ausdruckes, der Raum sei so groß wie ein Markt. Darauf hin soll in Kotzebues Reise sich die Stelle finden: das Dach der Peterskirche ist von großer Ausdehnung, es wird zuweilen oben Markt gehalten. In welcher Weise Kotzebue die Antiken auffaßte, ergiebt sich aus seiner Bemerkung über die Mediceische Venus, sie komme ihm vor wie eine hübsche Kammerzofe, die der Hausherr im Bade überrasche. Eines Mittags richtete Frau von der Recke an Kotzebue die höchst naive Frage: lieber Freund, Sie haben so vieles hübsche geschrieben, aber die Kritik findet immer etwas daran zu tadeln; warum schreiben Sie nicht einmal ein Buch, das ganz gut ist? Gott soll mich strafen, gnädige Frau, rief Kotzebue in seiner gemeinen Art, wenn ich's nicht so gut mache, als ich kann! ein Schelm giebt mehr, als er hat! Das Weihnachtsfest 1814 ward in unserem Hause sehr froh verlebt. Jeder nahe und ferne Hausfreund erhielt irgend eine Kleinigkeit zum Geschenke; meine Schwester Lilli begleitete die Gaben mit ein paar harmlosen gereim- verkehrte viel bei Frau von der Recke. Er schrieb ebenfalls eine italiänische Reise, verfuhr aber dabei mit seiner gewöhnlichen Liederlichkeit. Eines Abends saß er bei Tiedge, als dieser von einem Besuche des Daches der Peterskirche zurückgekommen war. Wie sieht es denn da oben aus? fragte Kotzebue, ich muß in meiner Reise doch etwas darüber sagen, und bin zu faul, um hinaufzusteigen. Nun beschrieb ihm Tiedge mit vieler Emphase die Größe der himmelansteigenden Kuppel und die gewaltige Ausdehnung des Daches; er bediente sich dabei des Ausdruckes, der Raum sei so groß wie ein Markt. Darauf hin soll in Kotzebues Reise sich die Stelle finden: das Dach der Peterskirche ist von großer Ausdehnung, es wird zuweilen oben Markt gehalten. In welcher Weise Kotzebue die Antiken auffaßte, ergiebt sich aus seiner Bemerkung über die Mediceische Venus, sie komme ihm vor wie eine hübsche Kammerzofe, die der Hausherr im Bade überrasche. Eines Mittags richtete Frau von der Recke an Kotzebue die höchst naive Frage: lieber Freund, Sie haben so vieles hübsche geschrieben, aber die Kritik findet immer etwas daran zu tadeln; warum schreiben Sie nicht einmal ein Buch, das ganz gut ist? Gott soll mich strafen, gnädige Frau, rief Kotzebue in seiner gemeinen Art, wenn ich’s nicht so gut mache, als ich kann! ein Schelm giebt mehr, als er hat! Das Weihnachtsfest 1814 ward in unserem Hause sehr froh verlebt. Jeder nahe und ferne Hausfreund erhielt irgend eine Kleinigkeit zum Geschenke; meine Schwester Lilli begleitete die Gaben mit ein paar harmlosen gereim- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0024" n="16"/> verkehrte viel bei Frau von der Recke. Er schrieb ebenfalls eine italiänische Reise, verfuhr aber dabei mit seiner gewöhnlichen Liederlichkeit. Eines Abends saß er bei Tiedge, als dieser von einem Besuche des Daches der Peterskirche zurückgekommen war. Wie sieht es denn da oben aus? fragte Kotzebue, ich muß in meiner Reise doch etwas darüber sagen, und bin zu faul, um hinaufzusteigen. Nun beschrieb ihm Tiedge mit vieler Emphase die Größe der himmelansteigenden Kuppel und die gewaltige Ausdehnung des Daches; er bediente sich dabei des Ausdruckes, der Raum sei so groß wie ein Markt. Darauf hin soll in Kotzebues Reise sich die Stelle finden: das Dach der Peterskirche ist von großer Ausdehnung, es wird zuweilen oben Markt gehalten. In welcher Weise Kotzebue die Antiken auffaßte, ergiebt sich aus seiner Bemerkung über die Mediceische Venus, sie komme ihm vor wie eine hübsche Kammerzofe, die der Hausherr im Bade überrasche. Eines Mittags richtete Frau von der Recke an Kotzebue die höchst naive Frage: lieber Freund, Sie haben so vieles hübsche geschrieben, aber die Kritik findet immer etwas daran zu tadeln; warum schreiben Sie nicht einmal ein Buch, das ganz gut ist? Gott soll mich strafen, gnädige Frau, rief Kotzebue in seiner gemeinen Art, wenn ich’s nicht so gut mache, als ich kann! ein Schelm giebt mehr, als er hat! </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Das Weihnachtsfest 1814 ward in unserem Hause sehr froh verlebt. Jeder nahe und ferne Hausfreund erhielt irgend eine Kleinigkeit zum Geschenke; meine Schwester Lilli begleitete die Gaben mit ein paar harmlosen gereim- </p> </div> </body> </text> </TEI> [16/0024]
verkehrte viel bei Frau von der Recke. Er schrieb ebenfalls eine italiänische Reise, verfuhr aber dabei mit seiner gewöhnlichen Liederlichkeit. Eines Abends saß er bei Tiedge, als dieser von einem Besuche des Daches der Peterskirche zurückgekommen war. Wie sieht es denn da oben aus? fragte Kotzebue, ich muß in meiner Reise doch etwas darüber sagen, und bin zu faul, um hinaufzusteigen. Nun beschrieb ihm Tiedge mit vieler Emphase die Größe der himmelansteigenden Kuppel und die gewaltige Ausdehnung des Daches; er bediente sich dabei des Ausdruckes, der Raum sei so groß wie ein Markt. Darauf hin soll in Kotzebues Reise sich die Stelle finden: das Dach der Peterskirche ist von großer Ausdehnung, es wird zuweilen oben Markt gehalten. In welcher Weise Kotzebue die Antiken auffaßte, ergiebt sich aus seiner Bemerkung über die Mediceische Venus, sie komme ihm vor wie eine hübsche Kammerzofe, die der Hausherr im Bade überrasche. Eines Mittags richtete Frau von der Recke an Kotzebue die höchst naive Frage: lieber Freund, Sie haben so vieles hübsche geschrieben, aber die Kritik findet immer etwas daran zu tadeln; warum schreiben Sie nicht einmal ein Buch, das ganz gut ist? Gott soll mich strafen, gnädige Frau, rief Kotzebue in seiner gemeinen Art, wenn ich’s nicht so gut mache, als ich kann! ein Schelm giebt mehr, als er hat!
Das Weihnachtsfest 1814 ward in unserem Hause sehr froh verlebt. Jeder nahe und ferne Hausfreund erhielt irgend eine Kleinigkeit zum Geschenke; meine Schwester Lilli begleitete die Gaben mit ein paar harmlosen gereim-
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