Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Fluchabwenders zur Sühne seiner That habe anfertigen lassen. Ueber diesen Kunststudien ward der Besuch der münchener Bibliothek nicht versäumt. Professor Lichtenthaler war die Gefälligkeit selbst, der Katalog in musterhafter Ordnung. Paul erhielt für seine Zwecke alles was er nur wünschen konnte, die obskursten Dissertationen, selbst wenn sie in Miscellanbänden steckten, wurden ihm augenblicklich gereicht. Ich begnügte mich mit der Betrachtung der Fülle von herrlichen Miniaturen aus allen Zeitaltern. Die Sekularisirung so vieler bairischen Klöster unter dem gründlich aufräumenden Ministerium Montgelas hatte der Bibliothek einen Schatz von Handschriften und Druckwerken zugeführt, gröstentheils zwar nur theologischer Natur, doch auch in den andern Fächern nicht unbedeutend. Der numerische Zuwachs an Bänden war so gros geworden, daß Lichtenthaler im Scherze die Furcht aussprach, der Inhalt könne einmal die Form sprengen. Erst mehrere Jahre nachher ward durch König Ludwig I. das neue grosartige Bibliotheksgebäude hergestellt. Man hat sich in diesem mit richtiger Ueberlegung auf einen Zuwachs von mindestens 100 Jahren gefaßt gemacht, weshalb beim Durchwandeln der weiten Säle ein gewisses Gefühl der Leerheit ganz natürlich erscheint. Auch für die Bedürfnisse der Universität sorgte König Ludwig I. später durch einen hellen, breiten, glänzenden Bau. Wir besuchten noch die alten, einem Stifte oder Kloster abgenommenen Räume; sie waren eng, finster, unzweckmäßig; es wehte in ihnen ein Hauch mönchischer Gelehrsamkeit, die man sich von gothischen Bogenfenstern mit runden Scheiben, von braunen eichenen Tischen, von Fluchabwenders zur Sühne seiner That habe anfertigen lassen. Ueber diesen Kunststudien ward der Besuch der münchener Bibliothek nicht versäumt. Professor Lichtenthaler war die Gefälligkeit selbst, der Katalog in musterhafter Ordnung. Paul erhielt für seine Zwecke alles was er nur wünschen konnte, die obskursten Dissertationen, selbst wenn sie in Miscellanbänden steckten, wurden ihm augenblicklich gereicht. Ich begnügte mich mit der Betrachtung der Fülle von herrlichen Miniaturen aus allen Zeitaltern. Die Sekularisirung so vieler bairischen Klöster unter dem gründlich aufräumenden Ministerium Montgelas hatte der Bibliothek einen Schatz von Handschriften und Druckwerken zugeführt, gröstentheils zwar nur theologischer Natur, doch auch in den andern Fächern nicht unbedeutend. Der numerische Zuwachs an Bänden war so gros geworden, daß Lichtenthaler im Scherze die Furcht aussprach, der Inhalt könne einmal die Form sprengen. Erst mehrere Jahre nachher ward durch König Ludwig I. das neue grosartige Bibliotheksgebäude hergestellt. Man hat sich in diesem mit richtiger Ueberlegung auf einen Zuwachs von mindestens 100 Jahren gefaßt gemacht, weshalb beim Durchwandeln der weiten Säle ein gewisses Gefühl der Leerheit ganz natürlich erscheint. Auch für die Bedürfnisse der Universität sorgte König Ludwig I. später durch einen hellen, breiten, glänzenden Bau. Wir besuchten noch die alten, einem Stifte oder Kloster abgenommenen Räume; sie waren eng, finster, unzweckmäßig; es wehte in ihnen ein Hauch mönchischer Gelehrsamkeit, die man sich von gothischen Bogenfenstern mit runden Scheiben, von braunen eichenen Tischen, von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0360" n="352"/> Fluchabwenders zur Sühne seiner That habe anfertigen lassen. </p><lb/> <p>Ueber diesen Kunststudien ward der Besuch der münchener Bibliothek nicht versäumt. Professor Lichtenthaler war die Gefälligkeit selbst, der Katalog in musterhafter Ordnung. Paul erhielt für seine Zwecke alles was er nur wünschen konnte, die obskursten Dissertationen, selbst wenn sie in Miscellanbänden steckten, wurden ihm augenblicklich gereicht. Ich begnügte mich mit der Betrachtung der Fülle von herrlichen Miniaturen aus allen Zeitaltern. Die Sekularisirung so vieler bairischen Klöster unter dem gründlich aufräumenden Ministerium Montgelas hatte der Bibliothek einen Schatz von Handschriften und Druckwerken zugeführt, gröstentheils zwar nur theologischer Natur, doch auch in den andern Fächern nicht unbedeutend. Der numerische Zuwachs an Bänden war so gros geworden, daß Lichtenthaler im Scherze die Furcht aussprach, der Inhalt könne einmal die Form sprengen. Erst mehrere Jahre nachher ward durch König Ludwig I. das neue grosartige Bibliotheksgebäude hergestellt. Man hat sich in diesem mit richtiger Ueberlegung auf einen Zuwachs von mindestens 100 Jahren gefaßt gemacht, weshalb beim Durchwandeln der weiten Säle ein gewisses Gefühl der Leerheit ganz natürlich erscheint. </p><lb/> <p>Auch für die Bedürfnisse der Universität sorgte König Ludwig I. später durch einen hellen, breiten, glänzenden Bau. Wir besuchten noch die alten, einem Stifte oder Kloster abgenommenen Räume; sie waren eng, finster, unzweckmäßig; es wehte in ihnen ein Hauch mönchischer Gelehrsamkeit, die man sich von gothischen Bogenfenstern mit runden Scheiben, von braunen eichenen Tischen, von </p> </div> </body> </text> </TEI> [352/0360]
Fluchabwenders zur Sühne seiner That habe anfertigen lassen.
Ueber diesen Kunststudien ward der Besuch der münchener Bibliothek nicht versäumt. Professor Lichtenthaler war die Gefälligkeit selbst, der Katalog in musterhafter Ordnung. Paul erhielt für seine Zwecke alles was er nur wünschen konnte, die obskursten Dissertationen, selbst wenn sie in Miscellanbänden steckten, wurden ihm augenblicklich gereicht. Ich begnügte mich mit der Betrachtung der Fülle von herrlichen Miniaturen aus allen Zeitaltern. Die Sekularisirung so vieler bairischen Klöster unter dem gründlich aufräumenden Ministerium Montgelas hatte der Bibliothek einen Schatz von Handschriften und Druckwerken zugeführt, gröstentheils zwar nur theologischer Natur, doch auch in den andern Fächern nicht unbedeutend. Der numerische Zuwachs an Bänden war so gros geworden, daß Lichtenthaler im Scherze die Furcht aussprach, der Inhalt könne einmal die Form sprengen. Erst mehrere Jahre nachher ward durch König Ludwig I. das neue grosartige Bibliotheksgebäude hergestellt. Man hat sich in diesem mit richtiger Ueberlegung auf einen Zuwachs von mindestens 100 Jahren gefaßt gemacht, weshalb beim Durchwandeln der weiten Säle ein gewisses Gefühl der Leerheit ganz natürlich erscheint.
Auch für die Bedürfnisse der Universität sorgte König Ludwig I. später durch einen hellen, breiten, glänzenden Bau. Wir besuchten noch die alten, einem Stifte oder Kloster abgenommenen Räume; sie waren eng, finster, unzweckmäßig; es wehte in ihnen ein Hauch mönchischer Gelehrsamkeit, die man sich von gothischen Bogenfenstern mit runden Scheiben, von braunen eichenen Tischen, von
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