Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Frau von der Recke nach Berlin, und schloß sich bald in enger Freundschaft an meine Schwester Lilli an. Es wurde mit mehreren Bekannten und Freunden eine gemeinsame Tanzstunde angeordnet, in der Fräulein Minchen vor allen andern durch Schönheit und Anmuth glänzte. Auf mich machte sie den tiefsten Eindruck. Der Gedanke an sie erschien mir wie die Morgenröthe eines hellen Tages, und wenn sie mich ansah, war mir, als ständ' ich in der Sonne. Ich ließ meine Erregung in begeisterten Versen ausströmen, ja ich hatte die Kühnheit, ihr einige Gedichte, welche ich für die gelungensten hielt, durch einen Freund überreichen zu lassen. Allein sie war so unerfahren in dergleichen Angelegenheiten, daß sie in ihrer Unschuld die Verse zu Frau von der Recke trug. Diese nahm die Sache ganz ernsthaft. Von ihren liebevollen und eindringlichen Vorstellungen war ich wie zerknirscht; lange konnte ich mich nicht zurechtfinden: denn ich hatte eben nur im Drange meines natürlichen Gefühls gehandelt. Frau von der Recke nahm im Frühjahre 1816 ihre schöne Pflegbefohlene mit nach Karlsbad zurück; mir aber kam die freundliche Erscheinung niemals wieder aus dem Sinne. Mehrere Jahre später sah ich sie in Karlsbad wieder, und 1824 ward zu dem Bunde der Herzen auch der der Hände hinzugefügt, der nun schon 47 Jahre besteht. Frau von der Recke nach Berlin, und schloß sich bald in enger Freundschaft an meine Schwester Lilli an. Es wurde mit mehreren Bekannten und Freunden eine gemeinsame Tanzstunde angeordnet, in der Fräulein Minchen vor allen andern durch Schönheit und Anmuth glänzte. Auf mich machte sie den tiefsten Eindruck. Der Gedanke an sie erschien mir wie die Morgenröthe eines hellen Tages, und wenn sie mich ansah, war mir, als ständ’ ich in der Sonne. Ich ließ meine Erregung in begeisterten Versen ausströmen, ja ich hatte die Kühnheit, ihr einige Gedichte, welche ich für die gelungensten hielt, durch einen Freund überreichen zu lassen. Allein sie war so unerfahren in dergleichen Angelegenheiten, daß sie in ihrer Unschuld die Verse zu Frau von der Recke trug. Diese nahm die Sache ganz ernsthaft. Von ihren liebevollen und eindringlichen Vorstellungen war ich wie zerknirscht; lange konnte ich mich nicht zurechtfinden: denn ich hatte eben nur im Drange meines natürlichen Gefühls gehandelt. Frau von der Recke nahm im Frühjahre 1816 ihre schöne Pflegbefohlene mit nach Karlsbad zurück; mir aber kam die freundliche Erscheinung niemals wieder aus dem Sinne. Mehrere Jahre später sah ich sie in Karlsbad wieder, und 1824 ward zu dem Bunde der Herzen auch der der Hände hinzugefügt, der nun schon 47 Jahre besteht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0034" n="26"/> Frau von der Recke nach Berlin, und schloß sich bald in enger Freundschaft an meine Schwester Lilli an. Es wurde mit mehreren Bekannten und Freunden eine gemeinsame Tanzstunde angeordnet, in der Fräulein Minchen vor allen andern durch Schönheit und Anmuth glänzte. Auf mich machte sie den tiefsten Eindruck. Der Gedanke an sie erschien mir wie die Morgenröthe eines hellen Tages, und wenn sie mich ansah, war mir, als ständ’ ich in der Sonne. Ich ließ meine Erregung in begeisterten Versen ausströmen, ja ich hatte die Kühnheit, ihr einige Gedichte, welche ich für die gelungensten hielt, durch einen Freund überreichen zu lassen. Allein sie war so unerfahren in dergleichen Angelegenheiten, daß sie in ihrer Unschuld die Verse zu Frau von der Recke trug. Diese nahm die Sache ganz ernsthaft. Von ihren liebevollen und eindringlichen Vorstellungen war ich wie zerknirscht; lange konnte ich mich nicht zurechtfinden: denn ich hatte eben nur im Drange meines natürlichen Gefühls gehandelt. Frau von der Recke nahm im Frühjahre 1816 ihre schöne Pflegbefohlene mit nach Karlsbad zurück; mir aber kam die freundliche Erscheinung niemals wieder aus dem Sinne. Mehrere Jahre später sah ich sie in Karlsbad wieder, und 1824 ward zu dem Bunde der Herzen auch der der Hände hinzugefügt, der nun schon 47 Jahre besteht.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [26/0034]
Frau von der Recke nach Berlin, und schloß sich bald in enger Freundschaft an meine Schwester Lilli an. Es wurde mit mehreren Bekannten und Freunden eine gemeinsame Tanzstunde angeordnet, in der Fräulein Minchen vor allen andern durch Schönheit und Anmuth glänzte. Auf mich machte sie den tiefsten Eindruck. Der Gedanke an sie erschien mir wie die Morgenröthe eines hellen Tages, und wenn sie mich ansah, war mir, als ständ’ ich in der Sonne. Ich ließ meine Erregung in begeisterten Versen ausströmen, ja ich hatte die Kühnheit, ihr einige Gedichte, welche ich für die gelungensten hielt, durch einen Freund überreichen zu lassen. Allein sie war so unerfahren in dergleichen Angelegenheiten, daß sie in ihrer Unschuld die Verse zu Frau von der Recke trug. Diese nahm die Sache ganz ernsthaft. Von ihren liebevollen und eindringlichen Vorstellungen war ich wie zerknirscht; lange konnte ich mich nicht zurechtfinden: denn ich hatte eben nur im Drange meines natürlichen Gefühls gehandelt. Frau von der Recke nahm im Frühjahre 1816 ihre schöne Pflegbefohlene mit nach Karlsbad zurück; mir aber kam die freundliche Erscheinung niemals wieder aus dem Sinne. Mehrere Jahre später sah ich sie in Karlsbad wieder, und 1824 ward zu dem Bunde der Herzen auch der der Hände hinzugefügt, der nun schon 47 Jahre besteht.
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