Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].kirchlichen Ketzereien voll zu machen, bekennen, daß der starre, leblose Ton der Orgel, besonders wenn er bei vielfach gezogenen Registern in ein musikalisches Gebrüll ausartet, mich niemals in die Regionen hoher oder tiefer religiöser Begeisterung hat versetzen können. Diesen Widerwillen gegen die Orgel wagte ich natürlich kaum zu äußern, doch gereichte es mir zur besonderen Genugthuung, bei Klein dasselbe Gefühl anzutreffen, obgleich er die Kraft der Orgel für das Zusammenhalten des Gesanges der Gemeinde als unentbehrlich erklärte. Das Schloß Löbichau war bei aller fürstlichen Pracht nicht reich an werthvollen Gemälden. Es waren meistenteils Bildnisse der kurländischen Fürstenfamilie von Künstlern zweiten Ranges. In den Zimmern der Herzogin hingen die Portraits ihrer Aeltern und ihrer Brüder. Ein Bildniß von Frau von der Recke, ausgeführt von dem Maler Darbes, zeigte ihr schönes edles Gesicht durch eine schwere hängende Nase entstellt. Von großer Lebendigkeit erschien das Brustbild eines polnischen Grafen von Batowski, der auf dem warschauer Reichstage von 1792 sich lebhaft und wirksam für die Interessen des Herzogs von Kurland gegen die kurischen Landstände verwendet hatte. Im Salon hing ein Oelbild der drei ältesten Töchter der Herzogin, ganze lebensgroße, zu einer gefälligen Gruppe vereinigte Figuren, von Grassi in Dresden mit frischem, blühendem Kolorit ausgeführt. Es lag augenscheinlich in der Absicht des Künstlers, die drei Grazien darzustellen. Das Kostüm, zwar nicht ganz das der Grazien, bestand in durchsichtigen Musselingewändern, welche wie ein Nebel die zart modellirten kirchlichen Ketzereien voll zu machen, bekennen, daß der starre, leblose Ton der Orgel, besonders wenn er bei vielfach gezogenen Registern in ein musikalisches Gebrüll ausartet, mich niemals in die Regionen hoher oder tiefer religiöser Begeisterung hat versetzen können. Diesen Widerwillen gegen die Orgel wagte ich natürlich kaum zu äußern, doch gereichte es mir zur besonderen Genugthuung, bei Klein dasselbe Gefühl anzutreffen, obgleich er die Kraft der Orgel für das Zusammenhalten des Gesanges der Gemeinde als unentbehrlich erklärte. Das Schloß Löbichau war bei aller fürstlichen Pracht nicht reich an werthvollen Gemälden. Es waren meistenteils Bildnisse der kurländischen Fürstenfamilie von Künstlern zweiten Ranges. In den Zimmern der Herzogin hingen die Portraits ihrer Aeltern und ihrer Brüder. Ein Bildniß von Frau von der Recke, ausgeführt von dem Maler Darbes, zeigte ihr schönes edles Gesicht durch eine schwere hängende Nase entstellt. Von großer Lebendigkeit erschien das Brustbild eines polnischen Grafen von Batowski, der auf dem warschauer Reichstage von 1792 sich lebhaft und wirksam für die Interessen des Herzogs von Kurland gegen die kurischen Landstände verwendet hatte. Im Salon hing ein Oelbild der drei ältesten Töchter der Herzogin, ganze lebensgroße, zu einer gefälligen Gruppe vereinigte Figuren, von Grassi in Dresden mit frischem, blühendem Kolorit ausgeführt. Es lag augenscheinlich in der Absicht des Künstlers, die drei Grazien darzustellen. 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In den Zimmern der Herzogin hingen die Portraits ihrer Aeltern und ihrer Brüder. Ein Bildniß von Frau von der Recke, ausgeführt von dem Maler Darbes, zeigte ihr schönes edles Gesicht durch eine schwere hängende Nase entstellt. Von großer Lebendigkeit erschien das Brustbild eines polnischen Grafen von Batowski, der auf dem warschauer Reichstage von 1792 sich lebhaft und wirksam für die Interessen des Herzogs von Kurland gegen die kurischen Landstände verwendet hatte. Im Salon hing ein Oelbild der drei ältesten Töchter der Herzogin, ganze lebensgroße, zu einer gefälligen Gruppe vereinigte Figuren, von Grassi in Dresden mit frischem, blühendem Kolorit ausgeführt. Es lag augenscheinlich in der Absicht des Künstlers, die drei Grazien darzustellen. Das Kostüm, zwar nicht ganz das der Grazien, bestand in durchsichtigen Musselingewändern, welche wie ein Nebel die zart modellirten </p> </div> </body> </text> </TEI> [409/0417]
kirchlichen Ketzereien voll zu machen, bekennen, daß der starre, leblose Ton der Orgel, besonders wenn er bei vielfach gezogenen Registern in ein musikalisches Gebrüll ausartet, mich niemals in die Regionen hoher oder tiefer religiöser Begeisterung hat versetzen können. Diesen Widerwillen gegen die Orgel wagte ich natürlich kaum zu äußern, doch gereichte es mir zur besonderen Genugthuung, bei Klein dasselbe Gefühl anzutreffen, obgleich er die Kraft der Orgel für das Zusammenhalten des Gesanges der Gemeinde als unentbehrlich erklärte.
Das Schloß Löbichau war bei aller fürstlichen Pracht nicht reich an werthvollen Gemälden. Es waren meistenteils Bildnisse der kurländischen Fürstenfamilie von Künstlern zweiten Ranges. In den Zimmern der Herzogin hingen die Portraits ihrer Aeltern und ihrer Brüder. Ein Bildniß von Frau von der Recke, ausgeführt von dem Maler Darbes, zeigte ihr schönes edles Gesicht durch eine schwere hängende Nase entstellt. Von großer Lebendigkeit erschien das Brustbild eines polnischen Grafen von Batowski, der auf dem warschauer Reichstage von 1792 sich lebhaft und wirksam für die Interessen des Herzogs von Kurland gegen die kurischen Landstände verwendet hatte. Im Salon hing ein Oelbild der drei ältesten Töchter der Herzogin, ganze lebensgroße, zu einer gefälligen Gruppe vereinigte Figuren, von Grassi in Dresden mit frischem, blühendem Kolorit ausgeführt. Es lag augenscheinlich in der Absicht des Künstlers, die drei Grazien darzustellen. Das Kostüm, zwar nicht ganz das der Grazien, bestand in durchsichtigen Musselingewändern, welche wie ein Nebel die zart modellirten
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