Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].einer schönen, seelenerheiternden Aussicht stromauf- und stromabwärts genoß. Die Stunden verflossen im anregenden Gespräche: denn Ritter verstand es wie wenige, die anziehendsten Sachen über Länder und Völker aus dem immensen Schatze seiner Gelehrsamkeit mitzutheilen, ohne trotz seines Lehrtones langweilig zu werden. Die heitre behagliche Stimmung seiner Häuslichkeit ist mir immer gegenwärtig geblieben. Bald darauf ward Ritter nach Berlin berufen, und wirkte hier als Professor an der Universität und an der Kriegschule länger als ein Menschenalter für die von ihm gegründete Wissenschaft. Sein großes geographisches Werk ging durch den alljährlich zuströmenden neuen Stoff zuletzt etwas ins breite. Die Zahl seiner Schüler belief sich auf viele Hunderte. Bis an das Ende seines Lebens (1859) habe ich mich seiner unveränderten Freundschaft zu erfreuen gehabt. Von Frankfurt nach Heidelberg konnte man damals nur mit großer Mühe an einem Tage gelangen; wir beschlossen also die Nacht in Darmstadt zu bleiben, um die Bergstraße in der Nachmittagsbeleuchtung zu sehn. Dies ward auch ausgeführt, aber am folgenden Tage versäumten wir durch ein Misverstehen des pfälzischen Dialektes des Kellners die Abfahrt der Joumaliere. Um nicht einen ganzen Tag und noch eine Nacht in Darmstadt zu bleiben - denn die Journaliere ging nur morgens früh - ward ein Hauderer gemiethet, der seine Pferde eine gute Stunde abfütterte, ehe er anspannte; unterwegs fehlte es nicht an mancherlei Aufenthalt; so sahen wir zwar die Bergstraße im besten Lichte, erreichten aber Heidelberg erst lange nach Sonnenuntergang am 2. Oktober, dem Geburtstage einer schönen, seelenerheiternden Aussicht stromauf- und stromabwärts genoß. Die Stunden verflossen im anregenden Gespräche: denn Ritter verstand es wie wenige, die anziehendsten Sachen über Länder und Völker aus dem immensen Schatze seiner Gelehrsamkeit mitzutheilen, ohne trotz seines Lehrtones langweilig zu werden. Die heitre behagliche Stimmung seiner Häuslichkeit ist mir immer gegenwärtig geblieben. Bald darauf ward Ritter nach Berlin berufen, und wirkte hier als Professor an der Universität und an der Kriegschule länger als ein Menschenalter für die von ihm gegründete Wissenschaft. Sein großes geographisches Werk ging durch den alljährlich zuströmenden neuen Stoff zuletzt etwas ins breite. Die Zahl seiner Schüler belief sich auf viele Hunderte. Bis an das Ende seines Lebens (1859) habe ich mich seiner unveränderten Freundschaft zu erfreuen gehabt. Von Frankfurt nach Heidelberg konnte man damals nur mit großer Mühe an einem Tage gelangen; wir beschlossen also die Nacht in Darmstadt zu bleiben, um die Bergstraße in der Nachmittagsbeleuchtung zu sehn. Dies ward auch ausgeführt, aber am folgenden Tage versäumten wir durch ein Misverstehen des pfälzischen Dialektes des Kellners die Abfahrt der Joumaliere. Um nicht einen ganzen Tag und noch eine Nacht in Darmstadt zu bleiben – denn die Journaliere ging nur morgens früh – ward ein Hauderer gemiethet, der seine Pferde eine gute Stunde abfütterte, ehe er anspannte; unterwegs fehlte es nicht an mancherlei Aufenthalt; so sahen wir zwar die Bergstraße im besten Lichte, erreichten aber Heidelberg erst lange nach Sonnenuntergang am 2. Oktober, dem Geburtstage <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0316" n="308"/> einer schönen, seelenerheiternden Aussicht stromauf- und stromabwärts genoß. Die Stunden verflossen im anregenden Gespräche: denn Ritter verstand es wie wenige, die anziehendsten Sachen über Länder und Völker aus dem immensen Schatze seiner Gelehrsamkeit mitzutheilen, ohne trotz seines Lehrtones langweilig zu werden. 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Um nicht einen ganzen Tag und noch eine Nacht in Darmstadt zu bleiben – denn die Journaliere ging nur morgens früh – ward ein Hauderer gemiethet, der seine Pferde eine gute Stunde abfütterte, ehe er anspannte; unterwegs fehlte es nicht an mancherlei Aufenthalt; so sahen wir zwar die Bergstraße im besten Lichte, erreichten aber Heidelberg erst lange nach Sonnenuntergang am 2. Oktober, dem Geburtstage </p> </div> </body> </text> </TEI> [308/0316]
einer schönen, seelenerheiternden Aussicht stromauf- und stromabwärts genoß. Die Stunden verflossen im anregenden Gespräche: denn Ritter verstand es wie wenige, die anziehendsten Sachen über Länder und Völker aus dem immensen Schatze seiner Gelehrsamkeit mitzutheilen, ohne trotz seines Lehrtones langweilig zu werden. Die heitre behagliche Stimmung seiner Häuslichkeit ist mir immer gegenwärtig geblieben.
Bald darauf ward Ritter nach Berlin berufen, und wirkte hier als Professor an der Universität und an der Kriegschule länger als ein Menschenalter für die von ihm gegründete Wissenschaft. Sein großes geographisches Werk ging durch den alljährlich zuströmenden neuen Stoff zuletzt etwas ins breite. Die Zahl seiner Schüler belief sich auf viele Hunderte. Bis an das Ende seines Lebens (1859) habe ich mich seiner unveränderten Freundschaft zu erfreuen gehabt.
Von Frankfurt nach Heidelberg konnte man damals nur mit großer Mühe an einem Tage gelangen; wir beschlossen also die Nacht in Darmstadt zu bleiben, um die Bergstraße in der Nachmittagsbeleuchtung zu sehn. Dies ward auch ausgeführt, aber am folgenden Tage versäumten wir durch ein Misverstehen des pfälzischen Dialektes des Kellners die Abfahrt der Joumaliere. Um nicht einen ganzen Tag und noch eine Nacht in Darmstadt zu bleiben – denn die Journaliere ging nur morgens früh – ward ein Hauderer gemiethet, der seine Pferde eine gute Stunde abfütterte, ehe er anspannte; unterwegs fehlte es nicht an mancherlei Aufenthalt; so sahen wir zwar die Bergstraße im besten Lichte, erreichten aber Heidelberg erst lange nach Sonnenuntergang am 2. Oktober, dem Geburtstage
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