Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Universität zum großen Ergötzen der skandalsüchtigen Menge von Mund zu Mund gingen. Wolf sollte unter andern in Bezug auf Schleiermacber gesagt haben: er fürchte sich gar nicht vor dem kleinen geistreichen Nußknacker! Wolfs Stellung in Berlin wurde durch diese Zänkereien, an denen er selbst Schuld war, immer einsamer; er ging nur noch mit den wenigen um, die ihm ganz unbedingt huldigten; seine Gesundheit nahm ab, er reiste in das südliche Frankreich und starb in Marseille den 8. August 1824, im 65. Jahre. Außer den Fachkollegien wurden im Anfange der Semester von der lernbegierigen Jugend einzelne Vorlesungen berühmter Professoren hospitando besucht. Man erhielt dadurch eine ungefähre Uebersicht aller an der Universität wirkenden Kräfte, und die Gespräche der mittheilsamen Kommilitonen gaben über die Persönlichkeiten der Lehrer eine zwar recht ausführliche, aber oft unzuverlässige Kunde. Als Historiker, Orientalist und Bibliothekar genoß Professor Wilken eines ausgezeichneten Rufes. Seine persische Chrestomathie und seine Geschichte der Kreuzzüge hatten ihm einen bedeutenden Namen erworben. An der Bibliothek war er eifrig bemüht, die litterarischen Schätze für die Studenten zugänglicher zu machen, als dies bisher der Fall gewesen. Da Wilken im Hause meiner Aeltern ein willkomner Gast war, so kam ich auch öfter in das große Bibliothekgebäude, dessen auffallende Inschrift: Nutrimentum spiritus, uns schon als wir noch angehende Lateiner waren, in Verwunderung gesetzt. Ein befreundeter Kustos gab die Erklärung davon. Friedrich II. suchte für die eben fertig gewordene Bibliothek nach einer Universität zum großen Ergötzen der skandalsüchtigen Menge von Mund zu Mund gingen. Wolf sollte unter andern in Bezug auf Schleiermacber gesagt haben: er fürchte sich gar nicht vor dem kleinen geistreichen Nußknacker! Wolfs Stellung in Berlin wurde durch diese Zänkereien, an denen er selbst Schuld war, immer einsamer; er ging nur noch mit den wenigen um, die ihm ganz unbedingt huldigten; seine Gesundheit nahm ab, er reiste in das südliche Frankreich und starb in Marseille den 8. August 1824, im 65. Jahre. Außer den Fachkollegien wurden im Anfange der Semester von der lernbegierigen Jugend einzelne Vorlesungen berühmter Professoren hospitando besucht. Man erhielt dadurch eine ungefähre Uebersicht aller an der Universität wirkenden Kräfte, und die Gespräche der mittheilsamen Kommilitonen gaben über die Persönlichkeiten der Lehrer eine zwar recht ausführliche, aber oft unzuverlässige Kunde. Als Historiker, Orientalist und Bibliothekar genoß Professor Wilken eines ausgezeichneten Rufes. Seine persische Chrestomathie und seine Geschichte der Kreuzzüge hatten ihm einen bedeutenden Namen erworben. An der Bibliothek war er eifrig bemüht, die litterarischen Schätze für die Studenten zugänglicher zu machen, als dies bisher der Fall gewesen. Da Wilken im Hause meiner Aeltern ein willkomner Gast war, so kam ich auch öfter in das große Bibliothekgebäude, dessen auffallende Inschrift: Nutrimentum spiritus, uns schon als wir noch angehende Lateiner waren, in Verwunderung gesetzt. Ein befreundeter Kustos gab die Erklärung davon. Friedrich II. suchte für die eben fertig gewordene Bibliothek nach einer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0242" n="234"/> Universität zum großen Ergötzen der skandalsüchtigen Menge von Mund zu Mund gingen. 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Seine persische Chrestomathie und seine Geschichte der Kreuzzüge hatten ihm einen bedeutenden Namen erworben. An der Bibliothek war er eifrig bemüht, die litterarischen Schätze für die Studenten zugänglicher zu machen, als dies bisher der Fall gewesen. Da Wilken im Hause meiner Aeltern ein willkomner Gast war, so kam ich auch öfter in das große Bibliothekgebäude, dessen auffallende Inschrift: Nutrimentum spiritus, uns schon als wir noch angehende Lateiner waren, in Verwunderung gesetzt. Ein befreundeter Kustos gab die Erklärung davon. Friedrich II. suchte für die eben fertig gewordene Bibliothek nach einer </p> </div> </body> </text> </TEI> [234/0242]
Universität zum großen Ergötzen der skandalsüchtigen Menge von Mund zu Mund gingen. Wolf sollte unter andern in Bezug auf Schleiermacber gesagt haben: er fürchte sich gar nicht vor dem kleinen geistreichen Nußknacker!
Wolfs Stellung in Berlin wurde durch diese Zänkereien, an denen er selbst Schuld war, immer einsamer; er ging nur noch mit den wenigen um, die ihm ganz unbedingt huldigten; seine Gesundheit nahm ab, er reiste in das südliche Frankreich und starb in Marseille den 8. August 1824, im 65. Jahre.
Außer den Fachkollegien wurden im Anfange der Semester von der lernbegierigen Jugend einzelne Vorlesungen berühmter Professoren hospitando besucht. Man erhielt dadurch eine ungefähre Uebersicht aller an der Universität wirkenden Kräfte, und die Gespräche der mittheilsamen Kommilitonen gaben über die Persönlichkeiten der Lehrer eine zwar recht ausführliche, aber oft unzuverlässige Kunde.
Als Historiker, Orientalist und Bibliothekar genoß Professor Wilken eines ausgezeichneten Rufes. Seine persische Chrestomathie und seine Geschichte der Kreuzzüge hatten ihm einen bedeutenden Namen erworben. An der Bibliothek war er eifrig bemüht, die litterarischen Schätze für die Studenten zugänglicher zu machen, als dies bisher der Fall gewesen. Da Wilken im Hause meiner Aeltern ein willkomner Gast war, so kam ich auch öfter in das große Bibliothekgebäude, dessen auffallende Inschrift: Nutrimentum spiritus, uns schon als wir noch angehende Lateiner waren, in Verwunderung gesetzt. Ein befreundeter Kustos gab die Erklärung davon. Friedrich II. suchte für die eben fertig gewordene Bibliothek nach einer
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