Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Kataloge in der Hand machte, so konnte es nicht fehlen, daß ich bei vielen Bildern die Namen der Meister aus dem Kopfe angeben konnte. Klein merkte sehr bald, daß ich mir im Gespräche etwas darauf zu gute that, und heilte mich von dieser Eitelkeit, indem er einmal spöttisch lachend sagte: du wirst wohl bald so weit sein, wie der Göthesche Kunstkenner, es fehlt nur noch der Zahnstocher! Der gute Herr, der ging herum. Und stochert sich die Zähne, Registrirt in Catalogum Mir meine Göttersöhne! Seitdem ward es ein geflügeltes Wort in unserm Jugendkreise, daß sobald jemand in den Lehrton fiel, was dem gelehrten Abeken nur zu oft geschah, es gleich hieß: jetzt braucht er den Zahnstocher! Neben der Gallerie versäumten wir nicht, die berühmten Gypsabgüsse von Mengs zu besuchen, von denen mir schon mein guter Lehrer Dähling in Berlin gesprochen. Der Maler Rafael Mengs hatte für den kunstliebenden Kurfürsten August III. eine Anzahl antiker Statuen in Italien und Spanien abformen lassen, was in jener Zeit nicht so leicht zu bewerkstelligen war als heutzutage. Sie blieben lange Zeit unzugänglich, und standen nun endlich im Erdgeschosse des königlichen Stallgebäudes in sehr ungünstigem Lichte. Dennoch machten sie eine bedeutende Wirkung. Die aus Millins kleinen sauberen Umrissen mir wohlbekannten Statuen traten hier in machtvoller Wirklichkeit auf, aber ihren äußerlichen Zustand konnte man geradezu einen unerträglichen nennen. Auf der langen Seereise war das Meerwasser in die schlecht verwahrten Kataloge in der Hand machte, so konnte es nicht fehlen, daß ich bei vielen Bildern die Namen der Meister aus dem Kopfe angeben konnte. Klein merkte sehr bald, daß ich mir im Gespräche etwas darauf zu gute that, und heilte mich von dieser Eitelkeit, indem er einmal spöttisch lachend sagte: du wirst wohl bald so weit sein, wie der Göthesche Kunstkenner, es fehlt nur noch der Zahnstocher! Der gute Herr, der ging herum. Und stochert sich die Zähne, Registrirt in Catalogum Mir meine Göttersöhne! Seitdem ward es ein geflügeltes Wort in unserm Jugendkreise, daß sobald jemand in den Lehrton fiel, was dem gelehrten Abeken nur zu oft geschah, es gleich hieß: jetzt braucht er den Zahnstocher! Neben der Gallerie versäumten wir nicht, die berühmten Gypsabgüsse von Mengs zu besuchen, von denen mir schon mein guter Lehrer Dähling in Berlin gesprochen. Der Maler Rafael Mengs hatte für den kunstliebenden Kurfürsten August III. eine Anzahl antiker Statuen in Italien und Spanien abformen lassen, was in jener Zeit nicht so leicht zu bewerkstelligen war als heutzutage. Sie blieben lange Zeit unzugänglich, und standen nun endlich im Erdgeschosse des königlichen Stallgebäudes in sehr ungünstigem Lichte. Dennoch machten sie eine bedeutende Wirkung. Die aus Millins kleinen sauberen Umrissen mir wohlbekannten Statuen traten hier in machtvoller Wirklichkeit auf, aber ihren äußerlichen Zustand konnte man geradezu einen unerträglichen nennen. Auf der langen Seereise war das Meerwasser in die schlecht verwahrten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0309" n="301"/> Kataloge in der Hand machte, so konnte es nicht fehlen, daß ich bei vielen Bildern die Namen der Meister aus dem Kopfe angeben konnte. Klein merkte sehr bald, daß ich mir im Gespräche etwas darauf zu gute that, und heilte mich von dieser Eitelkeit, indem er einmal spöttisch lachend sagte: du wirst wohl bald so weit sein, wie der Göthesche Kunstkenner, es fehlt nur noch der Zahnstocher! </p><lb/> <p>Der gute Herr, der ging herum. </p><lb/> <p>Und stochert sich die Zähne, </p><lb/> <p>Registrirt in Catalogum </p><lb/> <p>Mir meine Göttersöhne! </p><lb/> <p>Seitdem ward es ein geflügeltes Wort in unserm Jugendkreise, daß sobald jemand in den Lehrton fiel, was dem gelehrten Abeken nur zu oft geschah, es gleich hieß: jetzt braucht er den Zahnstocher! </p><lb/> <p>Neben der Gallerie versäumten wir nicht, die berühmten Gypsabgüsse von Mengs zu besuchen, von denen mir schon mein guter Lehrer Dähling in Berlin gesprochen. Der Maler Rafael Mengs hatte für den kunstliebenden Kurfürsten August III. eine Anzahl antiker Statuen in Italien und Spanien abformen lassen, was in jener Zeit nicht so leicht zu bewerkstelligen war als heutzutage. Sie blieben lange Zeit unzugänglich, und standen nun endlich im Erdgeschosse des königlichen Stallgebäudes in sehr ungünstigem Lichte. Dennoch machten sie eine bedeutende Wirkung. Die aus Millins kleinen sauberen Umrissen mir wohlbekannten Statuen traten hier in machtvoller Wirklichkeit auf, aber ihren äußerlichen Zustand konnte man geradezu einen unerträglichen nennen. Auf der langen Seereise war das Meerwasser in die schlecht verwahrten </p> </div> </body> </text> </TEI> [301/0309]
Kataloge in der Hand machte, so konnte es nicht fehlen, daß ich bei vielen Bildern die Namen der Meister aus dem Kopfe angeben konnte. Klein merkte sehr bald, daß ich mir im Gespräche etwas darauf zu gute that, und heilte mich von dieser Eitelkeit, indem er einmal spöttisch lachend sagte: du wirst wohl bald so weit sein, wie der Göthesche Kunstkenner, es fehlt nur noch der Zahnstocher!
Der gute Herr, der ging herum.
Und stochert sich die Zähne,
Registrirt in Catalogum
Mir meine Göttersöhne!
Seitdem ward es ein geflügeltes Wort in unserm Jugendkreise, daß sobald jemand in den Lehrton fiel, was dem gelehrten Abeken nur zu oft geschah, es gleich hieß: jetzt braucht er den Zahnstocher!
Neben der Gallerie versäumten wir nicht, die berühmten Gypsabgüsse von Mengs zu besuchen, von denen mir schon mein guter Lehrer Dähling in Berlin gesprochen. Der Maler Rafael Mengs hatte für den kunstliebenden Kurfürsten August III. eine Anzahl antiker Statuen in Italien und Spanien abformen lassen, was in jener Zeit nicht so leicht zu bewerkstelligen war als heutzutage. Sie blieben lange Zeit unzugänglich, und standen nun endlich im Erdgeschosse des königlichen Stallgebäudes in sehr ungünstigem Lichte. Dennoch machten sie eine bedeutende Wirkung. Die aus Millins kleinen sauberen Umrissen mir wohlbekannten Statuen traten hier in machtvoller Wirklichkeit auf, aber ihren äußerlichen Zustand konnte man geradezu einen unerträglichen nennen. Auf der langen Seereise war das Meerwasser in die schlecht verwahrten
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