Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].von selbst an die Spitze des Kongresses trat. Sein unbedingter Absolutismus, der Oestreich und beinahe ganz Europa mehr als ein Menschenalter hindurch in den schmählichsten Banden gehalten, trat damals noch nicht so grell hervor, als später. Man erfuhr wohl, daß er von den reinsten monarchischen Gesinnungen beseelt, aber auch dem Ausdrucke entgegenstehender Meinungen zugänglich, und im persönlichen Umgange von einer unwiderstehlichen Liebenswürdigkeit sei. Hier wird es am Orte sein, eine Aeußerung von ihm aus seiner spätesten Zeit aufzuzeichnen, die er im Jahre 1846 in einem Kreise vertrauter Diplomaten gethan. Wenn ich zurückdenke, sagte der damals 73jährige Staatskanzler, wie es gekommen, daß ich seit so vielen Jahren die Staatsgeschäfte mit Glück geleitet, so finde ich die Ursache darin, daß ich in Betreff der Sachen die gröste Strenge beobachtet, doch in Betreff der Personen mich immer von den wohlwollendsten Gesinnungen habe leiten lassen. Diese Eigenschaft eines wohlwollenden geistigen Uebergewichtes trat schon auf dem wiener Kongresse hervor, wo hundertfältige Forderungen und Ansprüche wie die Wogen eines wildbewegten Meeres durcheinander liefen. Als Metternich im Anfange des Kongresses auf kurze Zeit nach Ungarn gereist war, gewannen die Debatten ein so krauses Ansehn, daß man einstimmig beschloß, die Sitzungen auf 14 Tage auszusetzen, bis er zurückgekehrt sei. Von den Verhandlungen des Kongresses, die später in ausführlichen Werken niedergelegt wurden, gaben uns die Zeitungen nur magre Andeutungen; was man durch einige befreundete Reisende von dem lustigen wiener Leben erfuhr, war nicht eben geeignet, von der Sittlichkeit der von selbst an die Spitze des Kongresses trat. Sein unbedingter Absolutismus, der Oestreich und beinahe ganz Europa mehr als ein Menschenalter hindurch in den schmählichsten Banden gehalten, trat damals noch nicht so grell hervor, als später. Man erfuhr wohl, daß er von den reinsten monarchischen Gesinnungen beseelt, aber auch dem Ausdrucke entgegenstehender Meinungen zugänglich, und im persönlichen Umgange von einer unwiderstehlichen Liebenswürdigkeit sei. Hier wird es am Orte sein, eine Aeußerung von ihm aus seiner spätesten Zeit aufzuzeichnen, die er im Jahre 1846 in einem Kreise vertrauter Diplomaten gethan. Wenn ich zurückdenke, sagte der damals 73jährige Staatskanzler, wie es gekommen, daß ich seit so vielen Jahren die Staatsgeschäfte mit Glück geleitet, so finde ich die Ursache darin, daß ich in Betreff der Sachen die gröste Strenge beobachtet, doch in Betreff der Personen mich immer von den wohlwollendsten Gesinnungen habe leiten lassen. Diese Eigenschaft eines wohlwollenden geistigen Uebergewichtes trat schon auf dem wiener Kongresse hervor, wo hundertfältige Forderungen und Ansprüche wie die Wogen eines wildbewegten Meeres durcheinander liefen. Als Metternich im Anfange des Kongresses auf kurze Zeit nach Ungarn gereist war, gewannen die Debatten ein so krauses Ansehn, daß man einstimmig beschloß, die Sitzungen auf 14 Tage auszusetzen, bis er zurückgekehrt sei. Von den Verhandlungen des Kongresses, die später in ausführlichen Werken niedergelegt wurden, gaben uns die Zeitungen nur magre Andeutungen; was man durch einige befreundete Reisende von dem lustigen wiener Leben erfuhr, war nicht eben geeignet, von der Sittlichkeit der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0036" n="28"/> von selbst an die Spitze des Kongresses trat. Sein unbedingter Absolutismus, der Oestreich und beinahe ganz Europa mehr als ein Menschenalter hindurch in den schmählichsten Banden gehalten, trat damals noch nicht so grell hervor, als später. Man erfuhr wohl, daß er von den reinsten monarchischen Gesinnungen beseelt, aber auch dem Ausdrucke entgegenstehender Meinungen zugänglich, und im persönlichen Umgange von einer unwiderstehlichen Liebenswürdigkeit sei. </p><lb/> <p>Hier wird es am Orte sein, eine Aeußerung von ihm aus seiner spätesten Zeit aufzuzeichnen, die er im Jahre 1846 in einem Kreise vertrauter Diplomaten gethan. Wenn ich zurückdenke, sagte der damals 73jährige Staatskanzler, wie es gekommen, daß ich seit so vielen Jahren die Staatsgeschäfte mit Glück geleitet, so finde ich die Ursache darin, daß ich in Betreff der Sachen die gröste Strenge beobachtet, doch in Betreff der Personen mich immer von den wohlwollendsten Gesinnungen habe leiten lassen. </p><lb/> <p>Diese Eigenschaft eines wohlwollenden geistigen Uebergewichtes trat schon auf dem wiener Kongresse hervor, wo hundertfältige Forderungen und Ansprüche wie die Wogen eines wildbewegten Meeres durcheinander liefen. Als Metternich im Anfange des Kongresses auf kurze Zeit nach Ungarn gereist war, gewannen die Debatten ein so krauses Ansehn, daß man einstimmig beschloß, die Sitzungen auf 14 Tage auszusetzen, bis er zurückgekehrt sei. </p><lb/> <p>Von den Verhandlungen des Kongresses, die später in ausführlichen Werken niedergelegt wurden, gaben uns die Zeitungen nur magre Andeutungen; was man durch einige befreundete Reisende von dem lustigen wiener Leben erfuhr, war nicht eben geeignet, von der Sittlichkeit der </p> </div> </body> </text> </TEI> [28/0036]
von selbst an die Spitze des Kongresses trat. Sein unbedingter Absolutismus, der Oestreich und beinahe ganz Europa mehr als ein Menschenalter hindurch in den schmählichsten Banden gehalten, trat damals noch nicht so grell hervor, als später. Man erfuhr wohl, daß er von den reinsten monarchischen Gesinnungen beseelt, aber auch dem Ausdrucke entgegenstehender Meinungen zugänglich, und im persönlichen Umgange von einer unwiderstehlichen Liebenswürdigkeit sei.
Hier wird es am Orte sein, eine Aeußerung von ihm aus seiner spätesten Zeit aufzuzeichnen, die er im Jahre 1846 in einem Kreise vertrauter Diplomaten gethan. Wenn ich zurückdenke, sagte der damals 73jährige Staatskanzler, wie es gekommen, daß ich seit so vielen Jahren die Staatsgeschäfte mit Glück geleitet, so finde ich die Ursache darin, daß ich in Betreff der Sachen die gröste Strenge beobachtet, doch in Betreff der Personen mich immer von den wohlwollendsten Gesinnungen habe leiten lassen.
Diese Eigenschaft eines wohlwollenden geistigen Uebergewichtes trat schon auf dem wiener Kongresse hervor, wo hundertfältige Forderungen und Ansprüche wie die Wogen eines wildbewegten Meeres durcheinander liefen. Als Metternich im Anfange des Kongresses auf kurze Zeit nach Ungarn gereist war, gewannen die Debatten ein so krauses Ansehn, daß man einstimmig beschloß, die Sitzungen auf 14 Tage auszusetzen, bis er zurückgekehrt sei.
Von den Verhandlungen des Kongresses, die später in ausführlichen Werken niedergelegt wurden, gaben uns die Zeitungen nur magre Andeutungen; was man durch einige befreundete Reisende von dem lustigen wiener Leben erfuhr, war nicht eben geeignet, von der Sittlichkeit der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1)
(2014-01-07T13:04:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |